Der Mensch ist böse. Julian Hannes

Читать онлайн.
Название Der Mensch ist böse
Автор произведения Julian Hannes
Жанр Юриспруденция, право
Серия
Издательство Юриспруденция, право
Год выпуска 0
isbn 9783833872105



Скачать книгу

hatte keine Bedenken. Er wusste, wie gewieft Holmes war und dass er bisher mit allem durchgekommen war. Was er nicht wusste: Holmes kannte keine Freunde, er besorgte keinen Leichnam vom Friedhof, sondern tötete Pitezel selbst – wie immer mit Chloroform. Dann zündete er ihn an, um das Ganze als Unfall zu tarnen. Danach drehte Holmes völlig durch. Er fuhr zu Pitezels Frau und log ihr vor, ihr Mann wolle seine drei Kinder sehen und er solle sie zu ihm bringen. Die Ehefrau ahnte nicht, wer da vor ihrer Tür stand. Sie sah nicht den psychopathischen Mörder, sondern nur den zuvorkommenden, wortgewandten Arzt und Kumpel ihres Mannes. Also vertraute sie ihm Alice, Nellie und Howard an. Die drei wurden die nächsten Opfer des Serienmörders. Er tötete sie auf grausame Weise, indem er sie in einen Koffer sperrte und ersticken ließ. Die Leichen vergrub er in einem Keller in seinem Mietshaus in Toronto/Kanada, wo er sich kurzzeitig versteckt hielt. Doch mittlerweile hatte Holmes einen Gegenspieler auf den Plan gerufen, der nicht bereit war, ihn entkommen zu lassen: Detektive Geyer von der Detektei Pinkerton aus Philadelphia. Die Versicherung hatte wegen des Pitezel-Betrugs Ermittlungen einleiten lassen. Es hätte Hinweise gegeben, dass Holmes ein Betrüger wäre. Daraufhin setzten sie mit Detektive Geyer ihren besten Mann auf den Fall an.

      Geyer ermittelte zunächst wegen Versicherungsbetrugs, doch schnell wurde ihm klar, dass es um viel mehr ging. Die Detektei und die Polizei von Philadelphia waren Holmes auf der Spur – und sie entdeckten die Leichen der Kinder in Toronto. »Je tiefer wir gruben, desto schrecklicher wurde der Geruch. Und als wir die Tiefe von drei Fuß erreichten, entdeckten wir etwas, das der Unterarmknochen eines Menschen zu sein schien«, schrieb Frank Geyer später nieder.

      Es begann eine wilde Verfolgungsjagd, die die Ermittler am Ende gewannen. In Boston erfolgte 1894 endlich der Zugriff. Holmes wurde abgeführt und ins Philadelphia-County-Gefängnis gebracht. Endlich wurde auch das »Castle« durchsucht. Kriminalbeamte stürmten das Horrorhotel und machten im Keller einen grausamen Fund nach dem anderen. Knochen, Haarbüschel, menschliche Überreste.

      Es war der erste Hype um einen Serienmörder in den USA. Die Zeitungen übertrafen sich gegenseitig mit ihren Schlagzeilen. Die Hearst-Zeitung zahlte H. H. Holmes im Gefängnis ganze 7500 Dollar für ein Exklusivinterview – das entspricht dem heutigen Wert von über 200 000 Dollar. Und Holmes sprach gerne mit den Reportern. Erst behauptete er, unschuldig, später, vom Teufel besessen zu sein. Wie immer versuchte er, sich durch Lügen besser darzustellen. Die Leute saugten seine Worte auf, schließlich war dies neben den Morden Jack the Rippers, die zur ähnlichen Zeit in London stattfanden, einer der größten Kriminalfälle weltweit.

      Vor Gericht stand Holmes kurioserweise nur wegen des Mordes an seinem Freund Pitezel – trotz all der grausigen Funde in seinem Horrorhotel. Aber der eine Mord reichte dem Richter, um ihm zum Tod durch Erhängen zu verurteilen.

      Holmes wirkte ruhig, als man ihn zu seiner Hinrichtung führte. Es war der 7. Mai 1896, nur wenige Tage später wäre er 35 Jahre alt geworden. Die Wärter beschrieben ihn als einen der liebsten Gefangenen, den sie je gehabt hätten. Er war mit sich selbst im Reinen. »Ich konnte nichts dagegen tun, dass ich ein Mörder wurde«, lauteten seine letzten Worte. »So wenig wie ein Dichter dagegen tun kann, dass die Muse ihn zum Singen verführt. Der Teufel stand neben dem Bett, in dem ich in die Welt hinausgestoßen wurde, und seitdem war er immer bei mir.« Dann legte man die Schlinge um seinen Hals. Der Todeskampf dauerte 20 Minuten, dann endlich starb Holmes – vor den Augen von sieben Ärzten und einem Priester, der für ihn betete. Es war vorbei. Der Teufel von Chicago war besiegt.

