Название | Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 |
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Автор произведения | Dirk van den Boom |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864027529 |
Und jemand, dessen Blicke, kleine Gesten, angefangene, aber nicht beendete Sätze alles sagten, was Aume wissen musste. Was sie alle hier wussten, worüber sich manche lustig machten und dann dachten, Kerr würde es nicht hören. Doch der Pilot bekam alles mit. Er reagierte nur nicht. Er wollte sich nicht ärgern lassen. Vielleicht schämte er sich ein wenig. Vielleicht fiel ihm keine passende Antwort ein, es fehlte ihm an Schlagfertigkeit, die andere in der Gruppe im Übermaß hatten, allen voran Plastikk, der auf alles einen Kommentar wusste.
Kerr war ruhig, zurückhaltend, unaufdringlich und schwer verliebt.
Aume kannte das Gefühl. Emotionen waren Teil ihrer Existenz, sie war wütend gewesen, respektvoll, hatte Bewunderung empfunden und Freundschaft, je nachdem, wie die zahlreichen Besatzungen der Vergangenheit sich mit ihr befasst hatten, was für Individuen sich ihr besonders verbunden gefühlt hatten. Dendh hasste sie, eine reine Empfindung, gespeist aus Demütigung, und sie kannte daher auch das Gegenteil, denn ohne Schwarz gab es kein Weiß. Und weil sie wusste, wie leicht aus Liebe oder auch nur Zuneigung eine Verletzung entstehen konnte, und weil sie wusste, dass es keinen Grund gab, Kerr zu verletzen, und weil sie wusste, dass diese Art der emotionalen Bindung für sie genauso unerwartet und neu war wie für ihn … weil ihr das alles bekannt war, wusste sie eben nicht, wie genau sie damit umgehen sollte.
Ihre Emanzipation hatte neue Türen geöffnet. Sie konnte neu denken, neu empfinden, neue Freiheit auskosten. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass neue Freiheit und Autonomie dazu führen muss, ihre Beziehungen zu anderen Intelligenzen zu überdenken, für sie eine neue Grundlage zu finden.
Und Holoban Kerr wurde für sie damit zum Testfall. Wie immer, wenn man bisher unbekanntes Terrain betrat, verwendeten ihre Subroutinen Analogien zu beobachtetem Verhalten und zu ähnlichen, aber nicht identischen Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit. Und dennoch kam sie zu keinem abschließenden Ergebnis. Es würde ihr kein Schaden sein, so zu tun, als würde sie Kerrs Gefühle erwidern. Sie konnte diese auch körperlich ausdrücken, ihr Avatar war im Zweifelsfall voll funktionsfähig. Kerr lebte nicht mehr lange. Keiner der Sterblichen auf ihrem Schiff lebte mehr lange, selbst dann, wenn sie eines Tages eines natürlichen Alterstodes sterben würden. Aumes Zeitgefühl war ein anderes und die Leben ihrer Besatzungen waren Episoden – wichtige Episoden, wertvoll, bereichernd, aber eben nur genau das.
Holoban Kerr war also nur eine Episode.
Und in dem Moment, als sie das dachte, fühlte sie sich, als hätte sie ihn betrogen, sich verächtlich gezeigt, zumindest unfair. Keiner der Organischen konnte etwas dafür, dass er so schnell dahinsiechte und dass er die Zusammenhänge einer potenziell ewigen galaktischen Existenz nicht erfassen konnte, egal wie intelligent und gebildet er auch war. Es lag in der Natur ihrer Begrenztheit, dass sie nicht so weit blicken konnten. Aume war nicht arrogant in dieser Bewertung. Sie wusste ja, wie hilflos und von Gedächtnisverlust geplagt sie selbst gewesen war, alles andere als überlegen oder gar allwissend. Selbst jetzt, wo sich die Stücke ihrer Vergangenheit/Zukunft wieder zusammengesetzt hatten, war alles, was sie taten, ein Risiko mit einem gehörigen Anteil an unkalkulierbaren Elementen. Und in dem, was passieren konnte, waren sie alle gleichermaßen potenzielle Opfer. Auch einen Triumph würden sie teilen. Doch es war Aume, die sich noch Hunderte oder gar Tausende von Jahren später daran erinnern würde. Diese Besatzung aber würde im Sand der Zeit versinken und allein in ihren Datenspeichern fortexistieren, nicht mehr als eine Erinnerung, die mehr und mehr in den Hintergrund rückte.
Dennoch. Hin- und hergerissen war sie schon. Und sie empfand eine moralische Verpflichtung, etwas zu tun. Wenn das alles vorbei war. Einen autonomen Avatar vielleicht, mit einer intelligenznahen Selbststeuerung, und Holoban Kerr, der gute, der naive Mann, würde keinen Unterschied bemerken. Er hätte, wonach er sich sehnte, und er würde glücklich sein, keine Verletzung erleben und in seiner Zufriedenheit ein gnädiges und wohlgeratenes Ende finden, während Aume sich einer Verpflichtung entledigte, ohne sich dessen schämen zu müssen. Nicht allzu sehr. Ein wenig schon. Denn es war eine Form des Betrugs und Ethik war ein Konzept, das Aume für sich entdeckt und verinnerlicht hatte.
