Seewölfe - Piraten der Weltmeere 663. Fred McMason

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 663
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880770



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      Buchten gab es in und um Surat auf dem Tapti zur Genüge. Es war ein Dschungelfluß, der etliche Verstecke, Buchten und kleine Seitenarme aufwies. Manche waren von Mangroven durchsetzt wie diese hier, in denen man sich gut verstecken konnte.

      In dem alles verschlingenden Nebel setzten sie sich unmerklich ab, bis sie den Ausgang der Bucht erreichten.

      Hasard schien es, als habe der Regen ein wenig nachgelassen, aber es war wirklich nur sehr wenig. Sie mußten unbedingt nachher das Pulver kontrollieren, denn bei diesem strömenden Monsunregen stellte das immer wieder ein Problem dar. Aber daran würde Al Conroy mit Sicherheit zuerst denken.

      „Meinst du die Bucht auf der rechten Seite des Tapti, wo ich schon einmal mit Blacky war?“ fragte Don Juan.

      „Genau die meine ich. Warum fragst du?“

      „Gestattest du, daß ich mich für ein paar Stunden absetze?“ antwortete der Spanier mit einer Gegenfrage.

      Hasard sah ihn nur undeutlich, obwohl er dicht neben ihm stand. Er sah eine gesichtslose große, schlanke Gestalt, die im Nebel auf und ab zu wogen schien und in den Konturen verzerrt war.

      Ungläubig blickte er den Spanier an. „Ich verstehe kein Wort, mein Freund. Wohin und warum willst du dich absetzen, ausgerechnet jetzt?“

      „Ich habe eine kleine Idee, und es juckt mich, sie möglichst augenblicklich in die Tat umzusetzen. Der Zeitpunkt könnte gar nicht günstiger sein. Allerdings bestehe ich auf einem Alleingang, sonst wird es nicht klappen.“

      „Darf man Näheres erfahren?“

      „Eine Augenblicksidee“, erwiderte Don Juan. „Ich habe vor, zur ‚Aguila‘ hinüberzuschwimmen und aufzuentern. Zwei Jakobsleitern hängen noch außenbords, wie ich gesehen habe.“

      „Was hast du vor?“ fragte Hasard überrascht. „Du willst doch nicht dem ehrenwerten Capitán Garcia einen guten Tag wünschen?“

      „In gewisser Weise schon. Ich schleiche mich an Deck und kümmere mich um ein paar seiner Kanonen. Die werde ich so manipulieren, daß unsere Freunde keinen Spaß mehr an ihnen haben.“

      „Du bist verrückt“, sagte Hasard trocken. „Entschuldige, aber du mußt lebensmüde sein.“

      „Ich bin der letzte Lebensmüde. Ich stelle mir das unter den jetzigen Umständen gar nicht so schwierig vor. Es gehört nur eine Portion Frechheit dazu, und die habe ich ja schon oft unter Beweis gestellt.“

      „Man wird dich erkennen“, wandte Hasard ein.

      „Erkennst du mich, wenn ich einen Schritt von dir entfernt bin?“

      „Nein, ich sehe nur verschwommen deine Umrisse.“

      „Drüben ist der Nebel noch dichter, so dicht, daß man nicht mehr die eigene Hand vor Augen sieht. Außerdem sind viele Männer auf dem Schiff, die ständig durcheinanderhasten. Sie haben immerhin fast drei Dutzend Geschütze zu bedienen.“

      „Ein Wahnsinnsunternehmen“, sagte der Seewolf. „Du fällst trotzdem auf. Du bist doch klatschnaß, wenn …“

      „Aye, Sir, die anderen auch, mein Freund. Ich werde mich in nichts von ihnen unterscheiden. Es regnet schon seit Ewigkeiten, und drüben hat niemand einen trockenen Faden am Leib. Nun entscheide dich endlich, die Zeit drängt.“

      Hasard wußte, daß er Don Juan nichts ausreden konnte. Sie hatten alle ihre eigenen Dickköpfe, wenn sie sich in eine Sache verrannt hatten. Er selbst schloß sich da nicht aus.

      Es war ein Husarenstück, was Juan da vorhatte, und es konnte verdammt schiefgehen. Aber ein Risiko war schließlich immer dabei.

      „Nun, ich …“, sagte Hasard.

