Название | Die Vollendung des Königs Henri Quatre |
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Автор произведения | Heinrich Mann |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788726482881 |
Er ging in sein Haus und erwartete sie dort. Gabriele, still und allein, betrat das Zimmer. „Sire! Sie demütigen mich“, sagte sie — ohne Klage oder Vorwurf, in all ihrer gelassenen Schönheit, und diese quälte ihn wie etwas Verlorenes. An dem Vollkommenen entdeckte er Züge, die darüber noch hinausgingen: dies, während beide schwiegen, aus Furcht vor dem Gespräch, das sie führen sollten. Ein Anflug von Doppelkinn, sah Henri. Eine geringe Falte, sichtbar nur in einem gewissen Licht, aber wie über alle Maßen herrlich! „Ich bin bereit, Madame, Sie zufriedenzustellen“, hörte er sich sagen, so förmlich wie zu einer Fremden. Sie behielt dennoch ihre würdige Vertraulichkeit.
„Wie konnten Sie die Sache nur so falsch anfassen“, sagte sie mit Kopfschütteln. „Sie mußten meinen Vater und mich selbst in Schutz nehmen gegen die Leute von Noyon, die uns nicht mehr achten wollen.“
„Man kann es von ihnen nicht verlangen“, sagte er hart — winkte aber gleichzeitig nach einem Sessel, in den sie sich setzen sollte. Sie tat es und betrachtete ihn um so strenger. „Sie selbst haben alle Schuld. Warum bestraften Sie nicht auf der Stelle das dreiste Volk, das Herrn d’Estrées hei Ihnen verklagte.“
„Weil sie recht hatten. Die Einkäufe hingen meinem Gouverneur aus allen Schlitzen seiner Kleidung. Mir war zumute, als hätte ich es selbst getan.“
„Wie kindisch! Es ist eine kleine unbedeutende Schwäche von ihm, in letzter Zeit mag sie zugenommen haben. Wir waren daran gewöhnt; aus bloßer Vergeßlichkeit versäumte ich, Sie vorzubereiten. Wie oft schon war meine Tante de Sourdis zu den Kaufleuten gefahren und hatte den Irrtum aufgeklärt. Übrigens pflegt es sich um wertlose Gegenstände zu handeln.“
„Der Ring ist nicht wertlos“, stellte er fest und betrachtete mit Verblüffung ihre wunderbare Hand, wie sie auf der Lehne ruhte, wie der Stein daran glänzte. Der Ring, sie trug ihn!
„Ich staune“, äußerte er, obwohl eher Bewunderung aus seinem Ton sprach. „Aber, Madame, erklären Sie mir, was mein Gouverneur mit Spielsachen für Kinder macht.“
Sie sah ihn an, und ihr Blick verwandelte sich. Vorher hell und freimütig infolge des Zornes über empfangene Beleidigungen, trübte er sich jetzt von einer Zärtlichkeit. Oh! die hatte sie nicht absichtlich herbeigerufen.
„Gabriele!“ rief Henri halblaut; die schon erhobenen Arme sanken ihm wieder herab. „Wozu das Spielzeug?“ flüsterte er.
„Es liegt nun bereit für das Kind, das ich bekommen soll“, sagte sie — senkte die Stirn, bewegte die geöffneten Hände leise nach ihm hin. Demütig und ihres Rechtes gewiß, erwartete sie, geküßt und bedankt zu werden.
Bei ihrem nächsten Zusammensein verlangte sie mehr: der König sollte Herrn d’Estrées zum Großmeister der Artillerie ernennen. Er schulde ihrem Vater eine Genugtuung, darauf beharrte sie. Warum gerade diese? Sie erklärte es nicht. Henri versuchte den Fall leicht zu nehmen. „Was versteht Herr d’Estrées von dem Gebrauch des Pulvers. Den grauen Turm hat er nicht gesprengt.“
Sondern Baron Rosny hatte ihn gesprengt, als der König die Stadt Dreux belagerte. Rosny, der ein großer Rechner war, beherrschte auch die Kunst der Minen und Geschütze. „Die Mine des Herrn de Rosny“ war vor Dreux ein geläufiger Ausdruck des Spottes für die umständlichen Arbeiten eines ehrgeizigen Pedanten, sechs Tage und sechs Nächte, bis die dicken Mauern des grauen Turmes mit vierhundert Pfund Pulver ungefüllt waren. Das Hoflager mitsamt den Damen versammelte sich bei dieser Sprengung und erging sich in Witzen, als zuerst nur viel Rauch und ein dumpfer Knall kam, dann aber sieben und eine halbe Minute gar nichts. Die gelehrte Anmaßung des Hauptmanns schien bestraft — und dennoch, auf einmal spaltete sich der Turm von oben bis unten, einen Krach ergab es ohnegleichen, und er fiel ein. Niemand hatte es vorher geglaubt, auch die Belagerten nicht. Standen auf dem Turm und verunglückten in Massen. Einige Überlebende bekamen von dem König je einen Taler. Rosny, der Gouverneur hätte werden wollen, sah sich wieder einmal verdrängt, erstens, weil er „von der Religion“ war. Sein Gegner, der dicke Schurke d’O, konnte überdies dem König einen Teil der öffentlichen Gelder versprechen, soviel er selbst davon nicht stahl. Wie wäre er nicht Gouverneur geworden.
