Название | Das Anthropozän lernen und lehren |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Pädagogik für Niederösterreich |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560832 |
Abbildung 2: Das Detail zeigt die Mündung der Zwettl in den Kamp, dargestellt als zwei Spruchbänder in der Umrittsdarstellung der Bärenhaut (Stiftsarchiv Zwettl, Hs. 2/1, fol. 12r – Ausschnitt).
Als diese Grafik Anfang des 14. Jahrhunderts in die Bärenhaut gezeichnet wurde, existierte das 1138 gegründete Stift Zwettl schon fast 200 Jahre lang. Warum überlegte man sich gerade zu dieser Zeit so ein Projekt? Was wird hier eigentlich vermittelt, und wer soll damit angesprochen werden?
Gehen wir einen Schritt zurück. Das Stift Zwettl wurde auf einer Halbinsel in einer Schlinge des Kamps gegründet. Der Fluss entspringt im Weinsberger Wald und mündet nach 153 Kilometern Flusslänge im Tullnerfeld in die Donau. Schon der keltische Name ist einer der ältesten Sprachtermini der Region und bedeutet „krumm“ bzw. Krümmung.12 Er weist auf die ersten noch vorrömischen Besiedlungen der Gegend des silva nortica oder „Nordwaldes“ hin, eines Urwalds, der zuerst von slavischen Gruppen besiedelt war und ab dem 11. Jahrhundert sukzessive unter die Kontrolle der Babenberger gebracht wurde. Zuständig für die Inbesitznahme und Kolonisierung dieses Gebietes waren die Kuenringer, die als Dienstleute der landesfürstlichen Babenberger das gesamte Territorium entlang dieses Flusses erschlossen.13
Die Zisterzienser übernahmen im 12. Jahrhundert eine wesentliche Rolle für die Umwandlung der Natur- in eine Kulturlandschaft.14 Sie sind ein Reformorden der Benediktiner, die schon im Frühmittelalter mit ihren Reichsklöstern eine wesentliche Stütze des karolingischen Herrschaftssystems darstellten und in ihrer langen Kontinuität das gesamte europäische Mittelalter prägten. Benediktinerklöster sind – zumindest theoretisch – Institutionen, die in kultivierten Gegenden, meistens an beherrschender Stelle auf Hügeln gelegen, wie z.B. Melk und Göttweig, geistige Zentren bildeten und maßgeblich für das religiöse und kulturelle Leben des Mittelalters waren. Auf Basis der Bibeltexte adaptierten bzw. rechtfertigten die Mönchsorden die jeweiligen gesellschaftspolitischen Umsetzungen in der „Zähmung der Wildnis“, der Unterwerfung der Natur unter die Bedürfnisse des Menschen.15 Diese Texte werden von den frühmittelalterlichen Kirchenvätern vertieft gedeutet und weiterentwickelt. Die gebildeten Kleriker kennen sie fast auswendig, arbeiteten auch mit der Naturgeschichte des Plinius, dem Kräuterbuch des Dioscurides oder den Tierbeschreibungen des Physiologus.16 Sie lieferten die meist heilsgeschichtlich ausgerichteten Konzepte für den Umgang mit dem Lebensraum. Dahinter steht die Christianisierung Europas, in der sukzessive die Natur entmystifiziert bzw. entzaubert und damit unter Kontrolle gebracht werden soll. Die nötige Organisationskompetenz für Kolonisierung und Urbarmachung der Territorien kommt weitgehend von den alten Orden, die mit ihrem Bildungsmonopol antikes Wissen in ihre Theologie integrieren und diese Denkgebäude mit praktischen Erfahrungen zu einem Organisationswissen formen. Unser westliches naturwissenschaftlich-technisches Verständnis des Planeten nimmt hier seinen Ausgang. Ein bedeutendes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der St. Gallener Klosterplan aus dem beginnenden 9. Jahrhundert, in dem das Kloster eine eigene, nach außen abgeschlossene Welt ist.17 Diese klösterlichen Institutionen mit ihren Gelehrten und ihrer auf religiösen Vorstellungen basierenden zeitweiligen Deutungshoheit waren federführend in der Tradierung und Weiterentwicklung von Konzepten für den Umgang mit der Natur. Ihre Ideen werden in der Bearbeitung der Landschaft umgesetzt.18
Besonders gut nachvollziehbar sind die normativen Konstrukte der Zisterzienser, die es als Aufgabe sahen, zurück in die Natur zu gehen, dorthin wo es entlegen, unwirtlich und karg war, wo keine Zivilisation herrschte. Ein halbes Jahrtausend nachdem der Ordensgründer Benedikt sein Regelwerk verfasst hatte, fokussierten sich die Zisterzienser wieder auf Askese, Bildung und körperliche Arbeit. Sie betrachteten ihr Kloster als eine arbeitsteilig organisierte Gemeinschaft, die sich in einer Art Subsistenzwirtschaft von der äußeren Welt und ihren Einflüssen unabhängig versorgen kann. Die „Weißen Mönche“ wollten der unfruchtbaren, ungezähmten Natur unter größter Anstrengung ihre Früchte abtrotzen. Berühmt ist die Passage aus den 1134 festgeschriebenen Regeln des Generalkapitels: In Städten, Befestigungen oder Dörfern ist keines unserer Klöster anzulegen, sondern fern vom Verkehr der Menschen, in abgelegenen Orten.19
Diese Ideen kommen aus Frankreich und sind am Puls der Zeit, und das französische Kloster Clairvaux ist auch Vorbild für Zwettl.20 Die Kuenringer, die als Ministerialen der landesfürstlichen Babenberger für die Kolonisierung der kargen Gegend nördlich der Donau zuständig waren, holen diese hochgebildeten und asketischen Männer von Heiligenkreuz im Wienerwald ins heutige Waldviertel an den Kamp.21 Die Geistlichen siedeln auf einer Halbinsel in einer Schlinge des Kamps ihr Kloster an und beginnen die Arbeit am bzw. mit dem Fluss. Eine erste Brücke wird geschlagen und seine Strömung über Jahrhunderte für den Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben, zum Abtransport von Abfällen und schlussendlich zum Betrieb des ersten Elektrizitätswerkes im Waldviertel genutzt. Mittlerweile ist der Kamp mit Wasserkraftwerken weitgehend ausgebaut.
Der Beginn dieses Ausbaus zur sogenannten Kulturlandschaft der ersten Gründergeneration ist heute noch sichtbar und Architektur von damals wird immer noch genutzt. Wir können heute noch über die alte Brücke mit dem Auto den Fluss überqueren, der Mühlkanal für den Antrieb der noch gar nicht so lange verschwundenen Wasserräder ist noch vollständig erhalten ebenso wie das romanische Kloster mit Kapitelsaal, Kreuzgang und Necessarium, der über dem Kamp errichteten Latrinenanlage – die eigenwilligste Touristenattraktion des Zisterzienserstiftes Zwettl.22
Aber nochmal zurück ins 14. Jahrhundert, als die eben beschriebene Anlage schon gute 150 Jahre in Betrieb war. Im Jahr 1304 verkauft der Konvent des Stiftes Zwettl seinen Hof in Wien. Er stand ziemlich genau an der Stelle, an der heute der Südturm des Stephansdoms steht, und musste der Erweiterung des Domes weichen. Als Ersatz wird ein anderes Haus direkt daneben gekauft, denn ein Stadthof ist eine wichtige Drehscheibe für die Pflege des Netzwerks der Zwettler Mönche im Herrschaftszentrum Wien. Die Ressourcen in ihrer Umgebung sind nicht ausreichend für große Erweiterungen und so müssen sie neue Mittel herholen. Zum Beispiel stiftete 1274 die Wiener Familie der Paltrame einen Karner im Stift, in dem die Gebeine der im Kloster Begrabenen aufbewahrt werden können.23
Zur Pflege des Netzwerks ist es wichtig, die politischen Verbindungen zu verstehen, und das ist um das Jahr 1300 nicht leicht. Die Babenberger sind längst ausgestorben und