Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661. Sean Beaufort

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661
Автор произведения Sean Beaufort
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880756



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ein gutes Fahrwasser?“

      „Weiter nördlich mündet ein Fluß. Auf der Karte steht, daß er Narmada genannt wird. Wahrscheinlich gibt es dort auch ein ähnliches Mündungsdelta wie beim Tapti. Die Eingeborenen konnten mir nicht viel erklären, das hängt auch mit den Sprachschwierigkeiten zusammen. Aber sie sagten, daß wir dort mit Sandbänken und Felsen rechnen müßten, mit Inseln und großen Unterschieden von Ebbe und Flut. Und mit Untiefen, wechselnden Strömungen und vielen anderen schönen Einzelheiten.“

      Hasards eisblaue Augen richteten sich auf die Kimm, an der alle diese versprochenen Schönheiten warteten und sich vorläufig noch versteckten.

      „Klingt vielversprechend“, sagte er sarkastisch.

      „So schlimm wird es nicht werden“, meinte Dan O’Flynn und winkte ab. „Außerdem hat die ‚Ghost‘ mit genau den gleichen Tücken zu kämpfen.“

      „Stimmt.“

      Dan berichtete, daß eine weitere Bucht tief in das Land am nördlichsten Ende des Golfes führe. Dort münde ein anderer Fluß, der als „Mahi“ bezeichnet würde. Die Küsten entlang der zerklüfteten Flußmündungen, so hätten die Eingeborenen versichert, seien bewohnt. Es solle viele Fischer geben, aber größere Siedlungen kenne niemand, und auch die Karten zeigten keine weiteren Einzelheiten.

      Aber nicht nur die „Ghost“ und die Schebecke, sondern jedes andere Schiff würde die gleichen Schwierigkeiten haben. Ben Brighton und Hasard hatten dem Bericht schweigend zugehört.

      „Sind die entsprechenden Karten in deiner Kammer?“ fragte der Seewolf.

      „Ja, natürlich. Wie gesagt: von den Eingeborenen war trotz Doglees Übersetzungen nicht viel mehr zu erfahren. Spätestens morgen oder übermorgen sehen wir selbst, wohin uns Ruthland gelockt hat.“

      „Ich denke, er wird dort auch nicht froh werden“, meinte Ben Brighton.

      „Und das Lachen wird ihm ganz vergehen“, Al Conroy streichelte liebevoll das Metall einer Culverine auf der Kuhl, „wenn ich ihm ein paar eiserne Grüße hinüberschicke.“

      Hasard hatte den größten Teil der Crew unter Deck entlassen. Die Köche bereiteten das Essen zu, und die Deckswache hielt Ausschau nach Ruthlands verdammter „Ghost“. Eine Hetzjagd während der Monsunzeit und in diesen unbekannten Gewässern zählte nicht gerade zu den dringenden Wünschen der Arwenacks. Trotz allem, was sie zu erwarten hatten – nicht einer dachte daran, Ruthland und seine Crew entwischen zu lassen.

      Vier Stunden später hatte der Wind sämtliche Wolken vom Himmel gefegt. Auf den weiten Wogen der Dünung lagen das Licht der Sterne und das silberfarbene Leuchten des Mondes. Im Nordosten wetterleuchtete es, und an Steuerbord waren inmitten der Mangrovenwälder und der Sandküste winzige Feuer zu erkennen, vier Stück insgesamt.

      Die Schebecke segelte weitab der Küste, und jeder hoffte, daß das Fahrwasser von Untiefen frei war. Im letzten Licht war Dan in den tonnenförmigen Ausguck im Großmast aufgeentert und hatte die See voraus mit seinen scharfen Augen und dem Kieker abgesucht.

      Er kehrte zurück und sagte zufrieden, daß sie bis zum ersten Tageslicht den Kurs halten könnten.

      Trotzdem stand er auf der Back und versuchte, Hindernisse schon zu erkennen, bevor sie gefährlich wurden, bis ihn Don Juan ablöste.

      Leise unterhielten sich die Mitglieder der Deckswache.

      „Es ist doch besser“, sagte Batuti, „daß wir heute keine Lichter gesetzt haben.“

      „Meinst du allen Ernstes“, fragte Dan, der bei ihnen saß und einen letzten Schluck trank, ehe er sich in seine Koje verholte, „daß dieser Bastard Ruthland nach uns Ausschau hält?“

      „An seiner Stelle würde ich nichts anderes tun. Er kann sich vorstellen, wie der Seewolf zubeißt“, murmelte Blacky.

