Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
---|---|
Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
Da wandte sich Witichis rasch, ergriff die zitternde Linke Mataswinthens, führte sie schnell einen Schritt vorwärts und berührte mit den Lippen ihre Stirn. Mataswintha zuckte.
«Heil euch!» rief Hildebrand. «Wir haben gesehen den bräutlichen Kuß. Wir bezeugen hinfort den ehelichen Bund! Heil König Witichis und seinem schönen Weib, der Königin Mataswintha.»
Der Zug wiederholte den Ruf, und Hildebrand, Graf Grippa, Herzog Guntharis, Hildebad, Aligern und der tapfere Bandalarius (Bannerträger) des Königs, Graf Wisand von Volsinii, lagerten sich neben den sechs Frauen und Mädchen vor der Türe des Brautgemachs, welche Witichis nun schloß.
Sie waren allein.
Witichis warf einen langen, prüfenden Blick durch das Gemach. Das erste, was Mataswintha tat, war – sein Kuß brannte auf ihrer Stirn –, daß sie unwillkürlich so weit als möglich von ihm hinwegglitt. So war sie – sie wußte nicht wie – in die fernste Ecke des Zimmers, an das Fernster, gelangt. Witichis mochte es bemerken. Er stand hart an der Schwelle, die Hände auf das mächtige, breite und fast brusthohe Schwert gestützt, das er, aus dem Wehrgehäng genommen, in der Scheide, wie einen Stab in der Rechten führte.
Mit einem Seufzer trat er einen Schritt vor, das Auge ruhig auf Mataswintha gerichtet. «Königin», sprach er, und seine Stimme drang ernst und feierlich aus seiner Brust, «sei getrost, ich ahne, was du fürchtend fühlst in zarter Mädchenbrust. Es mußte sein. Ich durfte dein nicht schonen. Das Wohl des Volkes gebot’s: ich griff nach deiner Hand, sie muß mein sein und bleiben. Doch hab’ ich schon in allen diesen Tagen dir gezeigt, daß deine Scheu mir heilig. Ich habe dich gemieden – und wir sind jetzt zum erstenmal allein. Auch diese gepreßte, bange Stunde hätt’ ich dir gern erspart: es ging nicht an. Du kennst, glaube ich, die alte Sitte des Brautgeleits. Und du weißt, in unserem Fall liegt alles daran, sie nicht zu verletzen. Als ich in dies Gemach trat und die Röte in deinen Wangen aufflammen sah – lieber hätt’ ich im ödesten Berggeklüft dieses müde Haupt auf harten Fels zur Ruhe gelegt. Es ging nicht: Hildebrand und Graf Grippa und Herzog Guntharis hüten diese Schwelle. Sonst ist kein Ausgang aus diesem Gemach.
Wollt’ ich dich verlassen, es gäbe Lärm und Spott und Streit: und neuen Zwist vielleicht. Du mußt mich diese Nacht in deiner Nähe dulden.»
Und er trat einen Schritt weiter vor und nahm die schwere Krone ab; auch den Purpurmantel, den er, ähnlich dem Mataswinthens, über der Schulter trug, warf er ab.
Zitternd, sprachlos lehnte Mataswintha an der Wand.
Witichis drückte dies Schweigen; so schwer er selber litt, ihn dauerte des Mädchens. «Komm, Mataswintha», sprach er. «Verharre nicht in unversöhntem Zorn. Es mußte sein, sag’ ich dir. Laß uns, was sein muß, edel tragen und nicht durch Kleinheit uns verbittern. Ich mußte deine Hand nehmen – dein Herz bleibt frei.
Ich weiß, du liebst mich nicht: du kannst, du sollst, du darfst mich nicht lieben. Doch glaub’ mir: redlich ist mein Herz, und achten sollst du immerdar den Mann, mit dem du diese Krone teilst. Auf gute Freundschaft, Königin der Goten!»
Und er trat zu ihr und bot ihr die Rechte.
Nicht länger hielt sich Mataswintha: rasch ergriff sie seine Hand und sank zugleich zu seinen Füßen nieder, daß Witichis überrascht zurücktrat.
«Nein, weiche nicht zurück, du Herrlicher!» rief sie. «Es ist doch kein Entrinnen vor dir! Nimm alles hin und wisse alles. Du sprichst von Zwang und Furcht und Unrecht, das du mir getan. O Witichis, wohl hat man mich gelehrt, das Weib soll immer klug verbergen, was es fühlt, soll sich bitten lassen und erweichen und nur genötigt geben, was es aus Liebe gibt, auch wenn ihr ganzes Herz danach verlangt. Sie soll niemals… Hinweg mit diesen niedrigen Plänen armer Klugheit! Laß mich töricht sein! Nicht töricht! Offen und groß, wie deine Seele!
