Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus. Heidemarie Haeske-Seeberg

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Название Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus
Автор произведения Heidemarie Haeske-Seeberg
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783170368064



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Zugriff am 09.02.2019.

      5 Grundlagen des Qualitätsmanagements in der stationären Versorgung

      Die im folgenden Text beschriebenen Sachverhalte in Bezug auf Qualitätsmanagement werden i. d. R. für Krankenhäuser beschrieben. Sie gelten jedoch – soweit nicht besonders darauf hingewiesen wird – sinngleich für ärztliche und pflegerische Tätigkeiten in Altenheimen und stationären Rehabilitationseinrichtungen bzw. sind nicht selten auf diese zu übertragen.

      Zunächst soll versucht werden, eine Abgrenzung dahingehend zu finden, worauf sich Qualitätsmanagement ärztlicher und pflegerischer Tätigkeiten, wie es im Folgenden beschrieben wird, richtet. Anhand einer Vier-Felder-Tafel soll der Verlauf der medizinischen Wissensgewinnung und der Fokus, auf den sich Qualitätsmanagement in der im Folgenden beschriebenen Weise richtet, erläutert werden. Im Anschluss daran wird Williamsons Konstrukt »erreichbarer Nutzen nicht erreicht« beschrieben und an einem Beispiel erläutert. Schließlich werden die Aktivitätsfelder, die im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement für Information, Transparenz und die Möglichkeit von Bewertungen der Kunden im Gesundheitswesen sorgen sollen, beleuchtet und die konkreten Ziele der Nationalen Qualitätsstrategie für Deutschland dargestellt.

      5.1 Abgrenzung Qualitätsmanagement und Forschung

      Betrachtet man das Spektrum medizinischen Wissens, über das wir verfügen, so kann man es auf einer Matrix einteilen in »neues« bzw. »etabliertes« Wissen. Trägt man auf der anderen Achse dieser Matrix die Kategorien »schaffen« bzw. »anwenden« ein, so ergibt sich die Vier-Felder-Tafel aus Abbildung 9.

      Soll neues medizinisches Wissen geschaffen werden, so ist dies die Domäne der Grundlagenforschung. Mit entsprechenden Studientechniken wird es erarbeitet. Diese medizinischen Studien unterliegen heute routinemäßig intensiven Qualitätsmanagementmaßnahmen. Diese sollen jedoch nicht Gegenstand der weiteren Betrachtungen sein.

      Dieses neue Grundlagenwissen wird in klinischen Studien überprüft und vertieft, spezifiziert und erhärtet – es wird angewendet. Für das Design klinischer Studien gibt es weltweit abgestimmte Vorstellungen und Qualitätsforderungen. Auch diese werden jedoch nicht Gegenstand der weiteren Ausführungen sein.

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      Abb. 9: Spektrum medizinischen Wissens (Quelle: nach Piwernetz 1991)

      Nun werden in diesen klinischen Studien Ergebnisse erzielt und durch Experten mit Hilfe biometrischer und statistischer Techniken bewertet. Nunmehr kann daraus, durch die Formulierung von Richtlinien, Standards, Leitlinien oder Stellungnahmen wissenschaftlicher Vereinigungen »etabliertes Wissen« geschaffen werden. Dies ist in Deutschland die Domäne der wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Auch für die Formulierung und Etablierung von Richtlinien, Standards oder Leitlinien gibt es inzwischen umfangreiches wissenschaftliches Schrifttum z. B. über Konsensustechniken und über hemmende bzw. fördernde Vorgehensweisen bei der Implementierung. Hierzu sind in verschiedenen Kapiteln Ausführungen enthalten, die jedoch nicht Kernstück der Betrachtung sein sollen, sondern nur ergänzend beschrieben wurden.

      Gibt es einen befürwortenden Konsens über das geschaffene, etablierte Wissen, so sollte es in der täglichen Patientenversorgung angewendet werden. Innerhalb dieser Matrix ist Qualitätsmanagement, das im Folgenden beschrieben wird, angesiedelt im Bereich »Anwenden etablierten medizinischen Wissens«. Qualitätsmanagement im ärztlichen und pflegerischen Bereich richtet sich also auf die Überprüfung der alltäglich stattfindenden Gesundheitsversorgung, nachdem in medizinischen Fachgesellschaften möglichst mit professionellen Konsensusmethoden und unter Aufzeigen der Evidenz dafür Definitionen in Form von Leitlinien, Richtlinien oder Standards (»Schaffen etablierten medizinischen Wissens«) geschaffen worden sind, nachdem die Grundlagenforschung (»Schaffen neuen medizinischen Wissens«) und klinische Studien (»Anwenden neuen medizinischen Wissens«) dafür das erforderliche Wissen hervorgebracht haben. Dies ist der Hauptfokus der Anwendung von Qualitätsmanagement, wie es in diesem Buch beschrieben wird.

      Eine andere Möglichkeit der Abgrenzung der Zielgebiete von Qualitätsmanagement findet sich in der Literatur bei Williamson, der dies mit »erreichbarer Nutzen nicht erreicht« beschrieben hat. Bei einem »maximal vorstellbaren Nutzen« ist die theoretische Annahme, dass jeder Patient mit bestimmten Beschwerden bzw. bestimmten Erkrankungen durch ein bestimmtes Vorgehen oder Verfahren diagnostiziert oder therapiert werden kann, nur oberflächlich betrachtet richtig. In der medizinischen Praxis stellen sich dann Fälle ein, bei denen dieser theoretisch vorstellbare, maximale Nutzen nicht erreicht werden kann. Gründe dafür sind fehlende lokale Ressourcen (z. B. fehlende diagnostische Geräte, fehlendes Fachwissen) oder medizinische Limitationen (z. B. schlechter Allgemeinzustand des zu behandelnden Patienten oder anatomische Besonderheiten). Es verbleibt der Anteil des erreichbaren Nutzens – Patienten, die mit den vorhandenen, gegebenen medizinischen und lokalen Ressourcen erfolgreich diagnostiziert oder behandelt werden könnten. Dieser erreichbare Nutzen wird in der Praxis dann bei einer konkreten Versorgungsleistung jedoch wiederum nur bei einem Teil der Patienten auch tatsächlich erreicht, während bei einem anderen Teil der Patienten der prinzipiell erreichbare Nutzen durch Fehler in der Ausführung oder Fehler durch Unterlassung nicht erreicht wird. Dieser Anteil des an sich erreichbaren, jedoch konkret nicht erreichten Nutzens ist Zielfeld von Qualitätsmanagement (image Abb. 10).

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      Am Beispiel der minimal-invasiven Cholezystektomie soll erläutert werden, was Ansatzpunkte von Qualitätsverbesserung mit Hilfe von Qualitätsmanagement oder Qualitätssicherung sein können:

      Unter der Vorstellung, dass es für alle medizinischen Prozeduren einen