Название | Das letzte Mahl |
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Автор произведения | Harald Schneider |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839267844 |
KPD plusterte sich gefährlich auf. Da seine nächste Reaktion absehbar war, mischte ich mich deeskalierend ein. »Das ist Klaus P. Diefenbach, und ich bin sein Mitarbeiter Reiner Palzki.«
Die Auszubildende vertiefte sich in die Liste, und KPD verbesserte: »Untergebener. Palzki ist mein Untergebener.«
Mit einem Gesichtsausdruck, der ihren Frust deutlich zur Kenntnis brachte, nickte sie. »Sie dürfen rein. Die Eröffnungsansprachen beginnen erst in einer guten halben Stunde, da wir ein paar kleine Verzögerungen im Ablaufplan hatten. Der Weg zur Getränkebar ist ausgeschildert.«
KPD fand es überflüssig, sich zu bedanken. Er wischte sich eine Fussel vom Unterarm und stolzierte derart betont affig in die Halle, dass seine Orden wie ein verstimmtes Glockenspiel klimperten. Um ja nicht mit meinem Chef in Verbindung gebracht zu werden, hielt ich mich wie befohlen im Hintergrund. Alle paar Meter wurde KPD von jemandem begrüßt. Je nach Wichtigkeit der Person nickte er nur kurz oder wechselte ein paar Worte. Ich selbst war sehr darauf gespannt, wer meinem Chef nahegelegt hatte, mich zu dieser Feier mitzunehmen. Ich grübelte, welche Kontakte ich in der Vergangenheit zur Obst- und Gemüseszene hatte, doch mir fiel nichts Brauchbares ein. Ich fühlte mich an diesem Ort sehr fremd, zumal es überall streng nach den unterschiedlichsten vegetarischen Produkten roch. An manchen Stellen waren kleinere Getränkeausgaben installiert. Aufgrund der frühen Uhrzeit organisierte ich mir eine gut gekühlte Cola Zero.
»Das Buffet und die Grillecke werden direkt nach den Ansprachen eröffnet«, sagte mir die männliche Bedienung, als sie mir die Cola reichte. »Kleine Snacks gibt’s jetzt schon nebenan.«
Grillecke, dieses Wort weckte schlagartig meine Lebensgeister, bis mir einfiel, dass es sich in den letzten Jahren immer öfter eingebürgert hatte, zünftige Grillpartys durch das Braten von Gemüse abzuwerten. Dennoch, fand ich, wäre es der Hammer, wenn irgendwo auf dem Gelände das Currymobil der Gebrüder Schmidt stehen würde. Seit ein paar Jahren hatte meine geliebte Currysau aus Speyer einen mobilen Cateringservice. Jäh wurde ich aus meiner paradiesischen Traumkulisse gerissen.
»Palzki, kommen Sie mal zu mir.« KPD, der bei einem Mann mittleren Alters stand, winkte mich zu sich. »Das ist mein Untergebener Palzki«, sagte KPD. Ich gab seinem Gegenüber die Hand.
»Herzlich willkommen, mein Name ist Hans-Jörg Friedrich. Ich bin einer der beiden Vorstände des Pfalzmarkts.« Er sah zu KPD. »Warum haben Sie nicht Ihre Frau Gemahlin mitgebracht, Herr Diefenbach?«
Auf diese Frage war mein Chef nicht vorbereitet. »Weil, äh, ja«, stotterte er herum, bis er den verlorenen Faden wiedergefunden hatte. »Weil, sie ist unpässlich. Ja, leider unpässlich. Deswegen habe ich Palzki dabei.«
Friedrich nickte uns beiden freundlich zu. »Dann wünsche ich Ihnen bei uns einen schönen und informativen Vormittag. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl.«
Nachdem das Vorstandsmitglied wenige Meter weiter vom nächsten Gast in Beschlag genommen wurde, raunte mir KPD zu: »Ich habe eigentlich erwartet, dass ich etwas wichtiger wahrgenommen werde. Es ist schließlich brüskierend genug, dass ich nachher keine Rede vor allen Besuchern halten darf. Schauen wir mal, wo wir seinen Kollegen finden.«
Um KPDs Meckereien aus dem Weg zu gehen, vergrößerte ich erneut den Abstand zwischen uns. Das nächste Erlebnis entschädigte mich für die Demütigungen meines Chefs. Ein mir unbekannter Mann im Anzug lief an KPD vorbei und grüßte kurz. »Guten Tag.« Dies wäre nicht weiter von Belang gewesen, doch diese Person kam auch mir entgegen. Da wir uns nicht kannten, nickte er mir nur freundlich zu. In diesem Moment konnte ich sein Namensschild entziffern: »Reinhard Oerther, Vorstand«.