Nur Größe kann dich verdienen, nur das Ungewöhnliche. Du sprichst von Zwang und Furcht? Witichis, du irrst! – Es brauchte keines Zwangs – gern…»
Staunend hatte sie Witichis eine Zeitlang angesehen.
Jetzt endlich glaubte er, sie zu verstehen. «Das ist schön und groß, Mataswintha, daß du feurig fühlest für dein Volk, die eigene Freiheit ohne Zwang ihm opfernd. Glaub’ mir, ich ehre das hoch und schlage das Opfer darum nicht niedriger an. Tat ich doch desgleichen! Nur um des Gotenreiches willen griff ich nach deiner Hand, und nun und nie kann ich dich lieben.»
Da erstarrte Mataswintha.
Sie ward bleich wie eine Marmorstatue, die Arme fielen ihr schlaff herab, sie starrte ihn mit großen, offnen Augen an. «Du liebst mich nicht? Du kannst mich nicht lieben? Und die Sterne logen doch? Und es ist doch kein Gott? Sag’, bin ich denn nicht Mataswintha, die du das schönste Weib der Erde genannt?»
Aber der König beschloß, dieser Aufregung, die er nicht verstand und nicht erraten wollte, rasch ein Ende zu machen. «Ja, du bist Mataswintha, und teilst meine Krone, nicht mein Herz. Du bist nur die Gemahlin des Königs, aber nicht das Weib des armen Witichis. Denn wisse, mein Herz, mein Leben ist auf ewig einer andern gegeben. Es lebt ein Herz, ein Weib, das sie von mir gerissen, und dem doch ewig mein Herz zu eigen bleibt. Rauthgundis, mein Weib, mein treues Weib im Leben und im Tod!»
«Ha!» rief Mataswintha, wie von Fieber geschüttelt und beide Arme erhebend, «und du hast es gewagt…»
Die Stimme versagte ihr. Aber aus ihren Augen loderte Feuer auf den König. «Du wagst es!» rief sie nochmals – «Hinweg, hinweg von mir!»
«Still», sprach Witichis, «willst du die Lauscher draußen herbeirufen? Fasse dich, ich verstehe dich nicht.»
Und rasch zog er das mächtige Schwert aus der Scheide, trat damit an das Doppelpfühl und legte es auf den Rand der beiden Lager, wo sie eng aneinanderstießen.
«Sieh hier das Schwert! Es sei die ewige, scharfe, eherne, kalte Grenze zwischen uns! Zwischen deinem Wesen und dem meinen.
Beruhige dich doch nur. Es soll uns ewig scheiden.
Ruhe du hier zur Rechten seiner Schneide – ich bleibe links. So teile, wie ein Schwertschnitt, diese Nacht für immer unser Leben!»
Aber in Mataswinthens Busen wogten die mächtigsten Gefühle, furchtbar ringend, drohend: Scham und Zorn, Liebe und glühender Haß. Die Stimme versagte ihr. «Nur fort, fort aus seiner Nähe», konnte sie noch denken. Sie eilte gegen die Tür.
Aber mit fester Hand ergriff Witichis ihren Arm.
«Du mußt bleiben.» Da zuckte sie zusammen: das Blut schoß in ihr auf, bewußtlos sank sie nieder.
Ruhig sah Witichis auf sie herab. «Armes Kind», sprach er, «der schwüle Duft in diesem Gelaß hat sie ganz verwirrt! Sie wußte nicht, was sie sinnlos sprach!
Was ist deine kleine, mädchenhafte Verwirrung gegen Rauthgundens Herzzerreißung und die meine.»
Und leise legte er die Besinnungslose auf das Pfühl zur Rechten des Schwertes.
Er selbst setzte sich nun, in seinen Waffen klirrend, auf den Bodenteppich zur Linken und lehnte den Rücken an das Lager.
Lang saß er so, das Haupt vorgebeugt und die Lippen auf ein blondes Haargeflecht gedrückt, das er in kleiner Kapsel auf dem Herzen trug. Es kam kein Schlaf in seine kummervollen Augen. –
Mit dem ersten Hahnenschrei verließ die Brautwache ihren Posten, von Flötenbläsern abgeholt. Gleich darauf schritt der König aus dem Gemach, in voller Rüstung.
Die Flöten hatten auch Mataswintha geweckt.
Aspa, die sich leise heranschlich, hörte plötzlich einen dumpfen Schlag. Sie eilte in das Gemach. Da stand die Königin, auf des Königs langes Schwert gestützt, und starrte vor sich zur Erde.
Der Areskopf lag zertrümmert zu ihren Füßen.
Drittes Kapitel