Lieben, leiten, leben. Daniel Zindel

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Название Lieben, leiten, leben
Автор произведения Daniel Zindel
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783862567157



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(Käthi) erlebe das gemeinsame Gebet kraftvoller, als wenn ich alleine bete. Es ist ein Zeuge dabei. Und wir sprechen laut. Mir scheint, dass mehr Kraft und Zielgerichtetheit in unserem Beten ist. Wir machen im Gebet das gemeinsam Erkannte fest. Im gemeinsamen Gebet leben wir unsere Ehe als Beziehungsdreieck exemplarisch, der Trialog wird ganz konkret.

       Konstruktiver Umgang mit Führungsfrust

      Und wie wirkt sich Beten auf Führungsverantwortliche aus? Wer gelernt hat, seinen »Ehefrust« mit Gott zu bearbeiten – und zwar unabhängig von seinem Partner –, der wird auch fähig sein, seinen »Führungsfrust« mit Gott zu bewältigen. Wir werden später sehen, wie das Beten zu einer guten »Work-Life-Balance« beiträgt. Zudem sind Leitende, die gelernt haben, sich in der Stille vor Gott stillen zu lassen, weniger anfällig dafür, ihr durstiges Selbst durch Position, Macht, Leistung und Anerkennung durch Menschen zu stillen. Wer betet, ist nicht mehr der Nabel der Welt, sondern steht vor dem, der das Universum in Händen hält. Demut ist eine Voraussetzung für gutes Führen. Es ist irritierend, peinlich und für das Unternehmen gefährlich, wenn Führungsverantwortliche dauernd um ihr eigenes Ich kreisen und ihre Entscheidungen aus der Befangenheit ihrer »Egorotation« heraus fällen.

      4Siehe auch: Daniel Zindel, Gestillt – Nachtgespräche mit David, Neufeld, Schwarzenfeld 22014.

       Charakter

      Damit bezeichnen wir unsere Art oder Unart. Jeder von uns hat seinen Charakter, ist eine Persönlichkeit. Wir sind originale Geschöpfe Gottes. Wir haben unsere genetischen Vorgaben. Wir sind in gesunden oder kranken Familien groß geworden. Wir haben an Modellen gelernt, was ein Mann oder eine Frau ist, wie ein Paar zusammenlebt, wie Kinder erzogen werden. Wir haben unsere Vorbilder – gute, schlechte, meist irgendwo dazwischen. Was wir geworden sind, ist die Folge unserer Erziehung, das Resultat unserer Selbsterziehung, die Auswirkung unserer Lernfelder, die Frucht von Gottes einmaliger Geschichte mit jedem von uns.

      Unser Charakter ist noch nicht voll ausgebildet. Wir sind weiter formbar. Wenn Gott in der biblischen Symbolgeschichte den Menschen aus Erde macht, wird damit nicht nur gesagt, dass wir Erde (lateinisch humus) sind und wieder zu Erde werden. Der Mensch bleibt immer formbar wie Lehm. Plastizität, Formbarkeit gehört zu unserer Grundstruktur. – Und wer weiß, vielleicht werden wir älter und dabei sogar ein bisschen weiser (lateinisch homo sapiens)!

       Ko-Evolution

      Was hat meine Frau nicht alles aus mir hervorgelockt? Ich (Daniel) entwickelte an ihr Charaktereigenschaften wie Häuslichkeit, Freude am Kochen, Konfliktfähigkeit und Ehrlichkeit. In wievielen Gebieten ist sie meine Entwicklungshelferin gewesen! Ich (Käthi) habe Ausdauer und Mut entwickelt, weil mein Mann mich im Sommer wie im Winter auf alle Berge schleppte.

       Der Punkt der Anziehung wird zum Punkt des Konflikts

      Unsere Not entsteht oft dort, wo eine Charaktereigenschaft unseres Partners, die uns zunächst fasziniert hat, uns zu stören beginnt, bis sich daran sogar eigenes Leiden entzündet. Ausgerechnet der Punkt der Anziehung wird jetzt zum Konfliktpunkt. Der tiefgründige, stille Denker entpuppt sich als »stummer Bock«. Die filigrane, zerbrechliche Sensible wird zur unberührbaren Mimose. Also beginnt sie zu bohren: »Hast du mir denn nichts zu sagen?« Darauf hin wird er noch bockiger. Er sagt kopfschüttelnd: »Du musst doch nicht immer so überempfindlich reagieren!« Was wiederum ihre Robustheit nicht gerade stärkt.

