Название | Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Nina Kayser-Darius |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurfürstenklinik Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740970673 |
»Um Frau Dr. Plessenstein«, beantwortete Bernd Schäfer Adrians Frage.
»Ach, du auch?« fragte Adrian. »Mir scheint, die halbe Klinik schwärmt für sie.«
»Das ist ja auch kein Wunder!« sagte Bernd. »Wenn man so aussieht, dann liegt einem natürlich die ganze Welt zu Füßen.« Betrübt sah er an sich hinunter. Sein Bauch schien wieder einmal um einige Zentimeter gewachsen zu sein.
»Die ganze Welt wohl nicht«, widersprach Adrian. »Ich finde zwar auch, daß sie gut aussieht, aber andere Frauen gefallen mir besser.«
Bernd war fassungslos. »Das meinst du doch nicht im Ernst! Hast du sie dir mal genau angesehen?«
»Ja, habe ich«, antwortete
Adrian. »Und jetzt schlage ich vor, daß wir diese ungeheuer interessante Unterhaltung beenden. Was ist überhaupt los hier? Habt ihr alle nichts zu tun?«
Die kleine Versammlung löste sich blitzschnell auf – gerade rechtzeitig, denn Schwester Monika rief laut: »Schwerer Unfall in der Kantstraße – mehrere Verletzte. Sie werden gleich hier sein!«
»An die Arbeit, Jungs und Mädels!« rief Adrian, und schon nach wenigen Sekunden war die kleine Diskussion vergessen, alle arbeiteten voller Konzentration, und es herrschte wieder der ganz normale Arbeitsalltag in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik.
*
Florian Plessenstein lag mit seinem Freund Max Sennelaub auf dessen Bett. Sie hatten sich nackt ausgezogen und betrachteten einander aufmerksam.
»Bei dir sieht das irgendwie anders aus«, meinte Max. Er hatte strohgelbe Stoppelhaare und ein spitzes Lausbubengesicht, während Florian die rotbraunen Locken seiner Mutter geerbt hatte. Seine Augen allerdings hatten eine andere Farbe als ihre: Sie waren von einem klaren Blau. Florian sah neben dem stämmigen Max fast mädchenhaft zart aus.
Jetzt nickte er betrübt: »Isses auch. Meine Mama hat gesagt, das kommt irgendwann von selbst in Ordnung.«
»Von selbst?« fragte Max. »Wie denn von selbst? Muß man da nix machen?«
Florian schüttelte den Kopf. »Nee, muß man nicht. Meistens jedenfalls. Man kann sich auch operieren lassen, aber es is’ besser, wenn’s von allein passiert. Ein paarmal haben wir schon gedacht, es wär’ in Ordnung – aber dann war’s doch wieder wie vorher. Jedenfalls soll ich nicht operiert werden.«
»Operieren ist gefährlich«, meinte Max altklug. »Ein Onkel von mir ist gestorben, als sie ihn operiert haben.«
»Bei meiner Mama sterben auch manchmal welche, aber nicht oft. Sie kann gut operieren, glaub’ ich.«
»Und warum operiert sie dich dann nicht? Das ist doch superpraktisch, wenn sie es selbst machen kann. Dann sähst du genauso aus wie alle anderen auch.«
Florian sah an sich herunter. Es war sein geheimer Kummer, daß er ›da unten‹ anders aussah als die anderen, aber er wollte nicht zugeben, daß es ihm etwas ausmachte. Schließlich hatte seine Mama ihm versprochen, daß sich das von selbst ändern würde. Aber seit es öfter vorkam, daß ihn andere Jungen auch mal nackt sahen, nahm das Thema an Wichtigkeit zu. Er versuchte zwar, niemals zu pinkeln, wenn er nicht allein war, aber manchmal ließ es sich nicht vermeiden, daß ihn jemand sah.
Nur mit Max konnte er darüber reden, der zog ihn auch nicht auf. »Ich kann sie ja noch mal fragen«, meinte er und zog die Stirn in Falten. »Mir wär’s auch lieber, wenn das endlich in Ordnung wäre.«
»Was hat sie denn gesagt, wie lange das noch dauert?«
Florian zog die Schultern hoch. »Das weiß man nie so genau. Die Dinger müssen einfach nach unten rutschen, weißt du? Normalerweise ist das schon passiert, wenn man auf die Welt kommt. Aber manchmal passiert es erst später.«
»Darf ich mal anfassen?« fragte Max.
Florian nickte zögernd. Wenn Max nicht sein allerbester Freund gewesen wäre, hätte er ihm das niemals erlaubt.
