H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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Название H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор произведения Herbert George Wells
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962813628



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hat­ten wie mein Bru­der nun die Ab­sicht, eine öst­li­che Rich­tung ein­zu­schla­gen, und ei­ni­ge ganz Verzwei­fel­te gin­gen so­gar nach Lon­don zu­rück, um sich Nah­rung zu ho­len. Das wa­ren haupt­säch­lich Leu­te aus den nörd­li­chen Vo­r­or­ten, de­ren Kennt­nis­se über den schwar­zen Rauch nur vom Hö­ren­sa­gen stamm­ten. Mein Bru­der er­fuhr, dass etwa die Hälf­te der Mit­glie­der der Re­gie­rung sich in Bir­ming­ham ver­sam­melt hat­te und dass un­ge­heu­re Men­gen star­ker Spreng­stof­fe vor­be­rei­tet wur­den, um für selbst­tä­ti­ge Mi­nen in den Bin­nen­graf­schaf­ten ver­wen­det zu wer­den.

      Zur glei­chen Zeit hör­te mein Bru­der, dass die Mid­land Rail­way Com­pa­ny die im ers­ten Schre­cken auf­ge­ge­be­ne Stre­cke wie­der dem Ver­kehr über­ge­ben hat­te und von St. Al­bans nach Nor­den ge­hen­de Züge ab­ge­hen ließ, um in den be­ängs­ti­gend über­füll­ten Nach­bar­graf­schaf­ten Lon­d­ons et­was Luft zu schaf­fen. Fer­ner wur­den in Chip­ping On­gar Be­kannt­ma­chun­gen er­las­sen, da­hin lau­tend, dass in den Nord­städ­ten große Vor­rä­te von Mehl zur Ver­fü­gung stün­den, und dass bin­nen vier­und­zwan­zig Stun­den un­ter die hun­ger­lei­den­de Be­völ­ke­rung der Nach­bar­schaft Brot ver­teilt wer­den wür­de. Die­se Nach­richt aber hielt mei­nen Bru­der nicht von der Aus­füh­rung des Flucht- pla­nes ab, den er er­son­nen hat­te; und die drei Leu­te dräng­ten den gan­zen Tag lang un­auf­halt­sam in öst­li­cher Rich­tung vor­wärts und er­leb­ten von je­ner Brot­ver­tei­lung nicht mehr als eben ihre Ver­hei­ßung. Tat­sa­che ist, dass auch nie­mand an­de­rer mehr da­von er­leb­te. In die­ser Nacht ging der sie­ben­te Stern nie­der und fiel auf den Prim­ro­se-Hü­gel. Er ging nie­der, wäh­rend Fräu­lein El­phin­sto­ne Wa­che hielt, denn sie un­ter­zog sich ab­wech­selnd mit mei­nem Bru­der die­ser Pf­licht. Auch sie sah den Stern.

      Am Mitt­woch er­reich­ten die drei Flücht­lin­ge, wel­che die Nacht auf ei­nem Feld un­rei­fen Wei­zens ver­bracht hat­ten, Chelms­ford; hier be­mäch­tig­te sich eine Grup­pe von Be­woh­nern, wel­che sich »Öf­fent­li­cher Un­ter­stüt­zungs­aus­schuss« nann­te, des Po­nys als ei­nes Nah­rungs­mit­tels und woll­te nichts als Ent­gelt da­für ge­ben, als das Ver­spre­chen, die Be­sit­zer am nächs­ten Tage an sei­ner Ver­zeh­rung teil­neh­men zu las­sen. Hier wa­ren Gerüch­te im Um­lauf, dass die Mars­leu­te in Ep­ping sei­en; auch er­fuhr man, dass die Pul­ver­müh­len von Wal­tham-Ab­bey wäh­rend des frucht­lo­sen Ver­su­ches, einen der Ein­dring­lin­ge in die Luft zu spren­gen, zer­stört wor­den sei­en.

      Die Leu­te späh­ten hier von den Kirchtür­men nach den Mars­leu­ten aus. Mein Bru­der zog es vor — wie es sich spä­ter her­aus­stell­te zu sei­nem Glück — so­fort nach der Küs­te auf­zu­bre­chen, statt auf Nah­rung zu war­ten, ob­wohl sie alle drei sehr hung­rig wa­ren. Um die Mit­tags­stun­de ka­men sie durch Til­ling­ham, das selt­sam ge­nug ganz still und ver­ödet schi­en, bis auf ei­ni­ge die­bi­sche Plün­de­rer, die nach Nah­rungs­mit­teln such­ten. In der Nähe von Til­ling­ham er­blick­ten sie plötz­lich das Meer und zu­gleich die er­staun­lichs­te An­samm­lung von Fahr­zeu­gen al­ler Art, die man sich nur vor­stel­len konn­te.