      Was uns am Charakter des anderen stört, beginnen wir zu bearbeiten. Unsere Ehe verwandelt sich zuerst in eine ichbefangene Töpferei: Am Charakter des Gegenübers wird mit sanftem Fingerdruck subtil modelliert. »Schatz, meinst du nicht auch, du solltest es nicht immer so persönlich nehmen?« Natürlich verhärtet uns die gegenseitige Nörgelei, wir bilden Abwehrpanzer. Die Töpferei wird nun in ein Bildhaueratelier verwandelt und Mann oder Frau greifen zu Meißel und Vorschlaghammer. (»Wenn das noch einmal vorkommt, gehe ich«). – Unter Druck und Manipulation ändern wir unseren Charakter nie, wir passen uns nur vordergründig an. Der Humus für Charakterveränderungen besteht aus Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit, Geduld und Liebe. In einer Töpferei gedeiht eheliche Liebe schlecht, und Hammer und Meißel führen meistens zu ihrem Tod.

       Tri-Evolution

      Es war für uns ein echter Qualitätssprung in unserer Beziehung, als wir aufzuhören begannen (sic!), aneinander herum zu schrauben. Da war meinerseits viel Vertrauen notwendig, dass Gott den Charakter meiner Frau weiter ausgestalten wird. Aber wird Gott, der ja unsere Einheit baut, es zu meinen Ungunsten tun? Es war für mich (Käthi) ermutigend, zu sehen, dass mein Mann sich mir mehr zuwandte, mit mir freiwillig mehr unternahm und sich mir in seiner Tiefe mehr öffnete, nachdem ich aufgehört hatte, ihn unter Druck zu setzen und an ihm herum zu nörgeln.

      Was wir hier beschreiben, ist mehr als die Dynamik einer »Ko-Evolution«. Es ist eine »Tri-Evolution«, weil Gott als Dritter im Bunde die Ehepartner einerseits in einer guten Art trennt und entflicht. Er verhilft jedem einzelnen zu seiner Entfaltung. Andererseits ist er ein Gott, der zusammenfügt. Er koordiniert und verbindet von höherer Warte aus die Ehepartner: Wir gestehen einander heute viel Freiheit zu und gehen davon aus, dass jeder von uns eigenverantwortlich mit Gott in ganz persönlichen Lernprozessen steht, die letztlich auch dem Gegenüber zugute kommen. Die Fokussierung auf Gott (und nicht auf die eigenen Bedürfnisse oder die Wünsche des Partners) ermöglicht Ehe- und Persönlichkeitswachstum. Das ist nicht nur sehr entlastend, sondern auch abenteuerlich, weil Gott radikaler verändert, als wir es uns gedacht haben.

       Charakterentwicklung durch Leitungsverantwortung

      Was bedeutet das für unsere Leitungsverantwortung, die unsere Charakterentwicklung mehr prägt, als wir denken? Wir werden zwar nicht immer etwas aus unserem Posten machen können, in jedem Fall wird jedoch der Posten etwas aus uns machen. Im Guten oder im Schlechten: Wir wachsen an unserer Verantwortung und können dabei unsere besten Kräfte und Gaben entwickeln. Wir sind unter Umständen aber auch dem Druck und der Deformation durch unsere Führungsaufgabe ausgesetzt. Uns umgibt vielleicht eine Führungs- und Geschäftskultur, die beziehungsfeindlich, gar eheschädigend ist. Zudem verlangt unser Führungsalltag Haltungen wie Schnelligkeit, Effizienz und Durchsetzungsfähigkeit um jeden Preis. Wir sind in einem Umfeld tätig, wo wir sachlich sein müssen, uns ja keine Blöße geben dürfen und immer Stärke demonstrieren müssen.

      Diese