Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman. Nina Kayser-Darius

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Название Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman
Автор произведения Nina Kayser-Darius
Жанр Языкознание
Серия Kurfürstenklinik Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740970673



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aber sie sah nicht, wie sie ihm hätte helfen können. Dann klingelte das Telefon erneut, und einer der hektischen Arbeitstage im Hotel King’s Palace hatte begonnen. Bis zum späten Abend kam sie nicht mehr dazu, noch einmal an ihren im Augenblick so unglücklichen Freund Tim Brown zu denken.

      *

      »Besonders erholt siehst du nicht aus«, meinte Bernd Schäfer kritisch, als er Adrian begrüßt hatte. »Dabei hattest du doch mehrere Tage frei – im Gegenteil zu anderen Leuten, die unablässig arbeiten mußten.«

      »Meine Nachbarin ist krank und brauchte ein bißchen Pflege«, erzählte Adrian, hatte aber wenig Lust, dieses Thema zu vertiefen. »Was gibt’s Neues?«

      »Ich war in den letzten Tagen nicht hier in der Notaufnahme, sondern auf der chirurgischen Station«, berichtete Bernd. »In der Notaufnahme hat sich nichts Dramatisches getan, soviel ich weiß, aber ich kann dir eine neue Geschichte von unserem südafrikanischen Arzt erzählen.«

      Adrian verzog das Gesicht. »Jetzt fang du nicht auch noch damit an, Bernd. Laßt doch den armen Dr. Brown endlich in Ruhe. Der will hier nur seine Arbeit machen.«

      »Aber genau davon will ich dir doch gerade erzählen – von den Maden!« rief Bernd eifrig.

      Adrian blieb stehen und sah den anderen mißtrauisch an. »Drehst du jetzt völlig durch? Von welchen Maden willst du erzählen?«

      Bernd berichtete ihm in kurzen Sätzen von Sven Mohntal und dessen hoffnungslos vereiterter Wunde. »Und was soll ich dir sagen? Das sieht jetzt ganz großartig aus, Adrian!« Bernd Stimme klang begeistert. »Ich hab’ mich zuerst ja ziemlich geekelt…«

      Adrian konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. »Und jetzt erzählst du mir wahrscheinlich noch, daß es dir den Appetit verschlagen hat, was?«

      »Am Anfang schon«, gestand Bernd verlegen. »Aber jetzt nicht mehr. Inzwischen bin ich von dieser Methode völlig überzeugt.«

      »Diese Methode ist keineswegs so sensationell, wie du anscheinend glaubst«, stellte Adrian nüchtern fest. »Und glaub ja nicht, daß sie in Afrika erfunden worden ist. Aber bei uns wird sie nicht gern angewandt, weil die meisten so reagieren wie du, nämlich vol­ler Ekel. Der junge Mann hatte jedenfalls recht, sich sofort darauf einzulassen, zumal er ja viele Medikamente offenbar nicht verträgt. Die Geschichte wird also gut ausgehen?«

      Bernd nickte. »Ja, alles spricht dafür. Und Dr. Brown ist deshalb mal wieder der Held der Klinik.«

      »Der arme Kerl«, murmelte Adrian mitleidig. »Er hat sich sein Jahr in Deutschland sicher auch anders vorgestellt. Bestimmt hat er nicht damit gerechnet, daß hier ständig so ein Rummel um seine Person herrscht.«

      »Na ja«, meinte Bernd großzügig, »er sieht sehr gut aus, das muß man ihm lassen. Ich verstehe schon, daß die Frauen hinter ihm her sind.«

      Adrian war stumm vor Staunen, als er das aus dem Mund seines beliebten Kollegen hörte, der eigentlich immer verliebt war – und zwar jede Woche in eine andere Frau. Aber wegen seiner Schüchternheit wurde aus all diesen möglichen Romanzen nie etwas. Oft genug hatte er sich schon neidisch über andere Männer geäußert, die mehr Glück hatten als er. Und nun diese Großzügigkeit…

      »Aber er hat bisher noch keine angesehen«, fuhr Bernd fort. »Wahrscheinlich wartet in Kapstadt eine auf ihn.«

      »Kann sein«, murmelte Adrian, den das überhaupt nicht interessierte. Er fand Tim Brown, mit dem er sich ein paarmal unterhalten hatte, sehr nett und angenehm. Außerdem war er ein ausgezeichneter Chirurg, sie hatten sofort gefachsimpelt. Was der andere in seinem Privatleben trieb, ging ihn dagegen nichts an, und am liebsten wollte er auch nichts darüber hören.

      »Was liegt denn an?« fragte er ein wenig ungeduldig. Es war schließlich Montagmorgen, er wollte endlich mit der Arbeit beginnen.

      Bernd verstand die indirekte Rüge und beeilte sich, den Notaufnahmechef zu informieren.

