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Gutsverwalter, der seinen Lebensabend in Sophienlust verbrachte und ein inniger Freund aller Kinder war. Justus betreute auch die Ponys und lehrte die Kinder das Reiten. Er kannte sich auch mit jungen Hunden und Katzen aus und war sozusagen für alles und jedes zuständig, auch für kleinere Reparaturen, für vertrauliche Ratschläge und hin und wieder auch für wohlmeinende Warnungen, wenn der Übermut die Kinder allzu waghalsig werden ließ.

      Uwe mochte Justus gut leiden. Auch auf Gut Heidehof gab es einen solchen alten Verwalter. Allerdings lebte er noch nicht im Ruhestand, wie Justus, sondern ging Uwes Mutti nach Kräften zur Hand, obwohl er schon ganz weißes Haar hatte und ihm manches bereits schwer wurde. Der Verwalter hieß Jan. Sogar den Anfangsbuchstaben des Namens hatte er mit Justus gemeinsam.

      Uwe sprach jedoch mit niemandem darüber, dass er Justus gernhatte, oder über das Gut, über seine Mutti und alles andere.

      Irmela merkte, dass es keinen Sinn hatte, Uwe mit ein paar freundlichen Worten aufzumuntern. Deshalb forderte sie die anderen Kinder auf, mit ihr zu den Ställen zu reiten, um dort die kleinen Pferde sachgemäß zu betreuen, wie es sich für echte Reitersleute gehörte.

      Wenig später versammelte sich die frohe Gemeinschaft von Sophienlust im Speisezimmer zum Abendessen. Magda, nach einhelligem Urteil der Kinder die beste Köchin der Welt, hatte einen Nudelauflauf mit Backobst gemacht und brauchte sich für mangelnden Zuspruch ihrer Schutzbefohlenen nicht zu beklagen.

      Die Sonne sank, und die Kleinen, zu denen auch der siebenjährige Uwe gezählt wurde, mussten zu Bett gehen, während die größeren Kinder sich um ihre restlichen Aufgaben kümmerten oder Spiele spielten.

      Nick und Henrik bestiegen ihre Fahrräder, um nach Schoeneich zu radeln.

      »Bis morgen, Pünktchen, bis morgen Irmela«, rief Nick.

      »Wir treffen uns im Schulbus«, raunte Henrik seinem Freund Uwe zu. »Setzt du dich wieder neben mich?«

      Uwe nickte. Sein kleiner Mund blieb stumm.

      *

      Denise von Schoenecker umarmte Nick und Henrik zärtlich. »Wie geht’s mit den Hausaufgaben?«, fragte sie ahnungsvoll. »Ist noch etwas zu erledigen? Gegessen habt ihr wohl schon bei Magda in Sophienlust.«

      »Nudelauflauf. Ich habe drei Teller geschafft«, seufzte Henrik selig.

      »Und die Aufgaben?«

      »Ich bin noch nicht fertig«, gestand der Bub treuherzig. »Ich war nachmittags mit Uwe bei Andrea in Bachenau. Die Zeit war knapp, Mutti. Aber ich mache die Aufgabe gleich. Sie ist kinderleicht und geht schnell.«

      »Gut, Henrik. Ich schaue nachher nach. Und du, Nick?«

      »Bei mir ist es nicht kinderleicht und auch nicht gerade wenig«, sagte der lang aufgeschossene Gymnasiast leise. »Aber ich finde am besten abends Ruhe dazu. Außerdem kann ich Vati fragen, falls ich etwas nicht verstehe. Heute schaffe ich es allerdings bestimmt auch ohne seine Hilfe.«

      »Das ist gut, denn Vati hat unseren Gast zur Bahn gefahren und wollte auf dem Rückweg noch in Schönborn vorbeischauen, um etwas zu besprechen. Er wird ziemlich spät zurückkommen. Ich selbst werde inzwischen ein paar Briefe schreiben.«

      Denise von Schoenecker sah ihren beiden Söhnen nach, als sie davongingen. Wie gut hatte es das Schicksal mit ihr gemeint! An der Seite von Alexander hatte sie ein neues Glück gefunden, und die Aufgabe, seinen Kindern Sascha und Andrea eine zweite Mutter zu sein, hatte ihrem Leben einen wunderbaren neuen Inhalt verliehen. Manchmal kam es ihr vor, als habe sie Alexander erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal getroffen. Und doch war es schon so viele Jahre her. Sascha, damals noch ein Gymnasiast, studierte heute in Heidelberg. Andrea, seine jüngere Schwester, war sogar schon verheiratet und selbst Mutter eines kleinen Buben.

      Ein Segen, dass wir Henrik haben, dachte Denise. So merken wir nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Dann ging sie hinauf in ihr Damenzimmer, um einige liegen gebliebene Briefe zu erledigen.

