Название | Nachtstücke - 2. Teil |
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Автор произведения | E.T.A. Hoffmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | Nachtstücke |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788726372137 |
Angelika, die Gräfin von 3. (so fing der Doktor an), unerachter in die Dreissig vorgerückt, stand noch in der vollsten Blüte wunderbarer Schönheit, als der Graf von S., der viel jünger an Jahren, sie hier in ***n bei Hofe sah und sich in ihren Reizen so verfing, dass er zur Stunde die eifrigsten Bewerbungen begann und selbst, als zur Sommerzeit die Gräfin auf die Güter ihres Vaters zurückkehrte, ihr nachreiste, um seine Wünsche, die nach Angelikas Benehmen durchaus nicht hoffnungslos zu sein schienen, dem alten Grafen zu eröffnen. Kaum war Graf S. aber dort angekommen, kaum sah er Angelikas jüngere Schwester Gabriele, als er wie aus einer Bezauberung erwachte. In verblühter Farblosigkeit stand Angelika neben Gabrielen, deren Schönheit und Anmut den Grafen S. unwiderstehlich hinriss, und so kam es, dass er, ohne Angelika weiter zu beachten, um Gabrielens Hand warb,die ihm der alte Graf Z. um so lieber zusagte, als Gabriele gleich die entschiedenste Neigung für den Grafen S. zeigte. Angelika äusserte nicht den mindesten Verdruss über die Untreue ihres Liebhabers. „Er glaubt mich verlassen zu haben. Der törichte Knabe! Er merkt nicht, dass nicht ich, dass er mein Spielzeug war, das ich wegwarf!“ — So sprach sie in stolzem Hohn, und in der Tat, ihr ganzes Wesen zeigte, dass es wohl Ernst sein mochte mit der Verachtung des Ungetreuen. Übrigens sah man, sobald das Bündnis Gabrielens mit dem Grafen von S. ausgesprochen war, Angelika sehr selten. Sie erschien nicht bei der Tafel und man sagte, sie schweife einsam im nächsten Walde umher, den sie längst zum Ziel ihrer Spaziergänge gewählt hatte. — Ein sonderbarer Vorfall störte die einförmige Ruhe, die im Schlosse herrschte. Es begab sich, dass die Jäger des Grafen von Z., unterstügt von den in grosser Anzahl aufgebotenen Bauern, endlich eine Zigeunerbande eingefangen hatten, der man die Mordbrennereien und Räubereien, welche seit kurzer Zeit so häufig in der Gegend vorfielen, schuld gab. An eine lange Kette geschlossen brachte man die Männer, gebunden, auf einen Wagen gepackt die Weiber und Kinder auf den Schlosshof. Manch trotzige Gestalt, die mit wildem funkelnden Blick, wie ein gefesselter Tiger, keck umherschaute, schien den entschlossenen Räuber und Mörder zu bezeichnen, vorzüglich fiel aber ein langes, hageres, entseglides Weib, in einen blutroten Schalvom Kopf bis zu Fuss gewickelt, ins Auge, die aufrecht im Wagen stand und mit gebietender Stimme rief, man solle sie herabsteigen lassen, welches auch geschah. Der Graf von 3. kam auf den Schlosshof und befahl eben, wie man die Bande abgesondert in den festen Schlossgefängnissen verteilen sollte, als mit fliegenden Haaren, Entsetzen und Angst im bleichen Gesicht, Gräfin Angelika aus der Tür hinausstürzte und, auf die Knie geworfen, mit schneidender Stimme rief: „Diese Leute los — diese Leute los — sie sind unschuldig, unschuldig — Vater, lass diese Leute los! — ein Tropfen Bluts, vergossen an einein von diesen, und ich stosse mir dieses Messer in die Brust!“ — Damit schwang die Gräfin ein spiegelblankes Messer in den Lüften und sank ohnmächtig nieder. „Ei, mein schönes Püppchen, mein trautes Golokind, das wussť ich ja wohl, dass du es nicht leiden würdest!“ — So meckerte die rote Alte. Dann kauerte sie nieder neben der Gräfin und bedeckte Gesicht und Busen mit ekelhaften Küssen, indem sie fortwährend murmelte: „Blanke Tochter, blanke Tochter — wach’ auf, wach’ auf, der Bräutigam kommt — hei hei, blanker Bräutigam kommt.“ Damit nahm die Alte eine Phiole hervor, in der ein kleiner Goldfisch in silberhellem Spiritus auf und ab zu gaukeln schien. Diese Phiole hielt die Alte der Gräfin an das Herz; augenblicklich erwachte sie, aber kaum erblickte sie das Zigeunerweib, als sie aufsprang, das Weib heftig und brünstig umarmte und dann mit ihr davoneilte in das Schloss hinein. Der Graf von Z. — Gabriele, ihr Bräutigam, die unterdessen erschienen, schauten ganz erstarrt und von seltsamem Grauen ergriffen das alles an. Die Zigeuner blieben ganz gleichgültig und ruhig, sie wurden nun abgelöst von der Kette und einzeln gefesselt in die Schlossgefängnisse geworfen. Am andern Morgen liess der Graf von Z. die Gemeinde versammeln, die Zigeuner wurden vorgeführt, der Graf erklärte laut, dass fie ganz unschuldig wären an allen Räubereien, die in der Gegend verübt, und dass er ihnen freien Durchzug durch sein Gebietverstatte, worauf sie entfesselt und zum Erstaunen aller mit Pässen wohl versehen entlassen wurden. Das rote Weib wurde vermisst. Man wollte wissen, dass der Zigeunerhauptmann, kenntlich an den goldenen Ketten um den Hals und dem roten Federbusch an dem spanisch niedergekrempten Hut, nachts auf dem Zimmer des Grafen gewesen. Einige Zeit nachher ward es unbezweifelt dargetan, dass die Zigeuner an dem Rauben und Morden in dem Gebiet umher in der Tat auch nicht den mindesten Anteil hatten. — Gabrielens Hochzeit rückte heran, mit Erstaunen bemerkte sie eines Tages, dass mehrere Rüstwagen mit Möbeln, Kleidungsstücken, Wäsche, kurz, mit einer ganz