Die Führungskraft als Influencer. Barbara Liebermeister

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Название Die Führungskraft als Influencer
Автор произведения Barbara Liebermeister
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия Dein Business
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783956239762



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Ein effektives Team ist eines, das Ergebnisse termingerecht und in hoher Qualität liefert und in dem sich zudem alle wohlfühlen. Der Wohlfühlaspekt zahlt dabei auf den Faktor Sicherheit ein. Denn nur, wenn man sich in einem Team gut genug aufgehoben fühlt, um auch Risiken einzugehen und sich verletzlich zeigen zu können, kann aus psychologischer Sicht von einem Gefühl der Sicherheit ausgegangen werden, das eine entscheidende Voraussetzung für gute Ergebnisse ist.

      In Kapitel 8 gehe ich auf die Ergebnisse dieser Studie noch ausführlicher ein. An diesem Punkt nur so viel: In allen genannten Kriterien sind Unternehmen wie Veeva, in denen Führungskräfte ähnlich agieren wie Influencer, weit vorn – und erzielen deshalb besonders gute Ergebnisse.

       Das Influencerprinzip bei W. L. Gore & Associates, Inc. – kein Phänomen der Neuzeit

      Jetzt könnte der eine oder andere sagen: Warten wir mal ab, ob sich dieses neue Führungsverhalten nachhaltig bewährt oder ob es nur ein vorübergehender Hype ist – es wäre ja nicht die erste »neumodische Arbeitskultur« mit kurzer Lebensdauer.

      Ja, das könnte man einwenden – wenn es da nicht Firmen wie W. L. Gore & Associates, Inc. gäbe. Das weltbekannte Unternehmen stammt aus einer ganz anderen Branche als Veeva. Gore stellt wasserfeste, aber atmungsaktive Funktionskleidung her – und das nicht erst seit vorgestern, sondern schon seit fast 70 Jahren.

      Umso verblüffender, wie groß die Ähnlichkeiten mit dem Arbeitsstil bei Veeva sind. Auch bei Gore gibt es nur Führung auf Augenhöhe, denn die Mitarbeiter führen sich selbst. Statusgehabe? Fehlanzeige – und das seit dem Gründungsjahr 1958. Bei Gore gilt seit jeher die Grundregel: »No ranks, no titles«14 – keine Hierarchien, keine Titel, noch nicht mal auf der Visitenkarte. Jeder ist gleichermaßen – ja, was denn eigentlich? Mitarbeiter? Streng genommen auch das nicht. In seinem Selbstverständnis hat Gore weder Chefs noch Mitarbeiter. Alle, wirklich alle sind »Associates«, also Partner und Miteigentümer des Unternehmens. Das ist der Grund, warum sich jeder Einzelne mitverantwortlich fühlt für den Erfolg der Firma. Kein Wunder, denn bereits jeder Neuankömmling erhält einen Teil seines Gehalts nicht in bar, sondern in Firmenanteilen ausgezahlt – 11 Prozent des Gehalts, um genau zu sein.

      Selbst die Präsidentin und CEO des Unternehmens, Terri Kelly, bildet hier keine Ausnahme. Sie ist eine von 10 000 Associates. Den üblichen Titel trägt sie nur, weil es die US-Gesetze bei Kapitalgesellschaften so verlangen. Tatsächlich ist sie den ganzen Tag damit beschäftigt, Follower zu sammeln. Sie gehört zu den Führungskräften, deren Selbstverständnis auf der Frage beruht, wie viele Follower sie innerhalb ihres Unternehmens haben – das magische Wort »Influencer« ist auch ihnen Gesetz. Und das aus freien Stücken!

      Diese Überzeugung geht bereits auf die Gründungsgeschichte von Gore zurück. Denn Gründer Bill Gore war ganz am Anfang seiner beruflichen Laufbahn bei DuPont angestellt und hatte schon dort ganz viele Ideen, wie man neuartige Funktionskleidung herstellen könnte. Doch alles, was seinen Vorgesetzten dazu einfiel, war, ihn zu reglementieren und ihm vor Augen zu führen, dass er nur ein einfacher Mitarbeiter sei und sich um seine herkömmliche Arbeit kümmern solle – nicht um Neuentwicklungen. Bill Gore war darüber so wütend, dass er kündigte und sein eigenes Unternehmen gründete – W. L. Gore & Associates, Inc. Hier, schwor er sich, werden Chefs keine Ideen killen.

      Und was wurde daraus? Heute gehört sein Unternehmen zu den Weltmarktführern. Erreicht hat es diese Position durch konsequente Verantwortungsübertragung auf die Mitarbeiter. In kleinen Teams werden bei Gore schon seit Firmengründung die besten Ideen geboren. Hier herrscht ein Minimum an Kontrolle und ein Höchstmaß an Selbstverantwortung. Alle verpflichten sich regelmäßig zu sogenannten Commitments und erhalten den Auftrag, sich für ihr Vorhaben innerhalb der Firma Follower zu suchen. So entstehen freiwillige Netzwerke und ein hohes Maß an Engagement.

