Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil

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Название Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027226276



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auf und nieder schweben. Den zweiten verwandelte sie in einen Wallfisch, der lebte im tiefen Meer, und man sah nur wie er zuweilen einen mächtigen Wasserstrahl in die Höhe warf. Beide hatten nur zwei Stunden jeden Tag ihre menschliche Gestalt. Der dritte Sohn, da er fürchtete sie möchte ihn auch in ein reißendes Thier verwandeln, in einen Bären oder einen Wolf, so gieng er heimlich fort.

      Er hatte aber gehört daß auf dem Schloß der goldenen Sonne eine verwünschte Königstochter säße, die auf Erlösung harrte: es müßte aber jeder sein Leben daran wagen, schon drei und zwanzig Jünglinge wären eines jämmerlichen Todes gestorben und nur noch einer übrig, dann dürfte keiner mehr kommen. Und da sein Herz ohne Furcht war, so faßte er den Entschluß das Schloß von der goldenen Sonne aufzusuchen. Er war schon lange Zeit herum gezogen, und hatte es nicht finden können, da gerieth er in einen großen Wald und wußte nicht wo der Ausgang war. Auf einmal erblickte er in der Ferne zwei Riesen, die winkten ihm mit der Hand, und als er zu ihnen kam, sprachen sie „wir streiten um einen Hut, wem er zugehören soll, und da wir beide gleich stark sind, so kann keiner den andern überwältigen: die kleinen Menschen sind klüger als wir, daher wollen wir dir die Entscheidung überlassen.“ „Wie könnt ihr euch um einen alten Hut streiten?“ sagte der Jüngling. „Du weißt nicht was er für Eigenschaften hat, es ist ein Wünschhut, wer den aufsetzt, der kann sich hinwünschen wohin er will, und im Augenblick ist er dort.“ „Gebt mir den Hut“ sagte der Jüngling, „ich will ein Stück Wegs gehen, und wenn ich euch dann rufe, so lauft um die Wette, und wer am ersten bei mir ist, dem soll er gehören.“ Er setzte den Hut auf und gieng fort, dachte aber an die Königstochter, vergaß die Riesen und gieng immer weiter.

      Einmal seufzte er aus Herzensgrund und rief, „ach, wäre ich doch auf dem Schloß der goldenen Sonne!“ und kaum waren die Worte über seine Lippen, so stand er auf einem hohen Berg vor dem Thor des Schlosses.

      Er trat hinein und gieng durch alle Zimmer, bis er in dem letzten die Königstochter fand. Aber wie erschrack er, als er sie anblickte: sie hatte ein aschgraues Gesicht voll Runzeln, trübe Augen und rothe Haare. „Seid ihr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?“ rief er aus. „Ach,“ erwiederte sie, „das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Häßlichkeit erblicken, aber damit du weißt wie ich aussehe, so schau in den Spiegel, der läßt sich nicht irre machen, der zeigt dir mein Bild, wie es in Wahrheit ist.“ Sie gab ihm den Spiegel in die Hand, und er sah darin das Abbild der schönsten Jungfrau, die auf der Welt war, und sah wie ihr vor Traurigkeit die Thränen über die Wangen rollten. Da sprach er „wie kannst du erlöst werden? ich scheue keine Gefahr.“ Sie sprach „wer die krystallne Kugel erlangt und hält sie dem Zauberer vor, der bricht damit seine Macht, und ich kehre in meine wahre Gestalt zurück. „Ach,“ setzte sie hinzu, „schon so mancher ist darum in seinen Tod gegangen, und du junges Blut, du jammerst mich, wenn du dich in die großen Gefährlichkeiten begiebst.“ „Mich kann nichts abhalten“ sprach er, „aber sage mir was ich thun muß.“ „Du sollst alles wissen,“ sprach die Königstochter, „wenn du den Berg auf dem das Schloß steht, hinabgehst, so wird unten an einer Quelle ein wilder Auerochs stehen, mit dem mußt du kämpfen. Und wenn es dir glückt ihn zu tödten, so wird sich aus ihm ein feuriger Vogel erheben, der trägt in seinem Leib ein glühendes Ei, und in dem Ei steckt als Dotter die Kristallkugel. Er läßt aber das Ei nicht fallen, bis er dazu gedrängt wird, fällt es aber auf die Erde, so zündet es und verbrennt alles in seiner Nähe, und das Eis selbst zerschmilzt und mit ihm die krystallne Kugel, und all deine Mühe ist vergeblich gewesen.“

      Der Jüngling stieg hinab zu der Quelle, wo der Auerochse schnaubte und ihn anbrüllte. Nach langem Kampf stieß er ihm sein Schwert in den Leib und er sank nieder. Augenblicklich erhob sich aus ihm der Feuervogel und wollte fort fliegen, aber der Adler, der Bruder des Jünglings, der zwischen den Wolken daher zog, stürzte auf ihn herab, jagte ihn nach dem Meer hin und stieß ihn mit seinem Schnabel an, so daß er in der Bedrängnis das Ei fallen ließ.