Vorsichtig streckte Max seine Finger aus. »Fühlt sich ’n bißchen komisch an, nur so schlappe Haut«, meinte er. »Also, ich finde, du solltest noch mal mit deiner Mama reden. Sonst isses vielleicht zu spät.«
»Ja, das mache ich«, sagte Florian und griff nach seiner Schlafanzughose. Auch Max zog sich an, und das war gut so, denn gleich darauf kam seine Mutter und fragte: »Was, ihr schlaft immer noch nicht? Wißt ihr überhaupt, sie spät es ist?«
»Aber wir sind noch gar nicht müde!« behauptete Max.
»Trotzdem müßt ihr morgen früh in die Schule, und ich kann dir jetzt schon sagen, daß ihr beide kaum aus dem Bett kommen werdet!« Sie machte das Licht aus und gab ihrem Sohn einen Gute-Nacht-Kuß, obwohl ihm das vor seinem Freund ziemlich peinlich war. Dann tätschelte sie Florians Wange, sagte: »Gute Nacht!« und ging wieder hinaus.
»Küßt deine dich auch immer noch?« wisperte Max.
»Ja«, wisperte Florian zurück.
»Sie kann einfach nicht damit aufhören, dabei bin ich schon viel zu alt dafür.«
»Mhm«, brummte Florian. Er behielt es lieber für sich, daß er es gern hatte, wenn seine Mama ihm einen Gute-Nacht-Kuß gab. Manche Dinge konnte man nicht einmal seinem allerbesten Freund sagen.
*
Dr. Adrian Winter straffte sich unwillkürlich, als er an der Tür des neuen Verwaltungsdirektors Thomas Laufenberg klopfte. Er hatte mit dem Mann noch nicht persönlich zu tun gehabt, aber der Ruf, der ihm bereits nach kurzer Zeit vorauseilte, sprach eine deutliche Sprache. Er schien entschlossen zu sein, strikt durchzugreifen – das jedenfalls behaupteten alle, die schon mit ihm aneinander geraten waren. Und das waren nicht wenige.
»Ja, bitte?«
Entschlossen drückte Adrian die Klinke herunter und trat ein. Bisher hatte er Thomas Laufenberg immer nur von weitem gesehen, jetzt stellte er fest, daß dieser ein sehr gut aussehender Mann war. Er war älter als er selbst, Anfang vierzig vielleicht. Die braunen Haare korrekt geschnitten und gescheitelt, an den Schläfen bereits silbrig werdend. Kluge braune Augen beherrschten das Gesicht, in dem außerdem noch der große energische Mund auffiel. Er trug einen unauffälligen grauen Anzug und sah ansonsten genauso aus, wie Adrian sich einen Verwaltungsangestellten immer vorgestellt hatte. Oberbürokrat, dachte er.
»Herr Dr. Winter?« Thomas Laufenberg erhob sich höflich und schüttelte seinem Besucher die Hand. »Bitte, setzen Sie sich. Ich bin froh, daß wir uns endlich kennenlernen, schließlich bin ich schon seit einigen Wochen hier.« Er lächelte, während seine klugen Augen den Arzt aufmerksam musterten. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir sind unterbesetzt in der Notaufnahme«, sagte Adrian. Er fiel ganz bewußt sofort mit der Tür ins Haus. »Das sind wir schon lange, und ich habe es Ihrem Vorgänger auch immer wieder gesagt, aber leider bis jetzt ohne jeden Erfolg.« Er brach ab und wartete auf eine Reaktion.
Thomas Laufenberg lächelte nicht mehr. »Sie wissen natürlich, daß diese Klinik, wie alle anderen auch, eine strikte Sparpolitik einhalten muß, wenn sie kostendeckend arbeiten will?«
»Natürlich weiß ich das!« Adrians Ton war ungeduldig. »Es wird ja überall nur noch vom Sparen geredet. Aber das kann doch nicht auf Kosten der Patienten geschehen! Und auf Kosten des Personals! So ist es nämlich. Hier bitte…«, er schob eine Liste über den Schreibtisch, »ich habe mir die Mühe gemacht, einmal die Überstunden aufzuschreiben, die allein in der Notaufnahme im letzten Monat angefallen sind. Das geht nicht so weiter! Und niemand kann mir erzählen, daß wir dadurch tatsächlich sparen! Überstunden sind teuer, und langfristig kosten sie uns auch unsere Gesundheit.«
Thomas Laufenberg vertiefte sich in die Liste und gab