KHAOS. Lin Rina

Читать онлайн.
Название KHAOS
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959914208



Скачать книгу

das außer mir noch jemand bemerkt hatte. Boz erläuterte Vento und Jet gerade seinen Plan und Cobal war zu beschäftigt damit, Ares weiterhin misstrauisch zu mustern. Niemand hatte es gesehen.

      »Eins und zwei. Ihr folgt mir!«, befahl Boz, reckte triumphierend die Hand in die Luft und stolzierte wie ein Gaq’krl-Gockel auf die Tür zu.

      Ares und Khaos marschierten ihm hinterher. Ihre Schritte wirkten zwar auf mich zu aufgesetzt, aber niemandem sonst schien das aufzufallen und auch Vento und Jet gingen.

      Ich sah ihnen hinterher, beobachtete Khaos’ Seele so lange, bis es für meinen schmerzenden Kopf zu anstrengend wurde und riss mich dann zusammen. Khaos war nicht aufgeregt oder ängstlich gewesen, im Gegenteil, es machte ihn schon beinahe euphorisch, sich in so ein Abenteuer zu stürzen. Es gefiel ihm, mit der Gefahr Auge in Auge zu stehen und sich ihr doch überlegen zu fühlen.

      Ich machte mir einfach nur Sorgen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Boz nach einem Überfall auf die Wüstenclans mit weniger Männern zurückkam, als er aufgebrochen war.

      Khaos und Ares schienen davon überzeugt zu sein, dass sie wussten, was sie taten. Doch mein Herz schlug mir bis zum Hals und auch wenn wir uns noch nicht besonders lang kannten, wusste ich nicht, wie ich mich aufrecht halten sollte, wenn Khaos nicht wieder zurückkehrte. Er hatte mein Inneres total auf den Kopf gestellt und ich war noch nicht bereit, das so einfach wieder aufzugeben.

      Cobals gelbe Augen musterten mich eingehend, als ich mich am Rand der Liege hochzog und mich auf die Fläche legte, auf der gerade noch Khaos gelegen hatte. Auch wenn sie längst ausgekühlt war, bildete ich mir ein, so etwas wie eine Verbindung zu spüren und schloss für einen Moment die Augen.

      »Bist du okay?«, erkundigte sich Cobal. »Der Schlag war ganz schön heftig.«

      »Ich werde es überleben«, wisperte ich, drehte mich mühsam auf die Seite, weg von Cobal.

      Seine Seele war anders als die humanoider Spezies. Sie hatte eine andere Beschaffenheit, machte andere Bewegungen und zeigte Gefühle auf eine sehr andersartige Weise. Es war für mich schwerer, ihn zu durchschauen, da ich die Gefühle nicht so wahrnehmen konnte, als wenn es meine eigenen wären.

      Doch ich kannte ihn schon eine ganze Weile und ich wusste, dass etwas an ihm nagte. Er traute dem Frieden nicht und sein Misstrauen war viel hartnäckiger als das von Boz.

      »Ich gehe und behalte die beiden im Auge«, raunte er mir zum Abschied zu und verschwand.

      Die Ruhe, die er zurückließ, drückte mir auf meinen geschundenen Kopf. Ich starrte so lange die gezackten Risse in der Decke an, die seit dem letzten Erdbeben besorgniserregend tief geworden waren, bis ich den Druck nicht mehr aushielt.

      Mühsam richtete ich mich wieder auf und holte mir einen Becher voll Wasser. In dem gebrochenen Spiegel über dem Waschbecken betrachtete ich meinen feuerroten Wangenknochen, der sich bereits zu verfärben begann. Das würde ein fieser Bluterguss werden. Doch wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann hatte ich schon schlimmere gehabt.

      Wenigstens war dies ein sichtbarer Beweis, dass es Khaos wirklich gab und ich ihn mir nicht nur eingebildet hatte.

      Ich betrachtete mich noch eine Weile selbst, holte mir dann eine kühle Kompresse aus der winzigen Kühlkammer neben dem Arzneimittelschrank und suchte mir das Gel gegen Schwellungen aus den unteren Regalen.

      Danach zog ich mich in mein Loch in der Wand zurück.