      „Immer wieder Dank für deine gütige Erlaubnis.“

      Don Juan hatte es auf seine Weise ausgelegt. Er sagte noch: „Wir treffen uns dann in der Bucht.“

      Der Schatten vor Hasard war plötzlich weg. Der kompakter werdende Nebel hatte ihn schon verschlungen.

      Der Spanier enterte über die Backbordrüste ab und glitt lautlos ins Wasser, während die Schebecke immer noch langsam gepullt wurde. Der Seewolf hörte es nicht mal plätschern.

      „Der verrückte Spanier“, sagte Dan O’Flynn tonlos. „Der ist einfach abgehauen.“

      „Ja, einfach abgehauen. Aber so ist er eben. Ich kann nur hoffen, daß er sich das reichlich überlegt hat.“

      „Das tut er immer, auch wenn er verrückt ist“, sagte Dan. „Aber so verrückt ist er eigentlich gar nicht. Er ist eben ein Draufgänger, und da unterscheidet er sich von uns absolut nicht.“

      Hasard blickte scharf über Bord, doch er sah nicht mal das Wasser, und er hörte auch nicht das geringste Geräusch.

      Der „verrückte Spanier“ war verschwunden. Er kann sich in dem Nebel nicht orientieren, überlegte Hasard. Der Kerl schwamm einfach drauflos, obwohl er absolut nichts sah.

      Die leichte Strömung erfaßte die Schebecke und trug sie weiter flußabwärts. In ein paar Tagen würde der Tapti anschwellen und zu einem reißenden Strom werden, der alles mit sich riß. Der Dauerregen würde ihn immer höher steigen lassen, bis er zu einem tosenden und sich dahinwälzenden Ungeheuer wurde, das seine Massen in den Golf von Cambay schleuderte.

      Bis dahin, so hoffte Hasard, würden sie alles hinter sich haben.

      Es dauerte dennoch eine ganze Weile, bis sie die Bucht erreichten. Auf dem Fluß herrschte noch gute Sicht, doch weiter oben griffen die Spinnenarme des Nebels bereits aus dem Dschungel nach den Ufern und zogen sich schleierartig über das Wasser.

      Auch das Rauschen des Monsunregens hielt an. Es war allerdings etwas schwächer geworden.

       2.

      Das Wasser des Tapti war fast brühwarm. Der Spanier schwamm durch eine milchige Suppe, die ihm jeden Blick verwehrte. Genausogut hätte es auch Nacht sein können.

      Juan verfügte über einen guten Orientierungssinn, der ihn nie im Stich ließ. Rein instinktiv ahnte er die Richtung, wo die große Galeone lag. Rechts versetzt von ihr lag die „Ghost“, doch die interessierte ihn nicht. Ruthland würde noch seine Quittung erhalten, aber er war nicht so gefährlich wie César Garcia.

      Der Regen trommelte gleichmäßig rauschend auf das Wasser. Nach einer Weile drangen verzerrte Laute an sein Ohr. Er verstand jedoch kein Wort, denn Nebel und Regen verzerrten und verschluckten alle Geräusche.

      Er schwamm ruhig und bedächtig und nicht sonderlich eilig, obwohl es unwahrscheinlich war, daß man ihn auf der großen Galeone hörte.

      Er schrak nur einmal heftig zusammen, als ein überlautes Brüllen und Fauchen an seine Ohren drang. Im Wasser, das den Schall besser trägt, hörte es sich nach einem urweltlichen Röhren an. Die Bucht wurde wie von einem wilden Ungeheuer aufgewühlt und schien zu kochen.

      Durch den düsteren Nebel stachen bunte Blüten hervor. Sie glühten ein paarmal kurz auf und erloschen dann.

      Die Spanier feuerten wieder auf ihren unsichtbaren Gegner ohne zu wissen, daß er längst verschwunden war.

      Don Juan de Alcazar konnte sich ein mitleidiges Grinsen nicht verkneifen. Sollen sie feuern, dachte er, das dezimiert nur ihre Bestände an Pulver und Kugeln. Sie schienen eine Menge davon zu haben.

      Die Geschosse orgelten etwa zehn Yards hoch über ihn hinweg und schlugen dann im Wasser ein, das wild aufschäumte, bevor die Kugeln versanken. Er glaubte das Pfeifen und Jaulen noch zu hören, obwohl es schon wieder verklungen war.

      Wie er vorausberechnet hatte, traf er genau auf das Schiff und schwamm nicht daran vorbei. Er war sogar etwas früher angelangt, als er vermutet hatte.

      Seine Finger berührten Holz. Er blickte nach oben,