Название | H. G. Wells – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Herbert George Wells |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962813628 |
Die Kirchenglocken läuteten zum Abendsegen, und eine Abteilung von Mädchen der Heils-Armee kam singend die Waterloostraße herab. Bei der Brücke beobachtete eure Anzahl Müßiggänger einen sonderbaren braunen Schaum, der stellenweise sichtbar den Strom hinabtrieb. Die Sonne versank eben, und der Uhrturm und die Häuser des Parlaments erhoben sich gegen einen Abendhimmel, den man sich kaum friedlicher vorstellen konnte, einen goldenen Himmel, unterbrochen von langen Querstreifen rötlichbrauner Wolken. Es ging die Rede von einem schwimmenden Leichnam. Einer der Männer, ein Reservist, wie er sagte, erzählte meinem Bruder, er habe im Westen den Heliografen aufblitzen gesehen.
In der Wellingtonstraße begegnete mein Bruder einem Paar stämmiger Bengel, die eben mit noch feuchten Zeitungsblättern und auffallenden Plakaten aus der Fleetstreet stürmten. »Furchtbare Katastrophe!«, brüllten sie, einer den anderen überschreiend. »Kämpfe in Weybridge! Ausführliche Beschreibung! Flucht der Marsleute! London in Gefahr!« Mein Bruder musste ihnen drei Pence für eine Nummer des Blattes geben.
Damals geschah es, damals erst, dass er sich einen Begriff von der vollen Gewalt und der Furchtbarkeit jener Ungeheuer machte. Er erfuhr, dass sie nicht bloß eine Handvoll kleiner plumper Geschöpfe waren, sondern geistig hochstehende Wesen, die riesige mechanische Körper lenkten, die sich blitzschnell bewegen und mit solcher Kraft ihre Opfer treffen konnten, dass selbst die mächtigsten Geschütze ihnen nicht standzuhalten vermochten.
Sie wurden geschildert als »ungeheure spinnenartige Maschinen, fast hundert Fuß hoch, fähig, sich mit der Schnelligkeit von Eilzügen vorwärtszubewegen, und imstande, Strahlen von unermesslicher Hitze abzufeuern.« Verborgene Batterien, hauptsächlich aus Feldgeschützen bestehend, wären in der Umgebung der Horsell-Weide aufgepflanzt worden, besonders zwischen dem Bezirk Woking und London. Man hätte fünf Maschinen gesehen, wie sie sich der Themse näherten, und eine wäre durch eine Laune des Zufalls zerstört worden. In allen anderen Fällen wären die Geschosse fehlgegangen, und die Batterien von den Hitzestrahlen sofort vernichtet worden. Schwere Verluste von Soldaten wurden gemeldet, aber der Ton des Berichtes war hoffnungsvoll.
Die Marsleute wären zurückgeschlagen worden; sie wären nicht unverwundbar. Sie hätten sich wieder in ihr Zylinderdreieck im Kreise von Woking zurückgezogen. Brave Leute, die heliografische Zeichen gaben, näherten sich ihnen unausgesetzt von allen Seiten. Mit reißender Schnelligkeit würden von Windsor, Portsmouth, Aldershot, Woolwich, selbst aus dem Norden Geschütze an Ort und Stelle geschafft; unter anderem lange gezogene Geschütze von fünfundneunzig Tonnen ans Woolwich. Alles in allem würden hundertundsechzehn aufgestellt oder hastig vorbereitet werden, hauptsächlich zum Schutz Londons. Niemals vorher hätte in England ein so ungeheures oder schleuniges Aufgebot von kriegerischer Macht stattgefunden.
Jeder in Zukunft niederfallende Zylinder würde, so hoffte mein, durch starke Sprenggeschosse sofort zerstört werden, die schleunigst hergestellt und verteilt werden sollten. Ohne Zweifel, fuhr der Bericht fort, könne die Lage nicht sonderbarer und ernster sein, aber die Öffentlichkeit sei hiermit ermahnt, Paniken zu meiden und zu verhindern. Ohne Zweifel seien die Marsleute äußerst seltsame und erschreckende Geschöpfe, aber im schlimmsten Fall gäbe es nicht mehr als zwanzig gegen unsere Millionen.
Die Behörden hätten guten Grund aus dem Umfang der Zylinder zu schließen, dass im äußersten Fall nicht mehr als fünf in jedem Zylinder stecken könnten — zusammen also fünfzehn. Und einer wenigstens sei schon abgetan — vielleicht schon mehr. Die Öffentlichkeit sei schon genügend vor der drohenden Gefahr gewarnt worden; und die umfangreichsten Vorsichtsmaßregeln seien getroffen worden, um die Bevölkerung der bedrohten südwestlichen Vororte zu schützen. Und mit wiederholten Beteuerungen in Bezug auf die Sicherheit Londons und in festem Vertrauen darauf, dass die Behörden ihrer schweren Aufgabe gewachsen seien, schloss diese Quasi-Proklamation.
Das alles war in riesigen Buchstaben gedruckt, so frisch, dass das Papier noch feucht war, und es war nicht Zeit gewesen, ein Wort der Erklärung hinzuzufügen. Es war merkwürdig, erzählte mein Bruder, zu sehen, wie rücksichtslos der übrige Inhalt des Blattes verstümmelt und beseitigt wurde, um für diese Mitteilungen Raum zu schaffen.
Die ganze Wellingtonstraße entlang konnte man die Leute sehen, wie sie diese blassroten Blätter auseinanderfalteten und lasen; und der Strand1 war plötzlich erfüllt von den lärmenden Stimmen eines Heeres von Zeitungverkäufern, die jenen Pionieren auf dem Fuße folgten. Die Leute kletterten von den Stellwagen herab, um sich Blätter zu sichern. Diese Nachrichten erregten die Menge natürlich aufs Äußerste, so groß ihr früherer Gleichmut auch war. Die Tür eines Landkartenladens am Strand wurde aufgeschlossen, erzählte mein Bruder, und hinter dem Fenster wurde ein Mann in seinem Sonntagsstaat mit zitronengelben Handschuhen sichtbar, wie er Karten von Surrey hastig an das Glas befestigte.
Als er, die Zeitung in seiner Hand, den Strand entlang zum Trafalgar-Platz kam, sah mein Bruder einige Flüchtlinge aus West-Surrey. Ein Mann mit seinem Weib, zwei Knaben und einigen Einrichtungsstücken führten einen Karren, wie ihn Gemüsehändler benützen. Er kam aus Richtung der Westminster Bridge, und dicht hinter ihm kam ein Heuwagen mit fünf oder sechs anständig aussehenden Leuten darauf, und einigen Koffern und Bündeln. Die Gesichter dieser Leute waren eingefallen, und ihre ganze Erscheinung stand in auffallendem Gegensatz zu dem sonntägig geschmückten Äußeren der Leute in den Stellwagen. Modisch gekleidete Menschen blickten neugierig aus ihren Mietwagen auf die Flüchtlinge. Diese machten auf dem Platz Halt, wie unschlüssig, welchen Weg sie einschlagen