Название | Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten |
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Автор произведения | Gustav Weil |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027226276 |
Er ließ also die vortrefflichsten Bauleute seines Reiches kommen und gab ihnen genau an, wie der Turm erbaut und befestigt werden sollte; ließ ihnen auch Steine, Kalk, Sand und alle anderen nötigen Dinge zum Bau zuführen. Sie fingen alsbald mit großem Fleiß an; als sie aber mit dem Fundament fertig waren, und etwa drei oder vier Fuß aus der Erde gebaut hatten, fing das ganze Werk an zu beben und zu wanken, und fiel so heftig und mit einer so starken Erschütterung zusammen, daß sogar der Berg, auf dem der Turm angefangen war, einzustürzen drohte. Die Bauleute erschraken und waren verwirrt; »was ist nun zu tun«, fragte einer den andern. Sie kamen überein, daß man den Bau noch einmal anfangen müsse, und zwar noch stärker als das erstemal. Er fiel aber auch das zweitemal zusammen, wie zuerst, und so auch zum drittenmal. Der König wollte ganz rasend und unsinnig über diese wunderbare Begebenheit werden; sagte auch, er würde nie Ruhe oder Freude haben, bis er das Werk vollendet sähe. Er ließ in allen seinen Landen bekannt machen, daß die Weisesten und Verständigsten zu ihm kommen und die Sache mit ihm überlegen sollten. Als sie nun bei ihm angekommen waren, zeigte ihnen der König den angefangenen Bau und erzählte ihnen, wie er dreimal wieder zusammengestürzt sei, als er drei oder vier Fuß hoch gebaut war. Die neu angelangten weisen Männer erstaunten höchlich ob dieser Erzählung, noch mehr aber als sie hinausgingen und das Werk und die Stärke der Mauer sahen. »Herr König«, sagten sie, »wir wollen uns über diese wunderbare Sache beratschlagen, und alsdann Euch unsre Meinung sagen.« Nachdem sie eine geraume Zeit miteinander die Sache überlegt hatten, kamen sie dahin überein, daß sie es nicht wüßten, gingen auch wieder zum König, um ihm diese ihre Meinung zu sagen. »Wir wissen nicht und verstehen nichts davon, Herr König«, sagte der älteste und verständigste unter ihnen, »warum Euer Turm nicht stehen will; laßt aber die weisesten und gelehrtesten geistlichen Männer Eures Landes zusammenberufen, und fragt sie danach, diese werden sicher Euch hinlänglichen Bescheid darüber erteilen, weil sie gelehrt sind und vieles wissen; wir aber haben nicht studiert.«
Der König tat das, er ließ alle gelehrte Geistliche zusammenberufen und versprach demjenigen eine hohe Belohnung, der ihm die Sache erklären würde. Die Geistlichen kamen aus dem ganzen Land von allen Seiten her, rieten hin und her, wußten es so wenig zu sagen wie die ersten Männer, rieten aber dem König, der durch diesen Aufschub immer hitziger und wilder ward, seine Sterndeuter zusammen berufen zu lassen, weil diese es sicher wissen müßten, indem sie jede Sache deutlich in den Sternen läsen. Es geschah nach ihrem Rat, und die berühmtesten Sterndeuter, sieben an der Zahl, kamen zum König und ließen sich die Sache von ihm vortragen; er versprach demjenigen unter ihnen, der die Ursache herausbringen würde, große Ehre und hohe Belohnung.
X. Von sieben ratlosen Astrologen und den Boten, die ausgesandt wurden, um Merlin zu töten
Die sieben Astrologen studierten jeder mit vielem Fleiß und großer Anstrengung; sie konnten aber nichts finden, was zu ihrer Absicht gehörte. Es war freilich etwas besonders Seltsames in der Constellation zu sehen, und jeder von ihnen fand es, aber dieses Seltsame paßte nicht und gehörte nicht in das, was sie suchten, und sie wußten es auf keine Weise damit zu verbinden. Als sie nun zusammenkamen und sich ihre Entdeckungen mitteilten, waren sie nicht wenig erschrocken darüber, daß sie alle nur dasselbe gesehen und also über den eigentlichen Grund der Sache nichts heraus gebracht hatten. Dazu kam, daß der König sie sehr drängte, und eiligst zu wissen verlangte, was sie gefunden. »Ach Herr König«, antwortete ihm einer der Astrologen, »wir können Euch eine so schwere Frage nicht so schnell lösen, wie Ihr wohl denkt; wir brauchen noch neun Tage zu unseren Studien.« – »Die sollt Ihr haben«, rief der ungeduldige Vortigern; »aber hütet Euch, wo Ihr nicht am Ende dieser neun Tage mir die wahre Ursache erklärt und ausfindig gemacht habt!«
Nun studierten die Astrologen wieder in den Sternen; und als sie erneut zusammenkamen und sich einander fragten, was sie wahrgenommen, sprach keiner von ihnen etwas, sondern sie sahen sich an und schwiegen still. »Wollt Ihr«, fing endlich der älteste und verständigste unter ihnen an, »mir lieber jeder besonders und heimlich Eure Meinung über die Sache sagen, so will ich bei meiner Treue Euch nicht verraten, und keiner soll von mir erfahren, was die andern mir offenbart.« Dessen waren alle zufrieden, und jeder sagte dem Ältesten insgeheim, was er wahrgenommen, und zu seinem Erstaunen sagten alle dasselbe, nämlich daß sie über die Sache mit dem Turm nichts gefunden; daß sie aber eine andre wunderbare Sache gesehen, nämlich ein Kind, welches jetzt sieben Jahr alt sei, von einer Frau geboren, ohne einen irdischen Erzeuger.
