Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Название Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman
Автор произведения Patricia Vandenberg
Жанр Языкознание
Серия Chefarzt Dr. Norden Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740975135



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sich zurück. Ihre Augen füllten sich mit Erinnerungen. »Vielleicht haben Sie die Geschichte damals in der Presse mitverfolgt«, sagte sie langsam. »Mein Mann und ich hatten uns von Freunden ein altes Cabrio ausgeliehen. Es hatte noch nicht einmal Gurte, geschweige denn Kopfstützen. Doch das kümmerte uns wenig, als wir an diesem sonnigen Frühlingstag vor sieben Jahren über Land fuhren. Ich erinnere mich wie heute daran. Zum ersten Mal nach dem langen Winter war es warm. Die Vögel zwitscherten. Normalerweise bemerkte Georg die Jahreszeiten kaum. Doch an diesem Tag hatte sogar er etwas übrig für die Schönheit der Natur. Wahrscheinlich machte er deshalb diesen fatalen Fehler.« Es war Alexandra anzusehen, dass das Ereignis auch nach dieser langen Zeit noch schwer auf ihrer Seele lastete. »Wir landeten an einem Baum. Als ich wieder zu mir kam, lag ich mit zertrümmerten Knochen in einer Klinik. Ich weiß nicht mehr, wie viele Operationen ich über mich ergehen lassen musste. Seither ist ein Leben ohne Schmerzmittel für mich undenkbar. Da diese Medikamente aber Magen- und andere Beschwerden verursachen, nehme ich auch dagegen diverse Tabletten. Eine Pille für die Beschwerden und fünf andere gegen die Nebenwirkungen.« Lakonisch zuckte sie mit den Schultern. »Aber in letzter Zeit habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass sie nicht mehr wirken.« Während sie sprach, verzog Alexandra das Gesicht. »Jetzt geht es schon wieder los.«

      Daniel legte die Unterlagen zur Seite und stand auf.

      »Kommen Sie! Legen Sie sich hin. Ich helfe Ihnen.« Fürsorglich brachte er sie zum Bett und deckte sie zu. »Besser?«

      »Manchmal sind die Schmerzen so stark, dass ich kaum mehr atmen kann«, erwiderte sie statt einer Antwort und schloss die Augen.

      »Ehrlich gesagt wundert mich das nicht.« Daniel stand neben dem Bett, bis Alexandras regelmäßige Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war. Tief in Gedanken versunken verließ er schließlich ihr Zimmer.

      *

      »Da hat Ihr Kleiner ganze Arbeit geleistet.« Volker Lammers saß auf einem Hocker und hielt den Eltern des verunglückten Jungen ein Tablet unter die Nasen. Severin war inzwischen wieder bei Bewusstsein. Unglücklich lag er im Bett und versuchte, das Gespräch der Erwachsenen zu verstehen. »Wir haben es mit einer komplizierten Wirbelkörperfraktur zu tun.« Lammers deutete auf den kleinen Bildschirm.

      Doch weder Thorsten noch Frauke achteten auf die nichtssagenden Schattierungen in verschiedenen Grautönen. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehörte dem Kinderchirurgen.

      »Das … Das klingt nicht gut.«

      »Stimmt auffallend.« Lammers schnalzte mit der Zunge. »Das ist eine gravierende Geschichte. Kein Spaziergang.«

      Thorsten sah den Arzt forschend an.

      »Was bedeutet das, Herr Doktor? Bitte sagen Sie uns die Wahrheit.«

      »Kommt Sevi wieder in Ordnung?« Frauke schluchzte auf.

      Volker war versucht, die Augen zu verdrehen. Allein seine Müdigkeit hinderte ihn daran.

      »Einen besseren Kinderchirurgen werden Sie weit und breit nicht finden. Wenn einer das Gör wieder hinbekommt, dann ich.«

      Im Normalfall hätte sich Thorsten über die Überheblichkeit des Arztes mokiert. In diesem Moment aber wirkte seine Selbstsicherheit tröstlich.

      »Da haben wir ja Glück gehabt, ausgerechnet Sie hier angetroffen zu haben.«

      »Das können Sie laut sagen.« Volker stand auf und machte Anstalten zu gehen.

      »Wie lange dauert es denn, bis ich wieder gesund bin?« Diese Frage brannte schon die ganze Zeit auf Severins Seele. Er musste sie unbedingt stellen.

      Frauke streichelte ihrem Sohn zärtlich durchs Haar. Ihr Blick ruhte auf Dr. Lammers.

      Der schnalzte unwillig mit der Zunge und drehte sich zu dem Jungen um.