Meine Schadenfreude war unübersehbar, als ich KPDs finstere Mimik erblickte. Ich sah schon im Geiste, wie er heute Mittag bei seinem Hausarzt vorsprach und um eine Klinikpackung Antidepressiva bat. Diese Situation galt es auszuweiten. »Na, Herr Diefenbach, Sie sehen so gekränkt aus. Ist Ihnen nicht gut? Hat Sie Herr Oerther genau wie sein Kollege auflaufen lassen? Vielleicht gibt es tatsächlich noch die eine oder andere heute eingeladene Person, die wichtiger ist als Sie?«
»Ausgeschlossen«, schoss KPD zurück. »Ich als Zentralverantwortlicher für die Sicherheit in der Bevölkerung stehe stets an erster Stelle. Wahrscheinlich hat er nur nicht richtig hingeschaut und mich mit einem einfachen Gast verwechselt. Alles andere ist völlig ausgeschlossen. Ich hole mir jetzt ein Glas Sekt, dann gehen wir in die Halle, wo die Reden gehalten werden. Hoffentlich hat man mir in der ersten Reihe einen Platz reserviert.«
Ich versuchte weiter, in KPDs Ego-Wunde zu stochern. »Wer von den beiden Vorständen hat Ihnen eigentlich befohlen, dass ich mitkommen soll?«
KPD antwortete mürrisch: »Das weiß ich doch nicht, außerdem lasse ich mir von niemandem etwas befehlen. Ich bin der Chef. Die Bitte kam zwei Tage nach der schriftlichen Einladung per E-Mail vom Pfalzmarkt. Kann sein, dass sich jemand einen Spaß erlaubt hat, um mich zu ärgern.« Er drohte mir mit einem Finger. »Wenn ich erfahre, dass Sie dahinterstecken, dann können Sie etwas erleben.«
»Warum sollte ich?«, antwortete ich erbost. »Ich habe Ihnen selbst vorgeschlagen, in meinem Büro zu bleiben.«
»Herr Palzki?«
Ich drehte mich um, KPD tat es mir nach.
»Sie sind es tatsächlich«, sagte die mir fremde Person. »Ich wusste gar nicht, dass Sie auf der Gästeliste stehen. In den letzten Jahren habe ich viel Positives über Sie gehört. Meine Mutter hat übrigens sämtliche Kriminalromane von Dietmar Becker gelesen. Die sollen richtig gut sein, meinte sie.«
Ich rollte mit den Augen. Warum wurde ich ständig an diesen unsäglichen Regionalkrimiautor erinnert? Seit fast 15 Jahren schrieb er sogenannte Krimis, die bei den Lesern geteilte Meinungen hervorriefen: Den einen gefielen sie nicht, die anderen fanden sie furchtbar. Dennoch fanden sich regelmäßig jede Menge hartnäckige Leser, die die inzwischen auf 20 Fälle angewachsene Reihe liebten. Mir selbst konnte der Erfolg Beckers egal sein, wenn er mich nicht ständig bei den Recherchen zu seinen Büchern bei meinen polizeilichen Ermittlungen stören würde. Außerdem hatte er den ermittelnden Kommissar auf meinen Namen umbenannt, nachdem ich ihm versehentlich bei einem Einsatz das Leben gerettet hatte.
»Übrigens«, sprach er weiter, »mein Name ist Christian Deyerling, ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende des Pfalzmarkts.«
KPD stand unbeachtet mit offenem Mund daneben und schluckte und schluckte. Schließlich mischte er sich ein. »Guten Tag, Herr Aufsichtsratsvorsitzender, ich …«
»Ach, Herr Diefenbach«, unterbrach Deyerling. »Hat Herr Palzki seinen Chef mitgebracht?«
Während sich das Gesicht meines Chefs pfalzmarktkonform in eine Tomate verwandelte, wandte sich der Aufsichtsratsvorsitzende wieder mir zu. »Ich wusste zwar nicht, dass Sie hier sind, Herr Palzki, aber ich weiß, dass Dietmar Becker auf der Gästeliste steht. Er hat angekündigt, einen seiner Krimis bei uns im Pfalzmarkt spielen zu lassen. Meine Mutter freut sich schon sehr auf das Ergebnis. Daher gehe ich davon aus, dass Herr Becker und Sie gemeinsam vor Ort sind, um den Plot des Krimis zu besprechen, oder?«
Ich nickte und musste dabei höllisch aufpassen, nicht vor Lachen laut herauszuplatzen. Körperbeherrschung war das Gebot der Stunde. »Ihr Neubau ist wirklich riesig«, lobte ich ihn, weil mir nichts Besseres einfiel. »Und alles so neu«, ergänzte ich überflüssigerweise.
Deyerling strahlte. »Vor allem haben wir mit dem Neubau die Kühlkapazitäten deutlich ausgeweitet. Unsere Produktpalette mit 140 verschiedenen Gemüse- und Obstsorten wie Radieschen, Bundzwiebeln, Karotten, Salat, Feldsalat, Blumenkohl, Kohlrabi, Äpfeln oder Zwetschgen …«
»So viel verschiedenes Gemüse gibt es?«, unterbrach ich erstaunt.
»Äh, darf ich …«
KPDs Einmischungsversuch wurde völlig ignoriert. Deyerling nickte mir eifrig