Название | Skandale |
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Автор произведения | Walter Brendel |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783966510738 |
Am Ende verhaftete man Pohlmann als Hauptverdächtigten du er sitzt 10 Monate in Untersuchungshaft. Pohlmann, der nicht mehr oder weniger verdächtig war als andere, aber wesentlich weniger wichtig und wohlhabend. Im Dezember 1958 kommt er jedoch wieder frei, da das Landgericht Frankfurt keinen dringenden Tatverdacht sieht. Der geschäftstüchtige Pohlmann verkauft seine Sicht der Dinge der Zeitschrift „Quick“ für 18 000 DM.
Das war damals ein relativ großer Knaller, dass ein Tatverdächtigter seine Erinnerungen über das Mordopfer gegen Honorar ausbreitet. Pohlmann wittert bald die Chance auf noch mehr Geld. Mit einen Hamburger Anwalt verhandelt er über den Verkauf seines Wissens über Krupp. In einem geheimen Vertrag werden Pohlmann von einer Essener Firma 200 000 DM Schweigegeld geboten. Der beendet damit die Zusammenarbeit mit „Quick“. Begründer wurde es damit, dass die Zeitung das Tabu bricht und den Namen Harald von Bohlen und Halbach nennt, was er sich schon fast gewünscht hat, um aus der Belastung der Affäre herauszukommen.
Mordermittler Petermann studiert die Vernehmungsprotokolle, die die Beamten nach stundenlangen Verhören von Pohlmann hinterlassen haben. Ist es vorstellbar, dass ein Mörder so lange und standhaft seine Tat leugnet, bei der Polizei und bei der Presse? Der Profiler verweist auf Pohlmanns Vorstrafen. „Pohlmann ist ja eigentlich ein Betrüger und nun stellen Sie sich die Persönlichkeit eines Betrügers vor. Er muss ja andere überzeugen, etwas zu geben, was er unter normalen Bedingungen nicht machen würde. Und damit muss er überzeugend sein. Er spielt eine Rolle im Theater.“
Seine Bühne ist der Prozess. Knapp zweieinhalb Jahre später beginnt das Verfahren gegen Pohlmann. Die Staatsanwaltschaft war überzeugt, dass er der Täter ist und dass man auch die notwendigen Beweise dazu hat. Schon Tage vorher war in Frankfurt eine Stadt in voller Spannung. Man drängte sich am Gerichtsgebäude und wartete auf Einlass. Es bildeten sich große Schlangen vor dem Saal des Schwurgerichts. Der Prozess umfasst 11 Verhandlungstage und es tritt eine Unzahl von Zeugen auf. Doch die großen Sensationen, auf die das Publikum wartet, bleiben aus. Für keinen der prominenten Freunde gab es eine peinliche Situation. Auch musste keiner später vor Gericht aussagen. Andere, nicht so prominente Zeugen mussten aber erscheinen und wurden auch mit Klarnamen angesprochen. Sie machten ihre Aussage und erwähnten mit keinem Wort die prominenten Freier. Pohlmanns Verteidiger Alfred Seidl hatte den Todeszeitpunkt infrage gestellt, den die Polizei für den Nachmittag des 29. Oktober 1957 angenommen hatte, und bekam Recht. Unter anderem hatten die am Tatort eintreffenden Beamten versäumt, die Temperatur der Leiche oder die Umgebungstemperatur in der laut Polizeibericht sehr warmen, fußbodenbeheizten Wohnung Nitribitts zu messen, was für die exakte Bestimmung der Todeszeit unbedingt notwendig gewesen wäre. Auch gab es Zeugenaussagen, wonach Nitribitt nach dem von den Ermittlern vermuteten Todeszeitpunkt noch Besorgungen erledigt habe (in der nahegelegenen Metzgerei Matthiae) und auf der Großen Eschenheimer Straße gesehen worden sei. Für diesen Zeitraum besaß der Angeklagte nach Ansicht des Schwurgerichts ein Alibi.
Voller Spannung wurde das Urteil am 12. Juli 1960 erwartet. Ist Pohlmann der Mörder? Die Richter verlesen das Urteil vor laufenden Kameras, was zur damaligen Zeit noch erlaubt war. Der Angeklagte Heinz Pohlmann wird freigesprochen und die Verfahrenskosten trägt der Steuerzahler, besser gesagt, die Staatskasse. Man habe trotz erheblicher Zweifel an der Herkunft des vielen Geldes, das sich unmittelbar nach der Tat in seinem Besitz befand und wahrscheinlich aus der Wohnung Nitribitts entwendet worden war, nicht mit letzter Sicherheit die Täterschaft Pohlmanns in der Mordsache erkennen können, hieß es in der Urteilsbegründung des Frankfurter Schwurgerichts. Die Urteilsverkündung wurde mit Beifall quittiert. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Revision.
Die langen Ermittlungsergebnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft zerplatzten im Gerichtssaal wie Seifenblasen. Und das war wahrscheinlich auch der Grund, dass es danach keine weiteren Ermittlungen in der Sache gab.
