Название | Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836731 |
Auch das Vergessen der Träume bleibt so lange unergründlich, als man nicht die Macht der psychischen Zensur zu seiner Erklärung mitheranzieht. Die Empfindung, daß man in einer Nacht sehr viel geträumt und davon nur wenig behalten hat, mag in einer Reihe von Fällen einen anderen Sinn haben, etwa den, daß die Traumarbeit die Nacht hindurch spürbar vor sich gegangen ist und nur den einen kurzen Traum hinterlassen hat. Sonst ist an der Tatsache, daß man den Traum nach dem Erwachen immer mehr vergißt, ein Zweifel nicht möglich. Man vergißt ihn oft trotz peinlicher Bemühungen, ihn zu merken. Ich meine aber, so wie man in der Regel den Umfang dieses Vergessens überschätzt, so überschätzt man auch die 496 mit der Lückenhaftigkeit des Traumes verbundene Einbuße an seiner Kenntnis. Alles, was das Vergessen am Trauminhalt gekostet hat, kann man oft durch die Analyse wieder hereinbringen; wenigstens in einer ganzen Anzahl von Fällen kann man von einem einzelnen stehengebliebenen Brocken aus zwar nicht den Traum – aber an dem liegt ja auch nichts –, doch die Traumgedanken alle auffinden. Es verlangt einen größeren Aufwand an Aufmerksamkeit und Selbstüberwindung bei der Analyse; das ist alles, zeigt aber doch an, daß beim Vergessen des Traums eine feindselige Absicht nicht gefehlt hat. Als Beispiel für die Bedeutung von Zweifel und Unsicherheit im Traum bei gleichzeitigem Einschrumpfen des Trauminhalts auf ein einzelnes Element entnehme ich meinen Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse folgenden Traum, dessen Analyse nach kurzem zeitlichen Aufschub doch gelungen ist:
»Eine skeptische Patientin hat einen längeren Traum, in dem es vorkommt, daß ihr gewisse Personen von meinem Buche über den ›Witz‹ erzählen und es sehr loben. Dann wird etwas erwähnt von einem ›Kanal‹, vielleicht ein anderes Buch, in dem Kanal vorkommt, oder sonst etwas mit Kanal … sie weiß es nicht … es ist ja ganz unklar.
Nun werden Sie gewiß zu glauben geneigt sein, daß das Element ›Kanal‹ sich der Deutung entziehen wird, weil es selbst so unbestimmt ist. Sie haben mit der vermuteten Schwierigkeit recht, aber es ist nicht darum schwer, weil es undeutlich ist, sondern es ist undeutlich aus einem anderen Grunde, demselben, der auch die Deutung schwermacht. Der Träumerin fällt zu Kanal nichts ein; ich weiß natürlich auch nichts zu sagen. Eine Weile später, in Wahrheit am nächsten Tage, erzählt sie, es sei ihr etwas eingefallen, was vielleicht dazugehört. Auch ein Witz nämlich, den sie erzählen gehört hat. Auf einem Schiff zwischen Dover und Calais unterhält sich ein bekannter Schriftsteller mit einem Engländer, welcher in einem gewissen Zusammenhange den Satz zitiert: Du sublime au ridicule il n’y a qu’un pas. Der Schriftsteller antwortet: Oui, le pas de Calais, womit er sagen will, daß er Frankreich großartig und England lächerlich findet. Der Pas de Calais ist aber doch ein Kanal, der Ärmelkanal nämlich, Canal la Manche. Ob ich meine, daß dieser Einfall etwas mit dem Traum zu tun hat? Gewiß, meine ich, er gibt wirklich die Lösung des rätselhaften Traumelements. Oder wollen Sie bezweifeln, daß dieser Witz bereits vor dem Traum als das Unbewußte des Elements ›Kanal‹ vorhanden war, können Sie annehmen, daß er nachträglich hinzugefunden wurde? Der Einfall bezeugt nämlich die Skepsis, die sich bei ihr hinter aufdringlicher Bewunderung verbirgt, und der Widerstand ist wohl der gemeinsame Grund für beides, sowohl, daß ihr der Einfall so zögernd gekommen, als auch dafür, daß das entsprechende Traumelement so unbestimmt ausgefallen ist. Blicken Sie hier auf das Verhältnis des Traumelements zu seinem Unbewußten. Es ist wie ein Stückchen dieses Unbewußten, wie eine Anspielung darauf; durch seine Isolierung ist es ganz unverständlich geworden.«.