Aber die Großmeisterei der Artillerie, sie wenigstens blieb offen, und Henri war entschlossen, sie seinem verdienten Rosny zu geben. Er wollte ihn damit belohnen, wenn der Brave aus der Stadt und Festung Rouen zurückkehrte, wohin sein König ihn entsendet hatte mit dem Auftrag, den Preis der Übergabe auszuhandeln.
„Schöne Liebe!“ sagte Henri zu Gabriele d’Estrées. „Geliebte Herrin!“ bat er. „Erlassen Sie mir diesen Wunsch. Wählen Sie für Herrn d’Estrées, was Ihnen sonst in den Sinn kommt, nur die Großmeisterei nicht.“
„Wie könnte ich Ihnen hierin gehorchen“, antwortete sie. „Ich und mein Vater würden für gering geachtet werden vom ganzen Hof, gäben. Sie uns nicht diese Genugtuung.“
Ihr gesegneter Zustand erklärte vielleicht ihren Eigensinn. Henri half sich für den Augenblick mit einer unverbindlichen Zusage, und alsbald schickte er nach Rouen einen dringenden Brief an Rosny, damit dieser sich beeilte. Am Geld sollte er das Geschäft nicht scheitern lassen und jedenfalls seinem Herrn das Tor öffnen. Gabriele konnte die ganze Großmeisterei vergessen haben, zog sie erst einmal stolz mit ihrem königlichen Geliebten durch Ehrenpforten in die Hauptstadt des Herzogtumes Normandie.
Vorerst stand es derart, daß der Gesandte des Königs seinen Brief nur zu nötig hatte. Ja, leicht hätte ohne diesen Brief der König seine Stadt Rouen überhaupt verloren, der Gesandte Rosny aber sein Leben.
Mit Herrn de Villars, der für Mayenne und die Liga in Rouen befehligte, stritt Rosny schon zwei Tage gewissenhaft über den Preis, focht alle Bedingungen des Gouverneurs an und behauptete, der königliche Schatz könne sie nicht tragen. Dies, während Abgeordnete der Liga und des Königs von Spanien demselben Villars ungezählte Haufen Gold anboten, und zwar unter jeder Bedingung. Rosny in seinem vernünftigen Kopf, der ganz von der Art dieses nördlichen Landes war, kam nicht darüber fort, daß man besser die Türme hätte sprengen und die Stadt zerschießen sollen, anstatt gutes Geld zu verschwenden. Andererseits war Rosny, später Herzog von Sully, überaus auf seine Würde bedacht, er neigte ihretwegen sogar zum Prunk. Persönlich wäre er gewonnen worden, da Herr de Villars ihn im ersten Hotel von seinen eigenen Leuten bedienen ließ, ihm auch seinen Sekretär schickte und ihn in das Haus seiner Geliebten bestellte. Soweit wäre alles gut gewesen. Der Gouverneur indessen, eine gerade Natur, kam alsbald mit allen Forderungen heraus, wie er sie sich ausgedacht hatte; und natürlich waren sie angewachsen in dem Maße, wie die Gegenseite ihm Haufen Goldes versprach. Zuletzt hatte sich eine lange Liste ergehen: Ämter und Würden, Festungen, Abteien, eine Million zweimalhunderttausend zur Bezahlung seiner Schulden, überdies eine Jahresrente, und dann folgten wieder Abteien. Es war nicht mehr im Kopf zu behalten, Herr de Villars als ordentlicher Mann hatte alles aufgeschrieben und las es vor.
Rosny gab nicht sogleich Antwort, denn er dachte bei sich: ,Schnapphahn elender! Deswegen Ihre gute Bewirtung und der Empfang bei Ihrer Geliebten. Und streiche ich von der Liste einiges, dann verkaufen Sie sich an Spanien. Hätten übrigens recht, wenn nicht unsere Kanonen wären. Ich will Ihnen zeigen, wie man Pulver in Türme praktiziert. Das Ende wird sein, daß Sie hängen.‘
Hierauf begann er, blauäugig und ohne daß sein glattes Gesicht mehr als nötig ausgedrückt hätte, mit seinen vernünftigen Gegenvorschlägen; aber der Gouverneur unterbrach ihn, er hatte noch etwas vergessen. Wenigstens sechs Meilen um Rouen sollte der protestantische Gottesdienst verboten sein — eröffnete er