      Vielleicht kennst du das aus eigener Erfahrung: Wenn wir Mitarbeitern Eigenverantwortung übertragen und ihnen genügend Freiräume zur Verfügung stellen, entstehen Projektideen wie von selbst. Dadurch, dass die Verantwortung so hoch ist und sich jeder Einzelne als mitverantwortlich für das Ergebnis betrachtet, ist auch jeder hoch motiviert und wirkt ansteckend auf die Kollegen, die er für das Projekt gewinnen möchte.

      Bei Veeva und Gore gewinnt man Kollegen und Mitarbeiter also durch die eigene Vision und durch Leidenschaft – na, da klingelt doch etwas, lieber Influencer in spe?!

      Besonders erstaunt mich bei diesen Pionier-Unternehmen die Organisation der Zusammenarbeit. Teams, die größer sind als etwa acht Leute, gibt es nicht. Bei dem zugrunde liegenden Prinzip der »Amöbe« handelt sich um eine Art Gitternetz, das die Mitarbeiter oder auch Partner selbst schaffen. Zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und die Menschen für eigene Projekte zu begeistern ist die Basis von allem. Wird ein Team größer, dann teilt es sich – daher der Vergleich mit der Amöbe. Der Grund liegt auf der Hand: Nur in kleinen und überschaubaren Teams ist eine schnelle, direkte und reibungslose Kommunikation möglich. »Die Arbeit auf Augenhöhe mit allen und die große Selbstverantwortung, das lieben die Leute bei Gore.«15

      Was ist also aus Mitarbeitersicht so außergewöhnlich bei Gore? Beim Recruiting wird zuerst einmal darauf geschaut, ob die Person von ihrer Einstellung her ins Unternehmen passt. Genauso hat es meine Tochter bei Veeva erlebt. Denn obwohl sie »International Business« studiert hat – ein relativ generalistisch aufgestelltes Studium – und sich im Masterstudium auf Nachhaltigkeit konzentrierte, bekam sie den Job – und das, obwohl bei Veeva naheliegenderweise Mitarbeiter mit IT-Vorkenntnissen oder einschlägigen Abschlüssen bevorzugt werden. Eigentlich. Doch Unternehmen, denen es auf eine Follower-Kultur, Begeisterung und Persönlichkeit ankommt, achten eher auf Talente als auf den Lebenslauf.

      So ist es auch bei Gore: Auch dort spielt die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und zur Entdeckung eigener Talente die größte Rolle. Kein Führender versteht sich hier als »Kontrolleur«, sondern eher als Berater und Moderator seines Teams. Das individuelle Wissen wird für das große Ganze eingesetzt und dient der Zusammenarbeit. Dazu passend setzt sich das Gehalt aus der Bewertung aus Kollegensicht, aber auch aus dem möglichen Marktwert am Arbeitsmarkt zusammen. Doch um das Gehalt allein geht es hier sowieso niemandem: Personalmangel hatte Gore noch nie, obwohl die Verdienstmöglichkeiten (mit Ausnahme der 11 Prozent in Anteilen) eher durchschnittlich sind. Da Gore nicht börsennotiert ist, wird der Unternehmenswert vierteljährlich von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt. Auch bei Veeva erhalten die Mitarbeiter übrigens eine Unternehmensbeteiligung in Form von Aktien als zusätzlichen Einkommensbestandteil.

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      Freigeist wird in beiden Unternehmen belohnt: Haben Associates bei Gore augenscheinlich verrückte Projektideen, wird dies gefördert und zahlt sich in der Regel aus. Beispielsweise überzog ein Ingenieur die Bowden-Züge seines Mountainbikes mit PTFE, einem Werkstoff mit besonderen Eigenschaften unter starker Beanspruchung. Dann kam ihm die Idee, dass man das auch mit Gitarrensaiten machen könnte. Heute ist Gore mit seinen »Elixir«-Gitarrensaiten Marktführer – in einem Segment, das ursprünglich nicht zum Kerngeschäft gehörte.

      Das Beispiel Gore zeigt: Wertschätzend und heterarchisch zu führen, also nicht durch Hierarchie, sondern als Gruppe von gleichberechtigten Teilnehmern oder auch Managern innerhalb einer Unternehmenseinheit, ist keine originäre Erfindung des digitalen Zeitalters. Das gibt es bereits seit Jahrzehnten. Und die Unternehmen, die so arbeiten, sind damit schon länger äußerst erfolgreich. Es scheint also etwas für sich zu haben, nicht kraft der eigenen Position zu führen, sondern über den persönlichen positiven Einfluss auf Augenhöhe, den man auf die Menschen in seinem Umfeld ausübt. Solche Führende können vor allem eines: Menschen überzeugen und mitnehmen auf eine Mission, für die sich alle gemeinsam entscheiden und begeistern.

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