Innovation Heroes. Nik Eugster

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Название Innovation Heroes
Автор произведения Nik Eugster
Жанр Личностный рост
Серия
Издательство Личностный рост
Год выпуска 0
isbn 9783038053439



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zu diskutieren. Ich stürzte mich auf die Fachliteratur und meine Notizen von Studienreisen ins Silicon Valley und nach Berlin, wo ich innovative Unternehmen wie Ideo, Tesla, Ebay oder Outfittery und Ausbildungsstätten wie die legendäre d.school der Stanford University besucht hatte. Ich versuchte, die Kernelemente erfolgreicher Ideen herauszuschälen, sezierte unser Musterbeispiel «Local Hero», als wäre es nach einem blutigen Mordfall auf meinem Obduktionstisch gelandet. Ich fand Antworten, die neue Fragen aufwarfen, und versuchte darin ein System zu erkennen. Und ich fand es.

      Das in diesem Buch beschriebene Hero-Modell ist in der Krise entstanden. Man sagt ja oft, dass in Krisen Grosses entsteht. Aber wie genau passiert das, und wie kann man diese Prinzipien, Mechanismen und Tools auch in Zeiten ohne Krise nutzen? Sich in einem gesättigten Markt zu behaupten, ist unter Umständen sogar schwieriger, als in einem Krisenkontext neue Ideen zu lancieren. Umso mehr sind auch in der Hochkonjunktur Rezepte gefragt, die uns zu neuen Denkweisen, neuen Ideen und neuen Geschäftsmöglichkeiten bringen. Das Hero-Modell soll eine Auslegeordnung für Innovation sein und ein Modell, das uns hilft, die Voraussetzungen für gute Ideen und deren Um- und Durchsetzung bewusster zu lenken.

      Kurz vor dem Ende des Lockdown erhielt ich die Anfrage, ob ich die Geschichte von «Local Hero» in einem Vortrag erzählen wolle. Da ich mir aus rund zwanzig Jahren Arbeit als Moderator beim Radio gewohnt war, Geschichten zu erzählen, wusste ich, dass dies nicht einfach ein simpler Bericht über die Begebenheiten der letzten Wochen werden würde. Ich wollte die Erzählung natürlich auch unterhaltend gestalten und begann deshalb, zu einem weiteren, für mich damals noch ziemlich neuen Gebiet Recherchen anzustellen: dem der Superhelden. Für unsere Internetplattform «Local Hero» arbeiteten wir schon stark mit Superheld-Elementen und passenden Storytelling-Ansätzen. Bei meinem Referat wollte ich noch weiter gehen und spannende Analogien zwischen Superhelden und unseren Projekten aufzeigen. Schliesslich wollte ich das eben entstandene Hero-Modell vorstellen, das sich stark auf solche Analogien stützt.

      Auch das vorliegende Buch besteht, wie meine Referate, aus vier Erzählelementen, die ineinanderfliessen. Zentral ist das Hero-Modell, das noch im Detail erklärt wird. Als Beispiel für Innovation und um die Modellelemente genauer zu beschreiben, werden die Geschehnisse und Begebenheiten rund um unsere Projekte «Local Hero» und «Support your Hero» beigezogen. Diese Passagen sind kursiv gesetzt. Die Passagen über Analogien zu den Superhelden mit vielen spannenden Zusatzinformationen sind grau hinterlegt. Und schliesslich enthält das Buch nützliche Listen, Modelle und Werkzeuge für den Ideenfindungsprozess. Diese Take-aways stehen kursiv in grauen Kästchen.

      Ich hoffe, mit diesem Buch – genauso wie mit meinen Referaten und Workshops – den Innovationsprozess in vielen Unternehmen anzuregen und der Leserschaft eine Reflexion darüber zu ermöglichen, wie Ideen entstehen und wie man sie fördert. Die Entscheidung, unsere Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Corona-Krise in einem Buch festzuhalten, drängte sich für mich geradezu auf. Schon die Internetplattform «Local Hero» war ein klassisches Empowerment-Projekt, also eines, das anderen helfen sollte, sich besser auf die aktuelle Situation einzustellen und trotz widrigen Umständen zumindest Teilerfolge zu erzielen. Dasselbe soll nun auch mit unserem Wissen aus diesem Projekt geschehen. Wir wollen dieses Wissen teilen. Das Buch erzählt von unserem Projekt «Local Hero» und erklärt daran das Hero-Modell.

      Jede Idee hat eine Vorgeschichte. Beginnen wir mit unserer.

       Krise ist ein produktiver Zustand.

       Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

       MAX FRISCH

       2

       DER TAG, AN DEN SICH ALLE ERINNERN WERDEN

       Es war ein klassischer «Wo warst du, als …»-Moment. Am Montagnachmittag, 16. März 2020, um 15.15 Uhr gab der Schweizerische Bundesrat bekannt, dass um Mitternacht sämtliche Geschäfte, alle Restaurants, Freizeitaktivitäten, Hotels, ja, einfach alles bis auf Lebensmittelgeschäfte und Apotheken schliessen würde. Auf unbestimmte Zeit. Der Schweiz wurde, wie das zuvor schon in anderen Ländern geschehen war, buchstäblich der Stecker gezogen, um die Ausbreitung des neuartigen, sich in der Schweiz wie anderswo rasch verbreitenden Coronavirus zu verlangsamen und so das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu schützen. Ob das der richtige Entscheid war oder nicht, wird heute noch kontrovers diskutiert. Um diese Fragen geht es hier nicht. Es geht um die Auswirkungen des Entscheids.

       Wo war ich? Mitten im Auge des Sturms. An besagtem Montag hatte ich einen meiner in letzter Zeit nur noch spärlichen Einsätze als Radiomoderator und ging kurz vor 15 Uhr «on air». Schon in den Tagen zuvor war spekuliert worden, wann der Schweiz – wie anderen Ländern zuvor – der Lockdown drohen würde. Wir wussten, dass für den Montagnachmittag eine Pressekonferenz angesagt war, aber der Inhalt war unklar, und so plante ich gemeinsam mit meinem Produzenten eine normale Feierabendsendung. Nur wenige Sekunden nach den 15-Uhr-Nachrichten rief mich der Redaktionsleiter im Studio an. Ich hatte gerade erst den Kopfhörer abgelegt, und es lief eines dieser Lieder, in denen ein aufsteigendes deutsches Popsternchen das schöne Leben besang. Ganz im Kontrast zu dem Unwetter, das da draussen heranzog.

       Der Redaktionsleiter teilte mir in kurzen Sätzen mit, was wir bereits vermutet hatten: «Der Bundesrat wird den Lockdown kommunizieren … um Viertel nach drei startet die Medienkonferenz … Die Fakten liegen aber schon vor … Wir senden ‹Breaking News›, sobald der Bundesrat die Massnahmen verkündet hat», wies er uns an. Der bisherige Sendungsablauf, das sauber getextete Manuskript … alles, was ich für meine Sendung vorbereitet hatte, konnte ich nach diesen ersten Sendeminuten gleich wieder löschen. Ich war mir bewusst, was eine solche Nachricht für den weiteren Verlauf der Sendung bedeutete. Und fühlte mich energiegeladen und bereit. Als Radiomoderator liebt man solche Situationen. Es galt nun, zu improvisieren, zu informieren, und das, was man da gerade tat, hatte plötzlich nicht mehr die Leichtigkeit der beiläufigen Unterhaltung; auf einen Schlag wurde man für die Hörerschaft zum Leuchtturm in stürmischen Zeiten. Das Auge des Sturms hatte uns erreicht, aber wir kannten solche Situationen und wussten, was zu tun war.

       11. September 2001, Hochwasserkatastrophen, Amokläufe, Tsunami … ich hatte schon viele solche Sondersendungen moderiert, und eine Krise ist für einen Radiosender immer auch eine Chance. Jetzt kann man zeigen, dass Radio noch immer das schnellste und dem Publikum am nächsten gelegene Medium ist.

       Aber leider braute sich noch ein anderes Unwetter über mir zusammen. Als sich schon am Vormittag abzuzeichnen begann, dass der Lockdown unausweichlich war, lief mein Telefon heiss. Vor zwei Jahren hatte ich meinen Job als Chef des Radiosenders, bei dem ich am fraglichen Montag, nun in der Rolle eines freien Mitarbeiters, die Sendung moderierte, an den Nagel gehängt. Ich hatte mich mit verschiedenen Tätigkeiten selbstständig gemacht. Den grössten Teil meiner Arbeitszeit beanspruchte ein Reiseunternehmen, das Musikevents auf Kreuzfahrtschiffen organisiert. Daneben hatte ich mir als Coach für Medien- und Tourismusbetriebe ein weiteres Standbein aufgebaut und war Dozent in Medienausbildungsinstitutionen im In- und Ausland.

       Der andere Sturm, der an besagtem Montag um mich zu toben begann, bezog sich auf all diese Tätigkeiten. Bei den Kreuzfahrten waren die Buchungen schon seit Tagen eingebrochen, nun erhielten wir stündlich Annullationen. Und im Halbstundentakt erreichten mich am Montagvormittag Anrufe mit Hiobsbotschaften zu meinen anderen Mandaten. Das Luxushotel rechnete mit der kompletten Schliessung und war nicht mehr auf meine Beratungen angewiesen. Ein Radiosender wollte keine Moderationscoachings mehr, weil Betriebsfremde nicht mehr ins Haus durften. Die Schule, für die eigentlich in Kürze neue Mandate als Dozent anstanden, schloss ihre Tore für die nächsten drei Monate. Ich verlor innerhalb von vier Stunden nahezu 100 Prozent meiner Mandate. Nach jedem Anruf rechnete ich innerlich zusammen, um wie viel mein Einkommen eben geschrumpft war. Und es wurde mir angst und bange. Der Sturm hatte mich persönlich erreicht.