Название | Neue Technologien in der Pflege |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170367814 |
Gelänge es entsprechende subjektiv bedeutsame Aktivitäten anzubieten, dann kann es gelingen, dass Menschen mit Demenz Vergnügen und Freude erleben, sie das Gefühl von Dazugehörigkeit und Eingebundensein erfahren sowie Autonomie und Selbst-Identität gestützt werden (Phinney et al. 2007).
Für Bewohner von Pflegeeinrichtungen scheinen dabei vier Felder an Aktivitäten besonders bedeutsam: Reminiszenz bzw. Erinnerungspflege, soziale Kontakte insbesondere mit der Familie und mit Freunden, musikalische Aktivitäten (Singen, Tanzen und Musik hören) sowie individuelle Tätigkeiten wie z. B. Hobbys, die im bisherigen Leben für die Person wichtig waren (Harmer & Orrell 2008). Im Wesentlichen geht es darum, dass die Aktivitäten die psychologischen und sozialen Bedürfnisse ansprechen.
Abb. II.1.1: Vier bedeutsame Themenfelder für Aktivitäten aus der Perspektive von Menschen mit Demenz (vgl. Hamer & Orrell 2008)
Die Qualität des Erlebens der Aktivität steht dabei stärker im Vordergrund als das spezifische Angebot. In stationären Einrichtungen scheint es aber einen Mangel an genau dieser Art von Aktivitäten im Alltag zu geben. Während bei Menschen mit Demenz also eher das momentane Erleben und positive Emotionen im Hier und Jetzt die Qualität einer Aktivität bestimmen, sehen Pflegende und auch Angehörige die Förderung und den Erhalt von Kompetenzen durch Aktivierungen als zentrale Zielsetzung und dabei insbesondere die Förderung von Mobilität.
Abb. II.1.2: Unterschiedliche Perspektiven von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen/Pflegenden, eigene Darstellung
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit digitale Medien neue Möglichkeiten dafür eröffnen, Menschen mit Demenz, aber auch Pflegenden für sie bedeutsame Aktivitäten anzubieten und damit deren Wohlbefinden zu fördern. Dabei werden drei übergeordnete Richtungen vorgestellt, die bei der Entwicklung der digitalen Medien handlungsleitend sind:
• Digitaler Zeitvertreib: Spiele, die Aktivität fördern und Freude hervorrufen
• Training, das Spaß macht: Serious Gaming als Kombination von Spiel und Gesundheitsförderung
• Erinnerungspflege: neue Möglichkeiten und Zugangswege durch die Nutzung digitaler Medien
Die vorgestellten technischen Lösungen können nicht immer trennscharf einer der drei Richtungen zugeordnet werden, da sie oft Elemente aus verschiedenen Bereichen zusammenführen. Es ist aber eine Tendenz der primären Ausrichtung erkennbar. Neben der Vorstellung von technischen Beispielen wird zu jedem Bereich der aktuelle Forschungs- bzw. Wissensstand dargestellt.
1.3 Digitaler Zeitvertreib: Spiele, die Aktivität fördern und Freude hervorrufen
Eine Einsatzmöglichkeit digitaler Medien in der Begleitung von Menschen mit Demenz sind spielerische Elemente, die vornehmlich dem vergnüglichen Zeitvertreib dienen. Diese digitalen Lösungen sollen in erster Linie Spaß vermitteln und die Stimmung verbessern.
Gemäß des niederländischen Kulturhistorikers Huizinga (1949) ist das Spiel ein wesentliches Element menschlicher Aktivität, da der Mensch im Spiel und durch spielerisches Tun seine individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften entdeckt. Vom ihm wurde der Begriff des »Homo ludens« (der spielende Mensch) geprägt als die Antwort auf die Frage nach der essentiellen Qualität des menschlichen Seins. Er steht im Gegensatz zum Homo sapiens (der wissende Mensch) oder Homo faber (der Mensch als Handwerker). Das Spielerische ist seiner Meinung nach im Herzen jeder menschlichen Tätigkeit und ein wesentlicher kulturgebender Faktor. Daraus folgt, dass es »das Spiel ist und nicht die Weisheit, was dem Leben Sinn gibt« (Huizinga 1949, S. 1)
Im Kontext der Begleitung von Demenz ist das Thema Spiel bzw. Spielen eine relativ neue Idee (Swinnen & de Medeiros 2018). Daher gibt es bisher auch nur wenige grundlegende Erkenntnisse zum Erleben von Menschen mit Demenz im Spiel (Anderiesen et al. 2015). Das Potenzial, das Spielen für Menschen mit Demenz hat, wird ausgehend vom oben genannten Zitat von Huizinga jedoch sehr schnell offensichtlich. Da vor allen Dingen beim zweckfreien Spiel im Gegensatz zum spielerischen Wettbewerb nicht die Kognition im Vordergrund steht, sehen Experten die Chance, dass Spielen das Leben von Menschen mit Demenz bereichern kann. Über das Erleben von Spaß und Spiel ist es möglich, dass Menschen einfach nur eine »gute Zeit« haben und im Hier und Jetzt versinken (Killick 2013).