      Un­ge­fähr zwei Mei­len drau­ßen lag ein Pan­zer­schiff so tief im Was­ser, dass es den Au­gen mei­nes Bru­ders fast wie ein halb­ver­senk­tes Schiff schi­en. Das war das Ramm­boot »Thun­der Child« Es war das ein­zi­ge Kriegs­schiff in Sicht; aber in wei­ter Fer­ne lag auf dem glat­ten Spie­gel der See — an je­nem Tage herrsch­te To­ten­stil­le — eine Schlan­ge schwar­zen Rau­ches, wel­che die nächs­ten Pan­zer­schif­fe der Kanal­flot­te an­zeig­te, die in ei­ner weit ge­dehn­ten Li­nie auf- und ab­kreuz­ten; sie fuh­ren wäh­rend des Ein­fal­les der Mars­leu­te mit vol­lem Dampf und klar zum Ge­fecht längs der Them­se­mün­dung, kampf­be­reit und doch macht­los ein­zu­grei­fen.

      Beim An­blick des Mee­res wur­de Frau El­phin­sto­ne trotz der Zu­re­den ih­rer Schwä­ge­rin von heil­lo­sem Schre­cken über­wäl­tigt. Sie war nie noch aus Eng­land hin­aus­ge­kom­men, und er­klär­te lie­ber ster­ben zu wol­len, als sich ohne Freun­de ei­nem frem­den Land an­zu­ver­trau­en, und so fort. Die Ärms­te schi­en sich vor­zu­stel­len, dass die Fran­zo­sen und die Mars­leu­te sehr ähn­lich sein wür­den. Sie war wäh­rend der zwei Rei­se­ta­ge im­mer hys­te­ri­scher, er­schreck­ter und nie­der­ge­schla­ge­ner ge­wor­den. Ihre fixe Idee war, nach Stan­mo­re zu­rück­zu­keh­ren. In Stan­mo­re sei im­mer al­les gut und si­cher vor sich ge­gan­gen. In Stan­mo­re wür­den sie Ge­or­ge wie­der­fin­den…

      Nur mit den größ­ten Schwie­rig­kei­ten ge­lang es ih­nen, sie zum Ufer hin­ab zu brin­gen, wo es mei­nem Bru­der glück­te, die Auf­merk­sam­keit ei­ni­ger Leu­te auf ei­nem Rad­damp­fer, der auf der Them­se fuhr, auf sich zu len­ken. Der Damp­fer schick­te ein Boot und bald wur­de man han­dels­eins: sechs­und­drei­ßig Pfund für alle drei. Das Schiff ging, wie die Leu­te ih­nen mit­teil­ten, nach Os­ten­de.

      Es war etwa zwei Uhr ge­wor­den, bis mein Bru­der, der vor dem Be­tre­ten des Schif­fes noch das Fahr­geld be­zahlt hat­te, sich mit sei­nen Schütz­lin­gen si­cher an Bord des Damp­fers be­fand. Im Schiff gab es Ess­wa­ren ge­nug, wenn auch zu ganz aben­teu­er­li­chen Prei­sen. Und so ge­lang es den drei Per­so­nen, auf den Vor­der­sit­zen eine Mahl­zeit ein­zu­neh­men.

      Es wa­ren be­reits etwa vier­zig Per­so­nen an Bord, von de­nen ei­ni­ge ih­ren letz­ten Gro­schen weg­ge­ge­ben hat­ten, um sich die Über­fahrt zu si­chern. Aber der Ka­pi­tän blieb beim Black­wa­ter bis fünf Uhr Nach­mit­tag ste­hen und nahm un­aus­ge­setzt Pas­sa­gie­re auf, bis das Ver­deck be­ängs­ti­gend voll war. Er hät­te wohl noch län­ger ge­zö­gert, hät­te man nicht um jene Stun­de vom Sü­den her den Schall von Ge­schütz­feu­er ver­nom­men. Gleich­sam zur Ant­wort feu­er­te das see­wärts lie­gen­de Pan­zer­schiff ein klei­nes Ge­schütz ab und hiss­te sei­ne Flag­ge. Ein Rauch­strahl schoss aus sei­nem Schorn­stein.

      Ei­ni­ge Rei­sen­de wa­ren der Mei­nung, dass der Ge­schütz­lärm aus der Ge­gend von Sho­ebu­ry­ness kom­me, bis man be­merk­te, dass er im­mer stär­ker wur­de. Gleich­zei­tig tauch­ten süd­öst­lich in wei­ter Fer­ne die Mas­ten und das Ta­kel­werk drei­er Pan­zer­schif­fe, ei­nes nach dem an­de­ren, aus dem Mee­re auf, un­ter Wol­ken