      Es war kurz vor neun Uhr, als Denise Henriks Aufgaben durchsah. Der Junge hatte sein Pensum tadellos erledigt. Er bekam einen Kuss und wurde ins Badezimmer geschickt. Wenig später betete Denise mit ihm und löschte das Licht in seinem hübschen Zimmer, in dem es immer ein bisschen unordentlich war.

      Alexander von Schoenecker kehrte erst nach zehn Uhr heim. Denise hatte gerade einen Brief beendet, als er zu ihr ins Zimmer trat.

      »Wie ist es dir ergangen, Liebste? Ich habe unseren Freund wohlbehalten in den Zug gesetzt und anschließend in Schönborn über die Rübenpreise kluges Zeug geschnackt. Jetzt bin ich heilfroh, wieder bei dir zu sein, Isi.«

      Denise nahm seine sonnengebräunte Hand und schmiegte ihre Wange daran. »Du hast mir gefehlt, Alexander. Immerhin bin ich dazu gekommen, einige dringende Briefschulden abzutragen. Unter anderem habe ich an Frau Breuer geschrieben.«

      »Lebt der Junge sich in Sophienlust nun besser ein?«, fragte Alexander, der stets an allem, was im Kinderheim geschah, lebhaften Anteil nahm.

      »Nein, leider nicht, Alexander. Uwe ist still und bedrückt. In der Schule meldet er sich so gut wie nie. Der Lehrer ließ mich wissen, dass er sich um das Weiterkommen des an und für sich intelligenten Schülers Sorgen macht. Zwar sind seine schriftlichen Arbeiten einigermaßen in Ordnung, doch nimmt er am mündlichen Unterricht so gut wie gar nicht teil, sondern schaut immer mit betrübtem Gesicht zum Fenster hinaus. Er hat Heimweh.«

      »Eine traurige Geschichte, Isi. Frau Breuer hat sicherlich schon genug Sorgen. Hast du ihr mitgeteilt, dass Uwe sich nicht sonderlich gut einfügt?«

      »Nein, ich wollte sie nicht belasten. Ich habe ihr nur geschrieben, dass sie für die Heimkosten nichts zu bezahlen braucht. Selbstverständlich finanzieren wir Uwes Aufenthalt in Sophienlust aus der Stiftung.«

      »Ja, das ist gewiss im Sinne von Sophie von Wellentin. Weißt du, diese alte Dame hat sich wahrhaftig ein wundervolles Denkmal zu setzen gewusst.«

      »Wir werden sie hoffentlich nie vergessen. Ich bin glücklich, dass ich durch Nicks Erbschaft in die Lage versetzt bin, so viel Gutes zu tun. Später wird Nick das Werk fortsetzen.«

      »Später! Viel, viel später. Noch geht er zur Schule, Isi.« Die Lippen des Gutsherrn streiften die Stirn seiner geliebten Frau.

      »Die Zeit vergeht rasch, Alexander. Gerade vorhin dachte ich darüber nach. Allmählich wird man älter.«

      »Du nicht, Isi. Du bist so jung wie am ersten Tag unserer Ehe.«

      »Schmeichler! Die Jahre lassen sich nicht verleugnen. Wir wollen uns keine Komplimente machen, sondern über Beate Breuer sprechen. Es ist schwer, ihr einen Rat zu erteilen, obwohl sie mich neulich mit verzweifeltem Seufzer fragte, was sie tun solle. Es ist so gut wie unmöglich, sich in die Situation hineinzudenken, in der sie sich befindet.«

      »Für meine Begriffe taugt der Mann keinen Pfifferling«, erklärte Alexander und ließ sich in einen der seidenbezogenen Sessel sinken. »Ich fürchte, er hat Beate Breuer nur geheiratet, weil er es auf ihr Vermögen abgesehen hatte. Inzwischen ist es ihm gelungen, dieses Vermögen unter die Leute zu bringen. Nun drückt er sich und lässt seine unglückliche Frau mit den Schulden und mit der übergroßen Arbeitslast sitzen.«

      »Du bist sehr hart in deinem Urteil.«

      »Und du versuchst grundsätzlich, auch am schwärzesten Schaf noch eine weiße Locke zu entdecken, Isi. Für mich liegt die Sache ziemlich klar auf der Hand, wenn ich auch zugebe, dass ich mich irren kann. Hast du erfahren, wo besagter Herr Werner Breuer sich jetzt aufhält?«

      »Frau Breuer drückte sich sehr ungenau aus. Er ist ja kein Landwirt, sondern Diplomkaufmann. Von der Landwirtschaft versteht er absolut nichts und interessiert sich auch nicht dafür. Seine Frau schuftet sich auf dem Heidehof ab, um das Gut zu erhalten. Sie hat zu wenig Personal, steht mit der Sonne auf und arbeitet trotzdem noch die halben Nächte durch. Sie hat nur einen alten Verwalter, der sich ebenfalls über Gebühr einsetzt, aus Treue zu seiner Herrin und weil er, wie sie, das Gut für Uwe erhalten möchte.«

      »Schrecklich. Sie bräuchte