Einen überzeugenden Beweis für die tendenziöse, dem Widerstand dienende Natur des Traumvergessens gewinnt man bei den Analysen aus 497 der Würdigung einer Vorstufe des Vergessens. Es kommt gar nicht selten vor, daß mitten in der Deutungsarbeit plötzlich ein ausgelassenes Stück des Traumes auftaucht, das als bisher vergessen bezeichnet wird. Dieser der Vergessenheit entrissene Traumteil ist nun jedesmal der wichtigste; er liegt auf dem kürzesten Wege zur Traumlösung und war darum dem Widerstande am meisten ausgesetzt. Unter den Traumbeispielen, die ich in den Zusammenhang dieser Abhandlung eingestreut habe, trifft es sich einmal, daß ich so ein Stück Trauminhalt nachträglich einzuschalten habe. Es ist dies ein Reisetraum, der Rache nimmt an zwei unliebenswürdigen Reisegefährten, den ich wegen seines zum Teil grob unflätigen Inhalts fast ungedeutet gelassen habe. Das ausgelassene Stück lautet: Ich sage auf ein Buch von Schiller: It is from… Korrigiere mich aber, den Irrtum selbst bemerkend: It is by… Der Mann bemerkt hierauf zu seiner Schwester: »Er hat es ja richtig gesagt.« Solche Korrekturen im Gebrauche fremder Sprachen sind in Träumen nicht selten, werden aber häufiger fremden Personen zugeschoben. Maury (1878, 143) träumte einmal zur Zeit, da er Englisch lernte, daß er einer anderen Person die Mitteilung, er habe sie gestern besucht, mit den Worten machte: I called for you yesterday. Der andere erwiderte richtig: Es heißt: I called on you yesterday.
Die Selbstkorrektur im Traum, die manchen Autoren so wunderbar erschienen ist, verdient wohl nicht, uns zu beschäftigen. Ich werde lieber für den Sprachirrtum im Traum das Vorbild aus meiner Erinnerung aufzeigen. Ich war neunzehnjährig zum erstenmal in England und einen Tag lang am Strande der Irish Sea. Ich schwelgte natürlich im Fang der von der Flut zurückgelassenen Seetiere und beschäftigte mich gerade mit einem Seestern (der Traum beginnt mit: Hollthurn-Holothurien), als ein reizendes kleines Mädchen zu mir trat und mich fragte: Is it a star-fish? Is it alive? Ich antwortete: Yes he is alive, schämte mich aber dann der Inkorrektheit und wiederholte den Satz richtig. An Stelle des Sprachfehlers, den ich damals begangen habe, setzte nun der Traum einen anderen, in den der Deutsche ebenso leicht verfällt. »Das Buch ist von Schiller«, soll man nicht mit from…, sondern mit by… übersetzen. Daß die Traumarbeit diesen Ersatz vollzieht, weil from durch den Gleichklang mit dem deutschen Eigenschaftswort fromm eine großartige Verdichtung ermöglicht, das nimmt uns nach allem, was wir von den Absichten der Traumarbeit und von ihrer Rücksichtslosigkeit in der 498 Wahl der Mittel gehört haben, nicht mehr wunder. Was will aber die harmlose Erinnerung vom Meeresstrand im Zusammenhang des Traums besagen? Sie erläutert an einem möglichst unschuldigen Beispiel, daß ich das Geschlechtswort am unrechten Platz gebrauche, also das Geschlechtliche (he) dort anbringe, wo es nicht hingehört. Dies ist allerdings einer der Schlüssel zur Lösung des Traumes. Wer dann noch die Ableitung des Buchtitels »Matter and Motion« angehört hat (Molière im Malade Imaginaire: La matiere estelle laudable? – a motion of the bowels), der wird sich das Fehlende leicht ergänzen können.
Ich kann übrigens den Beweis, daß das Vergessen des Traums zum großen Teil Widerstandsleistung ist, durch eine Demonstratio ad oculos erledigen. Ein Patient erzählt, er habe geträumt, aber den Traum spurlos vergessen; dann gilt er eben als nicht vorgefallen. Wir setzen die Arbeit fort, ich stoße auf einen Widerstand, mache dem Kranken etwas klar, helfe ihm durch Zureden und Drängen, sich mit irgendeinem unangenehmen Gedanken zu versöhnen, und kaum ist das gelungen, so ruft er aus: Jetzt weiß ich auch wieder, was ich geträumt habe. Derselbe Widerstand, der ihn an diesem Tage in der Arbeit gestört hat, hat ihn auch den Traum vergessen lassen. Durch die Überwindung dieses Widerstandes habe ich den Traum zur Erinnerung gefördert.
Ebenso kann sich der Patient, bei einer gewissen Stelle der Arbeit angelangt, an einen Traum erinnern, der vor drei, vier oder mehr Tagen vorgefallen ist und bis dahin in der Vergessenheit geruht hat.
Die psychoanalytische Erfahrung hat uns noch einen anderen Beweis dafür geschenkt, daß das Vergessen der Träume weit mehr vom Widerstand als von der Fremdheit zwischen dem Wach-und dem Schlafzustand, wie die Autoren meinen, abhängt. Es ereignet sich mir wie anderen Analytikern und den in solcher Behandlung stehenden Patienten nicht selten, daß wir, durch einen Traum aus dem Schlafe geweckt, wie wir sagen möchten, unmittelbar darauf im vollen Besitze unserer Denktätigkeit den Traum zu deuten beginnen. Ich habe in solchen Fällen oftmals nicht geruht, bis ich das volle Verständnis des Traumes gewonnen hatte, und doch konnte es geschehen, daß ich nach dem Erwachen die Deutungsarbeit ebenso vollständig vergessen hatte wie 499 den Trauminhalt, obwohl ich wußte,