      „Diese Feuer an Steuerbord“, fragte Batuti, „gehören die zu Fischerdörfern?“

      Dan gähnte und erwiderte: „Fischerdörfer, Holzfäller, Leute, die in den Wäldern Tiere jagen und die Häute verkaufen, was weiß ich. Für uns sind sie nicht gefährlich. Vielleicht können wir von ihnen Proviant einhandeln, wenn die Köche Abwechslung brauchen.“ Er nickte den anderen zu. „Ich lege mich aufs Ohr.“ Dan stand auf und verzog sich unter Deck.

      Mit dem vertrauten Knarren und Knarzen, mit dem Summen des Windes in der Takelage und dem ziehenden Gurgeln des Bugwassers segelte die Schebecke durch die klare Nacht, fast genau auf Nordkurs.

      Die Ruhe würde spätestens in einigen Stunden vorbei sein. Entweder sichteten sie die „Ghost“, oder sie gerieten in gefährliche Fahrwasser. Wahrscheinlich trafen beide Ereignisse zusammen, wie sooft.

      Schon in der kurzen Morgendämmerung konnten die Seewölfe erkennen, daß sich die Umgebung verändert hatte. An Steuerbord breitete sich hinter der Brandungslinie noch immer Wald aus, unterbrochen von kleinen Stränden und Mangrovendickichten.

      „Ich kann kein Segel erkennen, keinen Mast, keinen Rumpf“, sagte Hasard und packte das Spektiv wie einen Knüppel. „Wahrscheinlich gibt es ein paar hundert Schlupfwinkel, in denen die ‚Ghost‘ stecken kann.“

      „Genauso wird’s sein“, antwortete der Erste.

      Steuerbord voraus erstreckte sich eine lange Sandbank, die in der Mitte bewachsen war. Ein Schwarm Vögel flog mit trägem Flügelschlag auf und umkreiste den langgestreckten Wall aus Schwemmgut und bleichem Treibholz, zwischen dem sich Büsche und niedrige Bäume erhoben. Die Schebecke fiel nach Backbord ab.

      „Ebbe?“ erkundigte sich Ferris Tucker und schirmte seine Augen ab, als er nach Osten blickte. „Scheint so, Sir.“

      „Nach Dans Berechnungen und dem, was wir sehen“, erwiderte der Seewolf etwas unwillig, „ist da eine Menge trocken gefallen.“

      Er peilte zum Bug. Dort stand Hasard junior und beobachtete das Wasser vor dem Schiff. Es hatte seine Farbe geändert. Gestern hatte es tiefes Blau gezeigt, jetzt war es von dünnen gelben Schlieren durchzogen, als habe der Fluß, dessen Mündung nicht zu erkennen war, Staub oder Sand mit sich geschwemmt.

      Auch Big Old Shane suchte die Kimm mit dem Kieker ab. Über dem Wasser lag ein fahler Dunst, der sich in der Kraft der Helligkeit der Sonne nur zögernd auflöste. Trotzdem waren voraus und an Steuerbord Buchten und die Mündungen kleiner Wasserläufe zu erkennen. Die Ufer waren dicht bewachsen, jetzt wirkte das Buschwerk und das Gestrüpp drohend und schwarz. Nur wenige dünne Rauchsäulen stießen durch den rötlichen Nebel. Feuchtigkeit schlug sich auf den Planken und den Segeln nieder.

      „Von der ‚Ghost‘ ist nichts zu sehen“, sagte Big Old Shane und zauste seinen struppigen grauen Bart. „Die Masttopps müßten höher sein als die meisten Bäume.“

      „Ich habe nicht erwartet“, erwiderte Hasard grimmig, „daß wir den Hundesohn schnell entdecken.“

      Die Uferlandschaften glitten langsam vorbei.

      Hin und wieder konnten die Seewölfe in eine Bucht sehen. Auf Pfählen standen kleine Hütten, von denen Leitern hinunterführten zu den schmalen Booten, die im Wasser schaukelten. Zwischen den Matten, aus denen die dünnen Wände bestanden, schwelten Feuer, deren Rauch durch die löchrigen Dächer abzog.

      Schweigend und gegen die Sonne blinzelnd, starrten die Seewölfe hinüber. Aber es gab nicht das geringste Zeichen dafür, daß sich die Karavelle dort versteckte.

      Hasard winkte zu Ben Brighton hinüber. „Nehmt die Fock weg. Wir sind zu schnell.“

      „Aye, aye, Sir“, erwiderte der Erste.

      Die Schebecke wich etwas nach Nordwesten vom bisherigen Kurs ab. Am Ende der langen Sandbank ragten einige abgestorbene Bäume aus dem trüben Wasser.

      Jung Philip wandte sich an seinen Vater. „Soll ich in den Großmast?“

      „Ja“, entgegnete der Seewolf zerstreut, ohne das Spektiv zu senken.

      „Ein