      Es fiel aber nicht in das Meer, sondern auf eine Fischerhütte, die am Ufer stand, und die fieng gleich an zu rauchen und wollte in Flammen aufgehen. Da erhoben sich im Meer haushohe Wellen, strömten über die Hütte und bezwangen das Feuer. Der andere Bruder, der Wallfisch, war heran geschwommen und hatte das Wasser in die Höhe getrieben. Als der Brand gelöscht war, suchte der Jüngling nach dem Ei und fand es glücklicher Weise: es war noch nicht geschmolzen, aber die Schaale war von der plötzlichen Abkühlung durch das kalte Wasser zerbröckelt und er konnte die Kristallkugel unversehrt heraus nehmen.

      Als der Jüngling zu dem Zauberer gieng und sie ihm vorhielt, so sagte dieser „meine Macht ist zerstört und du bist von nun an der König vom Schloß der goldenen Sonne. Auch deinen Brüdern kannst du die menschliche Gestalt damit zurück geben.“ Da eilte der Jüngling zu der Königstochter, und als er in ihr Zimmer trat, so stand sie da in vollem Glanz ihrer Schönheit, und beide wechselten voll Freude ihre Ringe mit einander.

      Das Sternenkind

      (Oscar Wilde)

       Inhaltsverzeichnis

      Es waren einmal zwei arme Holzhauer, die durch einen großen Fichtenwald nach Hause gingen. Es war Winter und eine bitterkalte Nacht. Der Schnee lag dick auf dem Boden und auf den Ästen der Bäume, und rechts und links, wo sie vorbeigingen, knarrten die kleinen Zweige vor Frost. Als sie zu dem Gebirgsbach kamen, hing er bewegungslos in der Luft, denn der Eiskönig hatte ihn geküßt.

      So kalt war es, daß selbst die vierfüßigen Tiere und die Vögel nicht wußten, was sie dazu sagen sollten.

      »Hu!« knurrte der Wolf und hinkte, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, durch das Unterholz. »Dies ist ein einfach scheußliches Wetter. Warum bekümmert sich die Regierung nicht darum?«

      »Witt! witt! witt!« zwitscherten die grünen Hänflinge. »Die alte Erde ist tot, und sie haben sie in ihrem weißen Totenkleid aufgebahrt.«

      »Die Erde will sich verheiraten, und dies ist ihr Brautgewand,« flüsterten sich die Turteltauben zu. Ihre kleinen, rosigen Füße waren ganz erfroren, aber sie hielten es für ihre Pflicht, die Lage von der romantischen Seite aufzufassen.

      »Unsinn,« heulte der Wolf. »Ich sage euch, nur die Regierung ist daran schuld, und wenn ihr mir nicht glaubt, freß ich euch auf.« Der Wolf war durchaus Praktiker und nie um gute Gründe verlegen.

      »Nun, was mich angeht,« sagte der Specht, der ein geborener Philosoph war, »so kümmere ich mich um keine, noch so subtilen Erklärungstheorien. Wie etwas ist, so ist es, und augenblicklich ist es schrecklich kalt.«

      Schrecklich kalt war es wirklich. Die kleinen Eichhörnchen, die in den hohen Fichtenbäumen wohnten, rieben sich gegenseitig immerfort die Nasen, um sich warm zu halten, und die Kaninchen rollten sich in ihren Höhlen zusammen und wagten nicht einmal, aus ihren Türen zu blicken. Die einzigen Wesen, die an der Kälte Freude zu haben schienen, waren die großohrigen Eulen. Ihre Federn waren ganz hart vom Reif, aber das kümmerte sie nicht, und sie rollten ihre großen, gelben Augen und riefen sich durch den Wald hin zu: »Tuwitt! Tuhu! Tuwitt! Tuhu! Was haben wir doch für ein wundervolles Wetter!«

      Immer weiter gingen die beiden Holzhauer, hauchten sich munter auf die Finger und stampften mit ihren großen, eisenbeschlagenen Schuhen auf den festen Schnee. Einmal versanken sie in einer tiefen Schneewehe und kamen so weiß heraus wie Müller, wenn die Steine mahlen; und einmal glitten sie auf dem harten, glatten Eise aus, als sie über gefrorenes Moorwasser gingen, und ihre Holzscheite fielen aus ihren Bündeln, so daß sie sie wieder auflesen und von neuem zusammenbinden mußten; und einmal glaubten sie, sie hätten ihren