Es war trotz dieser Zweifel ein Ausweg, an dem sie mehr und mehr Gefallen fand. Sie behielt den Plan für sich. Erst musste die Grundlage für diesen ethisch angemessenen und gnadenvollen Betrug geschaffen werden: Das Überleben aller im Ringen mit Dendh und den Kalten war die erste Priorität.
Dennoch! Aume fühlte sich erleichtert, als sie zu dem Schluss gekommen war, der ihr dieses Problem von der Seele nahm. Wenn alles so leicht einer Lösung zugeführt werden konnte, wollte sie sich über nichts und niemanden mehr beschweren.
Und so, nach langer Zeit, mit vielen Gedanken, wenigen Worten, und einer allseits geübten Zurückhaltung, sich nicht allzu sehr auf die Nerven zu fallen, kamen sie an.
Die Aume trat aus dem Hyperraum und schwebte, abseits eines Sonnensystems, im Leerraum, der sich bei näherer Betrachtung nicht als leer erwies.
Sie hatten sich auf der Brücke versammelt, gespannt, neugierig, einige ein wenig ängstlich. Aume ließ sie über nichts im Unklaren.
Auf den Schirmen und Projektionen zeichnete sich der zerrissene, verfallene Körper einer gigantischen Raumstation ab, deren unförmiger, pockennarbiger Leib von der langen Zeit zeugte, die sie bereits durch das All schwebte, Anziehungspunkt von Mikro- und Makrometeoriten, ständig Strahlenstürmen ausgesetzt, hin und her gezerrt durch Gravitationsfelder und doch in seiner inneren Struktur unbeeindruckt von den Fährnissen einer äonenalten, interstellaren Existenz. Aume ließ das Bild dieses Behemoth aus ferner Vergangenheit auf sie alle einwirken und wartete, bis die Verwirrung den Ersten dazu brachte, endlich zu fragen. Es war erwartungsgemäß Vocis, die von ihnen allen die wenigste Geduld hatte.
»Aume, das ist es?«, fragte sie.
»Das ist eine Dridd-Metallwelt.«
Plastikk runzelte die Stirn. »Eine mächtige Zivilisation. Wissen wir viel über sie?«
Er hätte sich auch selbst informieren können, aber so war es natürlich einfacher. Die Datenverarbeitungskapazitäten von Organischen waren begrenzt und manchmal wunderte sich Aume, wie sie so lange hatten überleben können – und noch mehr, wie es ihnen einst gelungen war, richtige Intelligenzen zu erschaffen, wie sie eine war. Es gab Geheimnisse im Universum, die blieben auch ihr verschlossen.
»Die Dridd sind eine lange ausgestorbene Zivilisation, deren Reste in drei Galaxien zu finden sind. Selbst in unserer Zeit, in fernster Zukunft, wurden noch Artefakte von ihnen entdeckt. Ihre Technologie hat sich als sehr hartnäckig erwiesen. Ihre Zivilisation eher nicht.«
»Du hast gesagt, sie hätten das Gleiche wie Dendh versucht«, erinnerte sich Holoban Kerr, der die massive Erscheinung mit großem Interesse musterte. Er mochte Raumschiffe, auch solche ohne weibliche Sexualmerkmale. Das machte ihn, wie Aume fand, schon sehr sympathisch.
»Die Dridd waren eine bemerkenswerte Spezies. Es gab in ihrer Geschichte einen Zeitpunkt, in dem sie versuchten, sich mental mit ihren Metallplaneten zu vereinen, um dadurch Unsterblichkeit zu erlangen. Ambitionen, den nächsten Urknall zu überwinden, hatten sie keine, soweit wir wissen. Wir wissen aber wenig über die Ziele ihrer Zivilisation, das Denken ihrer Spezies. Es gab Symbionten, die mit ihnen im Einklang lebten und die eigene Intelligenz besaßen. Ihre fernen Nachkommen finden sich manchmal auf den Metallplaneten, sie haben sich in den Resten der Zivilisation irgendwie eingerichtet. Es gäbe noch viel über die Dridd zu erforschen, da bin ich mir sicher. Selbst Dendh hat sich nur auf das konzentriert, was ihm nützlich erschien: die Nutzung und Weiterentwicklung jener technischen Komponenten, die aus einer Metallwelt einen Kollapsar machen – und die Fähigkeit, darauf basierend weitere zu bauen. Die Verfeinerung jener Technologie, die es ermöglichen soll, die Bewusstseinsinhalte ganzer Zivilisationen so zu speichern, dass sie in einem Zustand absoluter Kälte der Entropie entkommen. Dafür haben die Dridd, unwissentlich und unabsichtlich, einstmals die Grundlagen geschaffen.«
»Die Dridd sind also gescheitert?«, fragte Vocis misstrauisch. Sie sah ein fremdes Objekt und damit eine potenzielle Bedrohung. Die Reflexe einer Soldatin. Aume fand dies sehr nützlich, es schärfte auch ihre eigene Aufmerksamkeit – und ihre Vorsicht.
»Es