      »Anschlussheilbehandlung, Reha … Du hast einen langen Weg vor dir. Darüber solltest du nachdenken, bevor du das nächste Mal solche Dummheiten machst.«

      »Aber ich bin doch nur Fahrrad gefahren.« Hilfesuchend sah sich Severin nach seinen Eltern um.

      Frauke streichelte ihm beruhigend über das Haar.

      »Keine Angst, der Doktor meint es nicht so.«

      »Sie tun ja so, als wäre ich nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Natürlich meine ich es so, wie ich das sage. Wenn du zu dumm zum Fahrradfahren bist, solltest du es bleiben lassen.« Ehe die Eltern Gelegenheit zur Beschwerde hatten, fuhr er fort. »Ich gehe jetzt in den OP. Der Kollege Klaiber wird die OP-Vorbereitung machen. Er wird Sie über die Risiken aufklären, mögliche Nebenwirkungen der Narkose, Wundheilstörungen, Nerven- und Rückenmarkschädigungen bis hin zur Querschnittsymptomatik.«

      Frauke schlug die Hand vor den Mund.

      »Wie wahrscheinlich ist das denn alles?«, erkundigte sich Thorsten.

      »Ich habe so einen Eingriff schon häufig durchgeführt. Vertrauen Sie mir etwa nicht?«

      Thorsten drückte die Hand seiner Frau.

      »Doch, doch«, versicherte er schnell.

      Sein Tonfall war nicht dazu angetan, Dr. Lammers zu überzeugen. Er stutzte und schien kurz zu überlegen, ehe er die Eltern mit ihrem Sohn allein ließ.

      *

      Leise summend räumte Oskar die Flaschen mit der Bio-Limonade in die Kühlung.

      »Kannst du endlich aufhören mit diesen Schmuseliedern. Das ist ja nicht zum Aushalten«, schimpfte Lenni, als sie von draußen hereinkam. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Das Tablett in ihren Händen hinderte sie daran.

      »Meine Güte. Ich werde doch wohl ein Mal gute Laune haben dürfen«, bemerkte Oskar.

      »Meinetwegen könntest du jeden Tag wie die Sonne persönlich strahlen. Aber nein, da muss erst eine Frau Unternehmerin kommen, um die Lebensfreude in dir zu wecken.«

      Die Getränkekiste war leer. Oskar richtete sich auf und gesellte sich zu Lenni an die Theke.

      »Sag bloß, du bist eifersüchtig«, fragte er geschmeichelt.

      »Ich und eifersüchtig? Träum weiter.« Um ein Haar hätte sie die Gläser vom Tablett gefegt. »Ich bin doch keine fünfzehn mehr.«

      »Schade eigentlich.« Oskar maß sie mit einem nachdenklichen Blick, der Lenni durch und durch ging. Entgegen ihrer Art dachte sie schon über eine Entschuldigung nach, als Oskar versonnen sagte: »Diese Frau Endress ist wirklich bewundernswert. So ein schweres Schicksal! Doch sie hat sich nicht unterkriegen lassen. Ganz im Gegenteil hat sie die Firma nach dem Unfalltod ihres Mannes zu neuer Blüte geführt.«

      »Woher willst du denn das wissen?«, fragte Lenni zornig.

      »Ich kannte Georg Endress ­von unserem Unternehmerverband und habe Alexas Werdegang mit Interesse verfolgt. Wenn du hin und wieder den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen würdest, wüsstest du Bescheid.« Oskar nahm die schmutzigen Teller und Tassen vom Tablett und brachte sie in die kleine Küche, um sie in die Spülmaschine zu stellen.

      »Wozu? Hinter all den Berichten stecken doch eh nur von der Wirtschaft gekaufte Journalisten, die schreiben, was ihre Sponsoren diktieren.« Lenni warf einen Blick auf den Zettel mit den neuen Bestellungen.

      »Findest du es richtig, alle in einen Topf zu werfen?«, fragte Oskar und schloss den Geschirrspüler.

      »Ja.« Beleidigt klatschte Lenni Apfelstrudel und Streuselkuchen auf die Teller.

      Seufzend kehrte Oskar aus der Küche zurück.

      »Wenn du nicht so stur wärst, wüsstest du, welch herausragende Persönlichkeit Alexandra Endress ist.«

      »Mir genügt es vollkommen zu wissen, dass du alles andere als herausragend bist«, erwiderte Lenni erbarmungslos. »Die Gäste dort hinten warten immer noch auf ihre Bestellung. Bringst du ihnen nun Kaffee und Kuchen, oder muss ich das auch noch selbst machen? Ach, lass nur!«, winkte sie ab. »Träum du in Ruhe von deiner