      Später kamen Verschwörungstheorien auf, Holmes wäre gar nicht ermordet worden. Stattdessen soll er es auf seine immer charmante Art geschafft haben, die Wärter im Gefängnis zu manipulieren. Sie richteten daraufhin einen anderen Gefangenen an seiner Stelle hin, während er entkam. Doch das sind nur Legenden. 2017 wurde die Leiche von H. H. Holmes, auch bekannt als Herman Mudgett, auf Wunsch seines Urenkels exhumiert.

      Ein DNA-Treffer ergab, dass es sich wirklich um seine Überreste handelte. Trotz aller Eloquenz, Raffinesse und Cleverness war Holmes seinem eigenen Tod also nicht entkommen.

      Allerdings wäre da noch die Theorie, dass H. H. Holmes in Wahrheit zeitweise in London mordete, als legendärer Jack the Ripper. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …

      MEIN FAZIT

      H. H. Holmes war einer der ersten Serienmörder der USA – und bis heute einer der schlimmsten. Seine Geschichte ist ausführlich dokumentiert und führt uns wieder einmal deutlich vor Augen, dass selbst die schrecklichsten Serienmörder nicht zwingend die düstere Aura eines Bond-Bösewichts haben müssen, sondern dass sich ihr teuflisches Wesen auch hinter einer netten, bürgerlichen Fassade verstecken kann.

      Holmes war beliebt bei seinen engsten Freunden, er nutzte durch seinen Charme und seine Manipulationskünste eine alte Frau aus, um an ihre Apotheke zu kommen. Er tötete vor allem in seinem engsten Umfeld, die Opfer waren meist Menschen, die ihm absolut vertrauten. Manche liebten ihn sogar. Was ich besonders pervers finde: Holmes’ Tötungswahn machte selbst vor Freunden, die ihn bei seinen kriminellen Aktivitäten unterstützten, nicht halt.

      Doch warum konnte er so lange ungeahndet seiner tödlichen Leidenschaft nachgehen und immer weitermorden? Ich denke, das ist vor allem seiner kriminellen Energie geschuldet – gepaart mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz und der Tatsache, dass die Möglichkeit, DNA-Nachweise durchzuführen, noch in weiter Ferne lag. Heutzutage, da bin ich mir ganz sicher, wäre Holmes viel früher aufgeflogen und zahlreiche Menschenleben wären verschont geblieben.

IMG

      SERIENMÖRDER

      Wer war der erste deutsche Serienmörder?

      Einer der ersten dokumentierten Serienmorde in Deutschland ist der Fall von Peter Nirsch aus dem Jahre 1575. Nirsch soll laut eigenen Angaben 520 Menschen getötet haben, darunter viele schwangere Frauen. Nachdem man ihn 1581 in einem Gasthof in der Nähe von Nürnberg erkannt hatte, wurde er festgenommen und hingerichtet.

      Welcher Serienmörder tötete die meisten Menschen?

      Der Killer mit den meisten bestätigten Opfern ist Dr. Harold Shipman, ein englischer Hausarzt, der viele seiner Patienten durch Heroininjektionen tötete. 218 Tote gehen mindestens auf sein Konto, es können jedoch auch weit über 400 gewesen sein.

      In Südamerika gab und gibt es einige Serienmörder, denen man viele Taten nicht eindeutig zuweisen kann. Dort leben Killer, die von sich selbst behaupten, noch deutlich mehr Menschen umgebracht zu haben.

      Wer ist der bekannteste nicht gefasste Serienmörder?

      Der »Zodiac Killer« tötete zwischen 1968 und 1969 rund um San Francisco mindestens fünf Menschen. Er wurde weltberühmt, weil er Katz und Maus mit den Behörden spielte und kryptische Rätseltexte verfasste, die niemals gelöst wurden. Die Polizei kam dem mysteriösen Killer nie auf die Schliche, seine Morde sind bis heute ungeklärt.

      Wer war der charmanteste Serienmörder?

      Ted Bundy tötete 30 Frauen und gilt als einer der schlimmsten Killer in der amerikanischen Geschichte. Bekannte beschrieben ihn als extrem charismatisch und vertrauenerweckend – das genaue Gegenteil von seinem Serienmörder-Ich. Bundy rettete einst ein Kind vor dem Ertrinken und arbeitete sogar einmal als Betreuer bei einer Telefonseelsorge-Hotline. Doch Bundy war ein Psychopath, der schon immer wusste, wie er sein Umfeld manipulieren konnte. Die »guten« Taten beging er wohl auch aus Machtgefühl.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно