Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Am nächsten Tage zog Herr Walter in sein neues Palais ein.
Er hatte dann noch einen anderen Einfall; der Einfall eines Eroberers, der Paris einnehmen will nach der Art eines Bonapartes.
Die ganze Stadt ging damals zum Kunstgelehrten Jacques Lenoble, um ein Gemälde des ungarischen Malers Karl Markowitsch, »Jesus auf dem Meere schreitend«, zu besichtigen.
Die Kunstkritiker waren begeistert und erklärten dieses Bild für das großartigste und herrlichste Meisterwerk des Jahrhunderts.
Walter kaufte es für 500000 Francs und ließ es abholen; so schnitt er von heute auf morgen den Strom der Neugierde des Publikums und der Kunstliebhaber ab und zwang ganz Paris, von ihm zu sprechen, ihn zu beneiden, zu tadeln oder zu loben.
Dann ließ er durch die Zeitungen verkünden, er würde bekannte Mitglieder der Pariser Gesellschaft einladen, um das Meisterwerk des ausländischen Künstlers zu bewundern, damit man nicht sagen könne, er habe das Kunstwerk hinter Schloss und Riegel gesetzt.
Sein Haus sollte offen stehen, und jeder, der wollte, konnte kommen. Es genügte, an der Tür die Einladungskarte vorzuzeigen. Sie lautete so:
»Herr und Frau Walter beehren sich, Sie zum 30. Dezember, zwischen neun Uhr und Mitternacht, zur Besichtigung des Gemäldes von Karl Markowitsch, Jesus auf dem Wasser schreitend, bei elektrischer Beleuchtung, ergebenst einzuladen.«
Als Postskriptum stand dahinter in ganz kleinen Buchstaben: »Nach Mitternacht wird getanzt.«
Diejenigen, die bleiben wollten, konnten also bleiben, und aus diesen Gästen wollten sich Walters ihren Bekanntenkreis für die Zukunft auswählen.
Die anderen würden das Kunstwerk, das Haus und seine Eigentümer mit hochfeiner, gleichgültiger oder neidischer und unverschämter Neugierde betrachten und dann wieder gehen, wie sie gekommen waren. Und Papa Walter wusste ganz genau, dass sie später doch wiederkommen würden, genau so, wie sie mit seinen israelitischen Stammesgenossen verkehrten, die auch so wie er es zu Reichtum gebracht hatten.
Zunächst mussten alle gescheiterten Würdenträger und bekannte vornehme Namen, die in den Zeitungen genannt wurden, sein Haus besuchen; sie würden kommen, um das Gesicht des Mannes zu sehen, der binnen sechs Wochen fünfzig Millionen verdient hatte, sie würden ferner kommen, um diejenigen, die dort auch verkehrten, zu sehen und aufzuzählen, sie würden schließlich kommen, weil er so viel guten Geschmack und Gewandtheit gezeigt hatte, sie zur Bewunderung eines religiös-christlichen Gemäldes einzuladen — er, der doch ein Sohn Israels war. Er schien ihnen allen sagen zu wollen: »Sehen Sie, ich habe 500000 Francs für das Meisterwerk religiöser Kunst von Markowitsch, Jesus auf dem Meere schreitend, gezahlt. Und dieses Meisterwerk bleibt jetzt bei mir, vor meinen Augen, im Hause des Juden Walter.« In den vornehmen Gesellschaftskreisen, in den Kreisen der Herzoginnen und des Jockeiklubs, hatte man über diese Einladungen, die doch zu gar nichts verpflichteten, hin und her geredet. Man würde hingehen, wie man bei Herrn Petit die Aquarelle besichtigte. Walters besaßen ein Meisterwerk, und nun öffneten sie für einen Abend die Türen ihres Hauses, damit alle Welt es bewundern könnte. Besser und einfacher könnte es doch gar nicht sein.
Die Vie Française brachte seit vierzehn Tagen jeden Morgen eine Notiz über diese Soiree vom 30. Dezember und gab sich alle Mühe, die Neugierde des Publikums möglichst zu steigern.
Du Roy raste innerlich gegen den Triumph seines Herrn Direktors. Er hatte sich mit seinen 500000 Francs für unermesslich reich gehalten, die er seiner Frau abgepresst hatte, und nun kam er sich so arm, so bettelarm im Vergleich zu dem Millionenregen vor, der ringsumher niedergefallen war, ohne dass er davon etwas hatte auffangen können. Seine grimmige Wut und sein Neid nahmen täglich zu: er hasste alle Welt, die Walters, zu denen er jetzt überhaupt nicht mehr hinging, seine Frau, die sich von Laroche beschwatzen ließ und ihm abgeraten hatte, die marokkanische Anleihe zu kaufen, und vor allen Dingen grollte er gegen den Minister, der ihn hereingelegt und ausgenutzt hatte und noch zweimal die Woche bei ihm zu Tisch speiste. Georges diente ihm als Sekretär, als Agent, als eine lebende Feder, und wenn er nach seinem Diktat schrieb, empfand er oft eine wahnsinnige Lust, diesen triumphierenden, wichtigtuenden Gecken zu erdrosseln. Als Minister hatte Laroche einen sehr bescheidenen Erfolg, und um seine Stellung zu behalten, versuchte er, nicht durchblicken zu lassen, dass er nun ein steinreicher Mann geworden war. Doch Du Roy spürte dieses Gold an dem hochmütigen Tone des emporgekommenen Rechtsanwalts, an seinem frechen Auftreten, an seinen selbstsicheren Behauptungen und seinem unbeschreiblichen Selbstvertrauen. Laroche regierte jetzt im Hause Du Roys, wo er die Stelle des Grafen de Vaudrec eingenommen hatte sowie seine Besuchstage; und er sprach mit den Dienstboten, als ob er der zweite Hausherr wäre.
Georges duldete ihn zähneknirschend, wie ein Hund, der beißen will, es aber nicht wagt. Er war jetzt öfters hart und rücksichtslos gegen Madeleine, die mit den Achseln zuckte und ihn als ein unartiges Kind behandelte.
Übrigens wunderte sie sich über seine andauernde schlechte Laune und sagte oft: »Ich verstehe dich nicht. Du musst dich stets über etwas beklagen, dabei hast du eine geradezu großartige Stellung.« Er drehte ihr den Rücken zu und erwiderte gar nichts.
Er hatte zunächst erklärt, er ginge nicht zum Fest beim Chef; er denke nicht daran, mit diesem schmutzigen Juden zu verkehren.
Seit zwei Monaten schrieb ihm Frau Walter täglich Briefe und bat ihn, zu ihr zu kommen oder ihr ein Rendezvous zu bestimmen, wo es ihm passte, um ihm, wie sie sagte, die 70000 Francs auszuhändigen, die sie für ihn gewonnen hatte.
Er antwortete überhaupt nicht und warf alle diese verzweifelten Briefe ins Feuer. Nicht etwa weil er auf seinen Gewinnanteil verzichtet hätte, sondern er wollte sie verrückt machen, sie auf die Knie zwingen, und sie spüren lassen, wie verächtlich er sie behandele. Sie war zu reich! Er wollte sich stolz zeigen!
Noch am Tage der Ausstellung des Bildes wollte Madeleine ihm vorstellen, wie unrecht er täte, nicht hinzugehen, aber