Название | Märchen aus Frankreich, Band 1 |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783849602475 |
Auf der Weiterreise kehrte Hüon in Dunostre ein, tötete mit Oberons Hilfe den riesenhaften Herrn des Landes, dem auch der Emir von Babylon untertänig war, und raubte seinen Ring. Sodann überschritt er das Rote Meer und näherte sich allein, denn seine Begleiter hatte er in Dunostre zurückgelassen, der Stadt Babylon. An einem Feste des heiligen Johannes hielt dort der Emir seinen Hof. Kein Mensch konnte das Volk zählen, das dort zusammenströmte, man sah Vogelsteller und Rossetummler, Arbeiter und Schachspieler, solche, die sich mit Jungfrauen ergötzten, und solche, die sich im Sommertag ergingen. Hüon gelangte zur ersten Brücke und rief den Torwacht an: "Laß mich ein!" Jener entgegnete: "Gern, aber zuvor sage mir, in welchem Lande du geboren bist. Bist du ein Franke, so sollst du um einen Kopf kürzer gemacht werden; bist du aber ein Sarazene, so wird die Brücke vor dir niederfallen." Nun handelte Hüon sehr töricht. Vor der Menge der Heiden hatte er seines Ringes ganz vergessen, und er erinnerte sich auch nicht des Gebotes, das Oberon ihm gegeben hatte. Er antwortete allzu voreilig: "Ja, ich bin ein Sarazene." Da hatte er gelogen, und Oberon wußte es und zog seine Freundschaft von ihm. Vermittels dieser Unwahrheit gelangte er über die Brücke, aber vor der zweiten fiel ihm der Befehl des Elfenkönigs ein, er dachte an seine Verfehlung und geriet vor Schmerz fast außer sich. Beim Gekreuzigten schwur er, nie in seinem Leben wolle er wieder lügen. Ganz niedergeschlagen kam er zur zweiten Brücke und rief mit lauter Stimme: "Öffne, Hurensohn, oder der Blitz soll dich zerschmettern!" Der Torwacht sagte: "Aus welchem Lande stammst du und wie hast du die erste Brücke passiert?" "Bei Gott," sagte Hüon, "du sollst es wissen." Er nahm den Ring des Riesen von der Hand und rief dem Wächter zu: "Schau, welches Zeichen ich dir weise!" Der Wächter erblickte den Ring, erkannte ihn wohl und beeilte sich, die Brücke herabzulassen. "Sei mir willkommen, Jüngling," rief er, "was macht mein Herr, der stolze Orgileus?" Hüon würdigte ihn keiner Antwort, er wagte nicht zu reden, aus Furcht, die Unwahrheit zu sagen.
Durch die nämliche List gelangte er über die dritte und vierte Brücke und trat nun in den Garten des Emirs Gaudise, in welchem alle Arten von Bäumen, die Gott geschaffen hat, grünten. Dort strömte eine Quelle, die vom Paradiese kam und deren Wasser dem hinfälligsten Greise seine Jugend wiedergab und der ausschweifendsten Frau ihre Jungfrauschaft. Eine Schlange hütete die Quelle und brachte jedem Bösewicht, der sich ihr näherte, den Tod. Hüon trat ungehindert heran, trank aus der Quelle und wusch sich die Hände und vergaß fast seinen Auftrag. Nur wenn er an Oberon dachte, zitterte er. Wird der Zwerg noch einmal kommen, um ihm zu helfen? Er wollte sich dessen vergewissern und stieß in sein Horn, aber umsonst: niemand ließ sich blicken. Der Emir saß gerade beim Mahl, die, welche ihm den klaren Wein eingossen, begannen beim Klange des Hornes zu singen, und er selber fing zu tanzen an. "Ihr Barone," sagte er, "hört, der dort im Garten bläst, ist gekommen, uns zu verzaubern. Ich befehle euch, daß ihr euch bewaffnet, sobald er sein Blasen aufgehört hat. Wenn er entkommt, sind wir alle beschimpft." Als Hüon merkte, daß niemand kam, legte er sein Horn beiseite und weinte. Dann schritt er die Stufen zum Schloß hinauf, in den Panzer gehüllt, mit geschlossenem Visier und das blanke Schwert in der Faust. Ein Großer des Reiches stand am Tisch und suchte die Aufmerksamkeit der schönen Emirstochter Esclarmonde, die er heiraten sollte, zu erwecken, er war ein reicher Mann von edler Abstammung. Hüon näherte sich, schwang sein Schwert und schlug dem Heiden den Kopf ab, so daß dieser auf die Tafel rollte. "Ein guter Anfang," sagte er zu sich selber, "um dieses bin ich bei Karl entlastet." Der Emir wurde mit Blut bespritzt und schrie: "Barone, faßt mir diesen Schurken; wenn er entkommt, sind wir alle beschimpft." Alle Sarazenen stürzten sich auf Hüon, der sich nach Kräften verteidigte. Er nahm den Ring, den er am Finger trug, und warf ihn auf den Tisch: "Herr," sagte er, "da seht! Um dieses Zeichens willen tut mir kein Leid an!" Der Emir erkannte den Ring und befahl, Hüon zu schonen. Nun trat dieser auf die Tochter des Emirs zu und küßte sie dreimal, um sein Wort einzulösen. Esclarmonde erbleichte, als sie seinen Atem spürte. Leise sprach sie zu ihrer Magd: "Weißt du, warum ich erbleiche?" "Nein, bei Gott!" "Sein süßer Hauch hat mir das Herz erfüllt; wenn ich ihn heute nacht nicht an meiner Seite habe, komme ich von Sinnen." Hüon trat auf den Emir zu und meldete ihm den Auftrag Karls: er ersuchte ihn, die Taufe anzunehmen, dem Frankenkaiser zu huldigen und ihm den Tribut zu schicken, den er verlangte. Der Emir rief: "Dein Herr ist toll, das alles kümmert mich keinen Pfifferling. Wenn er mir sein ganzes Erbe gäbe, ich würde nicht von meinem weißen Barte lassen und von meinen vier Backenzähnen. Fünfzehn Boten hat er mir schon hierhergesandt, keinen einzigen hat er zurückkehren sehen, alle habe ich erwürgen und einpökeln lassen. Und, bei Mahommed, du sollst der sechzehnte sein. Nur des Ringes wegen wagten wir dich nicht anzutasten. So sage mir, mit welches Teufels Hilfe du als Franke in den Besitz dieses Ringes gekommen bist?" Hüon wagte nicht zu lügen, da er Oberons Zorn fürchtete: "Herr Emir," sagte er stolz, "so wahr Gott mir helfe, ich will es Euch sagen. Ich habe Euren Herrn getötet und zerstückelt." Der Emir stieß einen Wutschrei aus: "Barone," rief er, "wollt ihr ihn laufen lassen? Wenn er entkommt, sind wir alle beschimpft." Die Heiden hörten es und griffen Hüon von allen Seiten an. Nach verzweifelter Gegenwehr entglitt ihm sein Schwert, er wurde zu Boden geworfen, sein Horn, sein Becher und seine Rüstung wurden ihm genommen, und der Emir befragte seine Barone, wel-Tod er erleiden solle. "Gehängt soll er werden!" riefen sie. Aber der weise Ratgeber