Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Название Die Vollendung des Königs Henri Quatre
Автор произведения Heinrich Mann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788726482881



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war keiner wegen des anderen ernstlich in Sorge. Sie sollten gewinnen. Henri hatte einen riesigen weißen Federbusch an seinen Hut gesteckt, ein ebenso großer nickte auf dem Kopf seines Pferdes. Er ritt vor die Front seines Heeres hin und sprach: „Kameraden! Gott ist für uns, dort unser Feind, hier euer König! Drauf! Und weht die Standarte euch nicht mehr voran, sucht meinen weißen Federbusch, ihn findet ihr, wo immer es zu Sieg und Ehre geht!“

      Reckt sich, denkt hinter seinem schmalen Gesicht, den aufgerissenen Augen: ,Habt ihr doch was zum Staunen. Mein Hut! Mich kostet er hundert Taler mit dem weißen Amethysten und den Perlen. Der Federbusch ist außerdem. Und die Schweizer werden kämpfen!‘ — denkt er noch, erkennt aber schon, wie das feindliche Heer in Bewegung kommt, vornweg ein Mönch: der hat dem Feinde versprochen, vor seinem großen Kreuz würden die Ketzer davonlaufen. Henri, den Befehl zum Angriff auf den Lippen, jagt diese letzte Minute die Front hin, bis vor seine Schweizer. „Oberst Tisch!“ Umarmt ihn von Pferd zu Pferd. „Ihnen hab ich unrecht getan, will aber alles gutmachen.“

      „Ach! Sire, Ihre Güte wird mich das Leben kosten“, entgegnete der alte Oberst. Da trennten sie sich und jagte schon jeder seiner Truppe voran gegen den Feind. Zuallererst stieß auf ihn der Marschall d’Aumont, er schlug die leichte Reiterei des Feindes zurück. Gleich nachher warfen deutsche Reiter die Schwadronen des Königs in Unordnung gegen sein Fußvolk, was große Verwirrung bei den Königlichen anrichtete. Zu allem Unglück fällt jetzt auch Graf Egmont mit seinen Wallonen die Königlichen an, auf einmal begegnen diese Spanien und Haus Habsburg, haben aber noch niemals der unbesiegten Weltmacht so nah ins Auge gesehen. Das ist furchtbar, und aus dem ersten unglücklichen Zusammenstoß könnten alsbald die Flucht und das Ende werden. Ein Königlicher im Getümmel zum anderen, schnell bevor es ihn weiterschiebt:

      „Na, alter Ketzer, wer gewinnt die Schlacht?“

      „Ist für den König verloren. Bliebe er nur leben!“

      Rosny, sonst ein unbeirrter Ritter, urteilt nicht günstiger — hat schon fünf Verwundungen, sowohl von Pistolen wie von Schwertern und Lanzen, hält es für genug und schleppt sich aus dem Getümmel fort, bis unter einen Birnbaum. Hängen noch Zweige schützend über ihm. So voll Wunden, will niemand den Schlachtenlärm hören, und Rosny, später Sully genannt, fällt erst einmal in Ohnmacht. Kein Donner der Kanonen weckt ihn.

      Wie in seinen anderen Schlachten hatte der König für sich die Kanonen und verstand es, sie richtig zu gebrauchen. Die feindlichen schossen über ihn weg, die seinen trafen. Als erster riß der Mönch aus, der zuviel versprochen hatte. Nun war das Heer der Liga ein Heer des Aberglaubens und der unwahrhaftigen Vermessenheit: mit seinen Lügen zugleich wurde es selbst erschüttert, wie es vorher durch sie zu großmächtig gewesen war. Das taten die Kanonen des Königs. Aus bloßem Haß machte Graf Egmont mit Spaniern und Landsknechten einen Todesritt gegen die Kanonen. Stieß den Hintern seines Pferdes in eines der feuerspeienden Rohre, um dieses zu demütigen, da es nach seiner Meinung die Waffe der Ketzer und Feiglinge war. Indessen spie es gerade nicht. Statt dessen fielen die Reiter des Königs über den unbedachten Feind her und hieben ihn in Stücke, auch Egmont selbst. Der Herzog von Braunschweig fiel beim Angriff seiner deutschen Reiter, die alsbald flüchteten. Henri! Übersieh nicht im Drang der Vorgänge, daß die flüchtenden Deutschen sehr plump gegen ihre eigene Front prallen: rechts wankt sie.

      Ein Augenblick, unmeßbar, unwägbar, versäum ihn, es ist aus. Der König hält, er steht in den Steigbügeln auf. Als müßte der Augenblick dennoch gemessen werden, faßt er nach seiner Taschenuhr, hat sie aber verloren: achtzig Taler, und der Augenblick unmeßbar. Sein Plan war anders; wahrhaftig hat der ehrgeizige Stratege niemals aufgezeichnet oder vorgesehen, was er jetzt unternehmen wird. Ein Blick rückwärts, wo alles schweigt, plötzlich tief schweigt: „Dreht das Gesicht her! Und wollt ihr nicht kämpfen, seht mich sterben.“ Schon schnellt er vor um zwei Pferdelängen, dringt wütend in den Wald der feindlichen Lanzen, packt sie mit den Händen, hält die Feinde auf, bis seine Reiter da sind. Hält sie nicht nur mit seinen Händen auf, sondern zeigt ihnen sein Gesicht, das Macht und Hoheit spricht: sonst vielleicht anderes, hier Hoheit und Macht. Zuerst die Beschämung mit dem Mönch, dann ihr Schrecken vor den Kanonen, jetzt aber das Gesicht des Königs. Sie haben den Augenblick versäumt, die Spanier, Franzosen, deutschen Reiter! Königliche über ihnen, zerhauen sie, versprengen sie, durchstoßen die gelichtete Front des soeben noch furchtbaren Feindes. Ein Reiter bringt dem König seine Uhr zurück, was besonders erstaunlich ist, und sagt dazu:

      „Sire! Vor weniger als einer Viertelstunde waren wir geschlagen.“

      „Schont die Franzosen!“ rief der König den Verfolgenden nach. Die Schweizer der Liga ergaben sich, sie hatten keinen Streich getan. Der König selbst, an der Spitze von nur fünfzehn oder zwanzig Pferden verfolgte eine Schar von mehr als achtzig Flüchtenden. Als er anhielt, hatte er eigenhändig sieben getötet und eine Fahne erobert. Auf der Stelle, wo er anhielt, endeten Schlacht und Sieg von Ivry. Der König stieg vom Pferd und kniete hin. Seinen Hut warf er zu Boden: Niemand mehr sollte sich nach dem großen weißen Federbusch richten, gern wäre er allein und allen fern gewesen; viel versprengtes Getümmel erscholl aber allseits aus der Ebene. Der König, kniend, zog aus der Brust ein Blatt Papier, das Danklied, geschrieben von seinem alten Gefährten Du Bartas.

      Ganz entfernt mühte sich Mayenne aus dem Hause Lothringen, Führer der großmächtigen Liga, mühte sich, so beleibt er war, verzweifelt mit nur zwei der Seinen, ob er nicht doch noch eine Streitmacht sammeln könnte. Ganz entfernt, in anderer Richtung, erwachte ein übel zugerichteter Ritter — sollte aber dereinst der berühmte Herzog von Sully sein — aus seiner Ohnmacht unter einem Birnbaum.

      Rosny betastete seine Glieder und Körperteile, keines war ganz, Schwerter, Pistolen und Lanzen, alle hatten ihn zugerichtet, und war auch noch mit dem Pferd gestürzt: mit seinem ersten, als diesem der Bauch aufgeschlitzt worden war. Auf sein zweites besann er sich gar nicht mehr. Wo er an sich hingriff, war geronnenes Blut. ,Jämmerlich muß ich aussehen‘, dachte der Baron, dem viel an seinem glatten Gesicht lag. Der Abend sank. ,Mein Schwert in Stücken, mein Helm verbeult, den Panzer muß ich ausziehen, schrecklich drückt das verbogene Eisen meinen wunden Leib.‘ — „He! Arkebusier, wohin so eilig? Komm näher, fünfzig Taler für den Gaul, den du am Zügel führst! Aber du mußt mir hinaufhelfen.“

      Kaum hat der Kerl das Geld, läuft er. Der Ritter, im Sattel schwankend vor Blutverlust, Hunger, Durst und Schwäche, findet die Richtung nicht, irrt über das Schlachtfeld: da stößt er auch noch auf den Feind — andere Ritter, ihre Standarte besät mit den schwarzen Kreuzen von Lothringen. Wollen mich gewiß gefangennehmen, die Schlacht haben wir nun einmal verloren.

      „Wer da?“ rief einer der Edelleute von der Liga.

      „Herr de Rosny, im königlichen Dienst.“

      „Wie, was, Sie kennen wir doch. Erlauben Sie, Herr de Rosny, daß wir uns Ihnen vorstellen. Wollen Sie die Höflichkeit haben, uns gegen Lösegeld gefangenzunehmen?“

      „Wie, was“, sagte zuerst auch er. Aber das Wort „Lösegeld“ klärte ihm alsbald den Kopf auf. Fünf vermögende Edelleute, und jeder wollte nach seinem Wert bezahlen. Da erfaßte Rosny die Lage. Unter seinem Birnbaum war er unversehens zum Sieger geworden.

      Danklied

      Sein König inzwischen kniete auf dem Schlachtfeld, seine Gesellschaft waren weithin nur Tote, zu mehreren oder vereinzelt, und es wurde dunkel um ihn. Seine Reiter vom letzten Treffen hatten ihn verlassen, da sie bemerkten, daß er von einem Blatt ablas und die Lippen bewegte. Es war Nacht, er steckte das Papier weg, das allerdings ein Danklied übermittelte — ihm klang es zu prachtvoll und auch wieder zu traurig. Sein eigener Dank an Gott den Herrn war, daß er ihn vernünftig nannte. „Gott ist immer auf Seiten der Vernunft“, sagte Henri, hier kniend nach der Schlacht; später aber aufrecht auf dem Thron sprach er dasselbe.

      Meine Feinde haben armselige, aufgeblasene Köpfe voll Lug und Trug: darum. Sie vermessen sich eines Ehrgeizes und Machtdünkels, die ihnen nicht zukommen: darum der Zorn des Herrn. Ihr Glaube ist bestimmt falsch, schon weil es der ihre ist; und gegen sie arbeitet die Vernunft Gottes. Denn die ist für das Königreich.