      *

      Caroline hatte im Augenblick Dienst auf der OP-Station. Etwas Schlimmeres, fand sie, hätte ihr gar nicht passieren können. Wann immer sie einen Patienten sah, der gerade aus einem der Operationssäle geschoben wurde, dachte sie: ›Bald schieben sie mich hier auch heraus. Und sie werden alle vor mir wissen, ob ich Krebs habe oder nicht.‹

      Sie mußte sich sehr anstrengen, um sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Mehr als einmal verschwand sie in einem der Waschräume, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen und tief durchzuatmen. Sie war blaß und fühlte sich elend.

      Dennoch schienen ihre Kolleginnen und Kollegen nichts davon zu merken, daß etwas mit ihr nicht stimmte, und sie war froh darüber. Aber sehr lange würde sie diese Fassade nicht aufrechterhalten können. Sie mußte möglichst bald etwas unternehmen.

      Als ihr Dienst zu Ende war, hatte sie sich entschieden, was sie tun wollte. Sie machte sich auf den Weg in die Notaufnahme und suchte nach Dr. Winter. Er war eine Vertrauensperson für sie – mit ihm würde sie über ihr Problem sprechen können. Und er war auch imstande, ihr einen guten Rat zu geben, schließlich war er Chirurg und einer mit einem ausgezeichneten Ruf noch dazu.

      Als sie ihn gefunden hatte, war er gerade dabei, eine ältere Dame zu versorgen, die sich bei einem Sturz in ihrer Wohnung eine böse Gesichtsverletzung zugezogen hatte und deren Kreislauf infolge dieses Unfalls völlig zusammengebrochen war.

      »Caroline«, sagte er erfreut, »haben Sie auch Dienst bei uns? Ich habe Sie schon vermißt.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht«, antwortete sie ehrlich. »Aber ich würde gerne mit Ihnen sprechen – privat, wenn es geht.«

      Er warf ihr einen forschenden Blick zu und begriff sofort, daß es ein größeres Problem war, das sie mit ihm erörtern wollte. Freundlich nickte er. »Es wird noch eine Viertelstunde dauern, bis ich hier fertig bin. Danach steht mir ohnehin eine Pause zu – wenn Sie wollen, können wir sie gemeinsam verbringen.«

      »Sehr gern«, antwortete sie. »Kann ich Ihnen solange helfen?«

      Er nickte, und schweigend arbeiteten sie, bis die Patientin so weit stabilisiert war, daß man sie auf die Innere schicken konnte.

      Dr. Winter meldete sich daraufhin bei seinen Kollegen ab und fragte Caroline: »Wie wär’s mit einem Salat außerhalb der Klinik?«

      Sie war erleichtert, denn nichts fürchtete sie mehr als unerwünschte Mithörer oder neugierige Blicke. »Ja, das wäre mir recht«, antwortete sie, und sie machten sich sofort auf den Weg.

      Kurz darauf saßen sie in einem kleinen Restaurant, gaben ihre Bestellungen auf, und Adrian fragte: »So, Caroline, was haben Sie auf dem Herzen?«

      Sie biß sich auf die Lippen. Eben war es ihr noch so einfach erschienen, ihm alles zu erzählen, aber jetzt, wo er vor ihr saß und sie erwartungsvoll ansah, kam es ihr auf einmal unendlich schwierig vor.

      »Sie haben ein Problem«, sagte er ruhig, »und wissen nicht, was Sie tun sollen. Aber Sie möchten doch einen Rat von mir hören, oder?«

      Sie nickte wortlos, und er fuhr fort: »Ich mache Ihnen einen ganz einfachen Vorschlag: Fangen Sie am Anfang an, und erzählen Sie der Reihe nach.«

      Mit diesen Worten erreichte er, was er hatte erreichen wollen. Sie entspannte sich und berichtete nun, was ihre Ärztin ihr gesagt und was sie sich seitdem zu diesem Thema überlegt hatte.

      Adrian hörte ihr geduldig zu und unterbrach sie nicht. Er ahnte, was eine solche Diagnose für eine bis dahin gesunde junge Frau wie Caroline bedeutete. Schließlich schwieg sie, und er hatte noch immer nicht genau verstanden, was sie nun eigentlich genau von ihm wollte.

      Er überlegte, wie er sie danach am besten fragen könnte, ohne sie erneut zu verwirren, und sagte schließlich: »Ich verstehe, daß ein möglicherweise bösartiger Tumor an einem Ihrer Eierstöcke Sie durcheinanderbringt, Caroline – aber da gibt es doch gar keine Frage: Ihre Ärztin hat recht, Sie müssen sich operieren lassen. Und wenn es Ihnen unangenehm ist, das in der Kurfürsten-Klinik machen