Название | Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke |
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Автор произведения | Walter Benjamin |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9789176377444 |
Diese Erklärungen betreffen, wenn anders man auf die forcierte Anwendung verzichtet, auch Trauerspiele. Daß es in ihnen um die Schaustellung einer allegorischen Typik sich handelt, erhellt allein aus der Gepflogenheit der Doppeltitel. Es lohnte wohl der Mühe, nachzuforschen, warum nur Lohenstein nichts von ihr weiß. Von solchen Titeln geht der eine auf die Sache, der andere auf das Allegorische daran. In Anlehnung an mittelalterlichen Sprachgebrauch erscheint das allegorische Gebilde triumphierend. »Wie nun Catharine den sieg der heiligen liebe über den tod vorhin gewiesen, so zeigen diese den triumph oder das sieges-gepränge des todes über die irdische liebe«,708 heißt es in der Inhaltsangabe von »Cardenio und Celinde«. »Der Hauptzweck dieses Hirtenspieles«, bemerkt Hallmann zu »Adonis und Rosibella«, »ist die Sinnreiche und über den Todt triumphierende Liebe.«709 »Obsiegende Tugend« übertitelt Haugwitz den »Soliman«. Die neuere Mode dieser Ausdrucksform kam aus Italien, wo die trionfi in den Prozessionen herrschten. Die eindrucksvolle Übersetzung der »Trionfi«,710 die 1643 in Köthen erschien, mag für die Geltung dieses Schemas förderlich gewesen sein. Von jeher war Italien, das Ursprungsland der Emblematik, in diesen Dingen tonangebend gewesen. Oder wie Hallmann sagt: »Die Italiäner gleich wie sie in allen Erfindungen excelliren: also haben sie nichts weniger in Emblematischer Entschattung« der »Menschlichen Unglückseeligkeit … ihre Kunst erwiesen.«711 Nicht selten ist die Rede in den Dialogen nur die an allegorischen Konstellationen, in welchen die Figuren zueinander sich befinden, hervorgezauberte Unterschrift. Kurz: die Sentenz erklärt das Szenenbild als seine Unterschrift für allegorisch. In diesem Sinne können denn Sentenzen sehr passend »schöne eingemengte Sprüche«712 heißen, wie Klai in der Vorrede des Herodesdramas sie nennt. Bestimmte Weisungen sind noch von Scaliger her für ihre Anordnung im Umlauf. »Die Lehr- und Dancksprüche (lies: Denksprüche) sind gleichsam des Trauerspiels Grundseulen; Solche aber müssen nicht von Dienern und geringen Leuten/ sondern von den fürnemsten und ältsten Personen angeführet … werden.«713 Aber nicht nur eigentlich emblematische Aussprüche,714 sondern ganze Reden klingen hin und wieder, als stünden sie von Haus aus unter einem allegorischen Kupfer. So die Eingangsverse des Helden im »Papinian«. »Wer über alle steigt und von der stoltzen höh | Der reichen ehre schaut, wie schlecht der pövel geh, | Wie unter ihm ein reich in lichten flammen krache, | Wie dort der wellen schaum sich in die felder mache | Und hier der himmel zorn, mit blitz und knall vermischt, | In thürm und tempel fahr, und was die nacht erfrischt, | Der heiße tag verbrenn, und seine sieges-zeichen | Sieht hier und dar verschränckt mit vielmahl tausend leichen, | Hat wol (ich geb es nach) viel über die gemein. | Ach! aber ach! wie leicht nimmt ihn der schwindel ein.«715 Was in barocker Malerei der Lichteffekt, ist hier Sentenz: grell blitzt sie in dem Dunkel allegorischer Verschlingung auf. Wiederum schwingt sich eine Brücke zu älterem Ausdruck hinüber. Wenn Wilken in seiner Schrift »Über die kritische Behandlung der geistlichen Spiele« die Rollen solcher Spiele mit Spruchbändern, die »auf alten gemälden zu den bildern der personen, denen sie aus dem Munde gehen … beigefügt sind«.716 verglichen hat, so kann das gleiche von vielen Stellen der Trauerspieltexte gelten. »Uns stört es«, konnte vor fünfundzwanzig Jahren R. M. Meyer noch schreiben, »wenn auf den Gemälden alter Meister den Figuren Spruchbänder aus dem Munde hingen … und wir schaudern fast bei der Vorstellung, daß einmal jegliche von Künstlerhänden gefertigte Gestalt gleichsam ein solches Band im Munde trug, das der Beschauer lesen sollte wie einen Brief, um den Boten dann wieder zu vergessen. Dennoch dürfen wir … nicht übersehen: daß dieser fast kindlichen Auffassung des Einzelnen eine großartige Gesamtauffassung zu Grunde lag.«717 Freilich wird deren kritische Betrachtung aus dem Stegreif sie nicht nur halbherzig beschönigen sondern auch von ihrem Verständnis sich so weit entfernen müssen, wie der Verfasser es mit der Erklärung tut, aus der »Urzeit« da »alles belebt« war, sei diese Anschauungsweise herzuleiten. Vielmehr – und das wird darzulegen sein – ist im Verhältnis zum Symbol die abendländische Allegorie ein spätes, auf sehr prägnanten kulturellen Auseinandersetzungen beruhendes Gebilde. Dem Spruchband ist die allegorische Sentenz vergleichbar. Und wieder anders ließe sie als Rahmen, als obligater Ausschnitt sich bezeichnen, in den die Handlung, stets verändert, stoßweise einrückt, um sich als emblematisches Süjet darin zu zeigen. Was