»Ihr habt eines und dasselbe gesehen und mir jeder das nämliche entdeckt«, sagte der Alte; »jedoch eines ist, was Ihr mir alle verschwiegt, und was Ihr doch eben so gesehen habt wie ich, daß nämlich dieses Kind vom Weibe geboren, aber ohne irdischen Vater erzeugt, Schuld an unserm Untergang und die Ursache unsers Todes sein wird. Ist es nicht so?« – »Es ist wahrlich so«, sagten die andern erstaunt und bekümmert. »Nun so hört mich«, fing der Alte wieder an, »wir würden in unsrer Kunst wenig taugen, wenn wir nicht dem, was uns kund getan, abhelfen könnten. Laßt uns nur einig sein und uns nicht in unsern Reden widersprechen, wenn wir vor den König kommen. Folgendes wollen wir ihm einstimmig sagen: ›Wisse, Herr König, daß Dein Turm niemals fest stehen wird und nie zu Ende gebaut werden kann, wenn Du nicht den Grundstein mit dem Blute eines Kindes netzst, das von einem Weib geboren, aber von keinem Mann erzeugt worden ist. Es lebt auch in der Tat ein solches Kind; wenn Du, Herr König, es nur finden kannst und sein Blut auf den Grundstein des Turmes vergießen läßt, so wird der Turm fest stehen und nie wieder fallen.‹ Auch müssen wir dem Könige verbieten«, fuhr der Alte fort, »daß er das Kind nicht selber zu sehen verlangt noch es sprechen hört. Diejenigen, die er aussendet, müssen es, sobald sie es gefunden, hinausführen und auf dem Grundstein töten. Auf diese Weise werden wir uns des Kindes entledigen, von dem wir in den Sternen gesehen, daß es an unserm Tode schuld sein wird.« Auf solche Weise verabredeten sich nun die Sterndeuter über jedes Wort, damit alle dieselben Worte vorbringen würden.
Als sie nun vor König Vortigern gerufen wurden, baten sie sich jeder Gehör bei ihm aus, was er ihnen sogleich bewilligte. »Ist es möglich«, rief er, nachdem er sie alle vernommen und sie ihm alle dasselbe gesagt, »ist es möglich, daß ein solches Wunder auf Erden lebt? Ein Kind ohne Vater erzeugt? Wenn dies sich wirklich so verhält, so seid Ihr sehr weise und gelehrte Männer.« – »Wenn es sich nicht so verhält«, sagten die Astrologen, »so tue der König mit uns nach seinem Wohlgefallen, wir sind in seiner Hand.« – »Aber wie kann es möglich sein?« fragte Vortigern noch einmal. »Niemals«, antworteten jene, »haben wir vorher so etwas gehört; dieses Kind ist ohne Vater erzeugt, lebt, und ist jetzt sieben Jahre alt.« – »Ich will es aufsuchen lassen«, sagte der König wieder, »aber bis es gefunden ist, bleibt Ihr in der genauesten Verwahrung.« – »Es geschehe so, wie der Herr unser König befiehlt«, sagten jene; »doch hüte sich der König, den Knaben zu sehen oder sprechen zu hören; die Boten, die ihn suchen, müssen ihn sogleich töten, wenn sie ihn gefunden haben, und das Blut auf den Grundstein des Turmes ausgießen.«
Hierauf wurden die Sterndeuter von dem König entlassen und in einem festen Turm wohl verwahrt, wo ihnen Speise und Trank gereicht ward, nebst allem, was sie sonst zum Leben bedurften. König Vortigern aber sandte sogleich zwölf Boten, denen befahl er, auf der ganzen Erde nach einem Knaben zu suchen, der sieben Jahre alt und ohne Vater erzeugt von einem Weibe geboren sei. Niemals sollten sie wieder zurückkommen, wenn sie ihn nicht gefunden. Er ließ sie einen Eid ablegen, daß sie ihn sogleich erschlagen würden, sobald sie ihn hätten. Die Boten verteilten sich je zwei und zwei und suchten den Knaben Merlin nach der Vorschrift des Königs Vortigern. Nicht weit von dem Ort, wo Merlin sich aufhielt, begegneten sich vier Boten und beschlossen, eine halbe Tagreise zusammen zu machen. Sie waren noch nicht lange geritten, da sahen sie einen Haufen Knaben, die spielten und den Ball schlugen. Merlin war unter ihnen und wußte sehr wohl, daß die Boten an diesem Tage kommen würden, und auch, wen sie suchten; als er sie daher kommen sah, nahm er den Schlegel, womit er seinen Ball schlug, und hieb damit einen andern Knaben so derb gegen das Bein, daß dieser anfing zu schreien und