Dabei sollen spielerische Zugänge Menschen mit Demenz keineswegs infantilisieren oder trivialisieren, sondern es soll vielmehr ein Weg aufgezeigt werden, um neue Möglichkeiten für Ausdruck, Sinngebendes und den Aufbau von Beziehungen im späteren Alter zu entwickeln (Swinnnen & de Medeiros 2018).
Spielen kann dazu beitragen, Langeweile und Spannungen abzubauen. Im Alltag nutzen viele Menschen digitale Spiele auf Smartphones oder Tablets um genau dies zu erreichen. Entsprechende Spiele werden mittlerweile durch alle Generationen hindurch zum Zeitvertreib genutzt. Es handelt sich meist um sogenannte Casual Games (Gelegenheitsspiele). Dies sind einfache elektronische Spiele, die intuitiv zu bedienen sind und schnelle Erfolgserlebnisse zeigen. Sie können alleine oder auch gemeinsam mit anderen ausprobiert werden.
Als technisches Medium für diese Spiele erwiesen sich vor allem die weit verbreiteten Touchscreentechnologien als vielversprechend, wie sie z. B. bei Computertablets zum Einsatz kommen. Es gibt zunehmend mehr Belege dafür, dass diese Form der Technologie auch für Menschen mit Demenz aufgrund der einfachen Bedienbarkeit gut zu nutzen ist (Upton et al. 2011; Joddrell & Astell 2016). Die Homepage AcToDementia bietet in englischer Sprache einen Überblick zu Touchscreen Apps für Menschen mit Demenz und gibt auch Empfehlungen zu deren Nutzung (https://www.actodementia.com/).
Eine aktuelle Studie aus den USA mit über 1.000 Teilnehmenden untersucht, inwieweit sich durch den Gebrauch von Computer-Tablets die Stimmung von Menschen mit Demenz verbessern lässt. Gemeinsam mit der pflegenden Person wurden unterschiedliche digitale Medien bzw. Apps genutzt wie z. B. Musik, YouTube, Spiele (Puzzle, Kartenspiele etc.). Die deutlichsten Effekte konnten bei den musikbezogenen Interventionen festgestellt werden. Von Pflegenden wurden die Sitzungen besonders dann gut bewertet, wenn bei den Menschen mit Demenz eine klare Stimmungsverbesserung erkennbar war (Gilson 2019).
Im Projekt »In Touch« wurde der Fragestellung nachgegangen, ob das Spielen von einfachen Spielen nur zum Spaß (sogenannte »Happy Games«) auf einem I-Pad die Stimmung und das Verhalten von Menschen mit Demenz beeinflusst. Weiter wurde untersucht, ob diese Form der Betätigung auch als Mittel zur Verbesserung der Kommunikation eingesetzt werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass das Spielen dieser einfachen elektronischen Spiele das Potenzial dazu hat, eine angenehme und bedeutungsvolle Beschäftigung für Menschen mit Demenz zu sein. Auch die Bewertung durch die Pflegenden fiel sehr positiv aus. Sie sehen diese Art der Betätigung als Ergänzung zu den traditionellen Beschäftigungsangeboten zumindest für einen Teil der Bewohner von Pflegeeinrichtungen. Als wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der digitalen Spiele, erwies sich, dass sich die Pflegenden mit der Technik auskennen und den Bewohnerinnen und Bewohnern ein einfaches Tool zur Verfügung steht, um das gewünschte Spiel auszuwählen (Groenewoud & de Lange 2014; Groenewoud et al. 2017). Aus Sicht der Autoren wäre es wünschenswert, dass Einrichtungen aber auch Pflegenden zu Hause eine Datenbank zur Verfügung stünde, in der geeignete Spiele zur Auswahl stehen würden.
Mittlerweile gibt es eine Reihe digitaler Angebote, die auch auf dem deutschen Markt für den spielerischen Einsatz und den Zeitvertreib in der Begleitung von Menschen mit Demenz erhältlich sind und verschiedenste digitale Inhalte umfassen.
Beispielprodukte in der Kategorie »digitaler Zeitvertreib«
Memocare (https://memocare.aktivieren.net/)