Pohlmann verlässt das Gericht als freier Mann. Niemand wird mehr wegen Mordes angeklagt oder verurteilt. Und viele dachten sich, es ist gut, dass nicht die Namen der prominenten Freier herausgekommen sind. Axel Petermann ist heute noch davon überzeugt, dass der Freispruch Pohlmanns ein großer Fehler war. Nach seiner Überzeugung kam Pohlmann gegen 13 Uhr zu Rosemarie Nitribitt. Gegen 14 Uhr klingelte das Telefon und ein Freier wollte in einer halben Stunde vorbei kommen. Pohlmann kocht in der Küche seinen Reisbrei für die Nitribitt. Möglicherweise fragt er sie dabei, ob sie ihm Geld leiht. 14:30 kommt der Freier und Pohlmann geht. Wunschgemäß verprügelt die Nitribitt den unbekannten Freier im Schlafzimmer mit dem Rohrstock. Anschließend macht sie sich im Bad frisch und stellt den Stock in einer Ecke ab. Pohlmann kommt zurück und fordert wieder Geld, diesmal noch dringlicher. Diese lehnt ab. Pohlmann schlägt wutentbrannt mit dem Aschenbecher zu. Nitribitt versucht das Telefon zu erreichen. Pohlmann kommt ihr zuvor und erwürgt sie. Er nimmt das Geld, wischt Spuren mit dem Handtuch ab und verlässt die Wohnung.
Pohlmann zieht nach München und schweift fortan, bis zu seinem Tod 1990. Konnte ein Mörder so viel Jahrzehnte mit dieser Schuld leben?
Rosemarie Nitribitt wird am 11. September 1957 in Düsseldorf beerdigt. Allerdings ohne Kopf. Dieser ist in Frankfurt bei der Kriminalpolizei als Beweismittel geblieben, weil sie ja diese Schädelverletzung hatte und verblieb dort bis 2008, bevor er bestattet wurde. Böse Zungen behaupten, dass es besser gewesen wäre, die Vagina aufzubewahren.
Der Mensch Maria Rosalia Auguste Nitribitt und ihr Leben blieben oft auf der Strecke. Dabei zeichnen Zeitzeugen und Zeugenaussagen das Bild einer starken Frau, der ihr kurzes Leben nichts schenkte, die aber an dessen Ende einen Dienstwagen fuhr, den sich die meisten ihrer Kunden trotz steigender Konjunktur nicht leisten konnten. „Fressen und saufen wollen sie alle, aber schaffen will niemand mehr“, soll die Frau mit dem unstillbaren Lebensdurst einmal gesagt haben. Vom Rand der Gesellschaft aus entlarvte Rosemarie Nitribitt Doppelmoral schon zu Lebzeiten und schlug daraus mächtig Kapital.
Zerbrechlich war die christlich-demokratische Bundesrepublik unter Adenauer, im Brennpunkt des heißesten Kalten Krieges. Die Russen schossen als Trockenübung schon einmal ihre Sputniks in die Erdumlaufbahn, und nach der NS-Katastrophe bemühte Deutschland sich tunlichst, die Trümmer der Vergangenheit beiseite- und seine „bürgerliche Wohlanständigkeit“ herauszukehren. Benimmbücher fanden in den Fünfzigern reißenden Absatz, Unmoral aber fand, wenn überhaupt, im Sperrbezirk am Rande der Gesellschaft statt. So schön, so verlogen.
Es ist beinahe unerträglich, wie selbstgerecht und zugleich lächerlich verklemmt es da zuging. Wie sich die voyeuristische Boulevardpresse und die klatschsüchtige Gesellschaft an dem Sittenskandal weideten, ohne das Treiben beim Namen zu nennen. „Wer waren ihre Freunde?“, fragte die „Frankfurter Rundschau“ nach Nitribitts Tod und suchte selbstverständlich ihre Freier.
Auch die Justiz des neuen Rechtsstaats bekleckerte sich nicht mit Ruhm: 22 Akten, zwei Tonbänder, Bildmaterial, Nitribitts Wohnungsschlüssel, eines ihrer Schamhaare und ihr sagenumwobenes Notizbuch mit angeblich über sechzig bekannten Kundennamen verschwanden spurlos und tauchten erst fünfzig Jahre später teilweise wieder auf. Die Ermittler waren fahrig und fahrlässig.
Bekannte und Weggefährten beschrieben die Nitribitt als charmant, vulgär und verspielt; als knallhart und dominant; und als einsam und voller Ängste. Rosemarie Nitribitt hatte wenig Freunde, und selbst die waren eher Bekanntschaften.
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hatte Nitribitt viel erreicht. Aber die Grenzen ihrer Entfaltung waren deutlich. So war und ist es nun mal: Der Kunde hat das letzte Wort. Da es nach oben nicht weiterging und sie auf keinen Fall wieder nach unten wollte, kostete Nitribitt in vollen