      Obwohl mein Körper völlig fertig und übermüdet war, konnte ich meine Gedanken schon wieder nicht abstellen. Immer schob sich Khaos’ Gesicht vor mein inneres Auge. Mein Herz schlug schneller, mein Magen kribbelte. Mein Gesicht schmerzte noch mehr, seit es unter Kälteeinwirkung stand.

      Ich schloss die Augen, erinnerte mich an seine Hand, die ganz leicht meine gestreift hatte, und gestand mir schlussendlich ein, dass ich mir wünschte, er wäre schon wieder zurück und ich nicht mehr so einsam.

      11

      Neunzehn Kapseln

      Ich schob mir ein Stück gezuckerte Mandarine aus der Dose zwischen die Zähne und legte den Kopf schräg. Bäuchlings lag ich auf einer der Kryokapseln und sah mir eine junge Frau an, deren Haar mich ungemein faszinierte. Es war lang und feuerrot. Die Person, die sie eingefroren hatte, musste eine ähnliche Faszination für diese Haare verspürt haben, denn sie waren kunstvoll um ihren Kopf drapiert und brachten so ihre langen Wimpern, die glatten Wangen und die vollen Lippen zur Geltung.

      Sie war nicht die Erste, die ich mir heute ansah. Ich hatte den Krebstrolley benutzt und die Kapseln, die die Männer gestapelt hatten, auf der einen Seite des Raumes verteilt. Ich war von Kapsel zu Kapsel gegangen, hatte mit einem Stück Tuch die Scheiben sauber gewischt und sie mir alle angesehen.

      Die Nacht war hereingebrochen, als ich erwacht war, und ich hatte mich hinuntergeschlichen, um mir unauffällig etwas zu essen zu holen. Zwischen all den Männern, die sich zur späten Stunde bedienten und sich für das bevorstehende Gemetzel in der Wüste bereit machten, war ich gar nicht weiter aufgefallen. Die meisten hatten nur den Angriff im Kopf, von Sorge bis Blutdurst war alles dabei, und ich versuchte, so wenig Leuten wie möglich in die Augen oder Seelen zu blicken. Ich überflog sie nur grob, hielt Ausschau nach akutem Gewaltdrang und füllte mir meine Schüssel mit Essen.

      Ich hatte keine Ahnung, was der dampfende Brei eigentlich war, den ich vor mir hatte, aber als oberste Regel beim Essen galt, dass du es gar nicht wissen wolltest! Und daran hielt ich mich, genau wie alle anderen.

      Khaos’ Seele zog mich wieder magnetisch an und meine Augen fanden ihn nur wenige Sekunden später. Er war die Ruhe selbst, behielt unauffällig den Überblick und löffelte aus einer Schüssel, die in seinen Händen viel kleiner aussah als in meinen. Er ekelte sich ein wenig vor dem Inhalt, verzog allerdings keine Miene. Man hatte ihm sicher befohlen zu essen und ich musste mir ein Lächeln verkneifen. Die anderen hielten alle einen gewissen Abstand zu Khaos und Ares, ihr Teil des Tisches war bis auf die beiden unbesetzt.

      Seufzend wandte ich mich ab und verschwand zurück in meine Krankenstation. Ich war wirklich in Versuchung gewesen, mich zu ihm zu setzen, doch das hätte zu viel Aufmerksamkeit erzeugt, und ich musste Boz ja nicht noch mit der Nase daraufstoßen, dass wir uns womöglich verschworen hatten.

      Also lief ich schweren Herzens zurück, aß brav mein Essen auf und wartete dann darauf, dass die anderen sich bereit machten, während ich die Zeit mit allen möglichen Kleinigkeiten füllte. Die Spannung stieg und ich wusste, dass sie ihren Höhepunkt erreichen würde, kurz bevor die Männer aufbrachen.

      Ich versuchte mir nicht vorzustellen, was sie in der Wüste erwartete.

      Ich selbst war noch nie draußen gewesen. Auch wenn man mir oft gesagt hatte, es wäre nicht einmal ein Bruchteil der Erde, von der meine Spezies stammte, erschien mir die Welt so wahnsinnig riesig. Es machte mir Angst, ohne den Schutz von Wänden und Türen zu sein.

      Am Tag war es in der ewigen Wüste sengend heiß und Stürme peitschten einem den Sand um die Ohren, sodass man noch Wochen später Körnchen in jeder noch so kleinen Körperöffnung finden konnte. Die Nächte waren dagegen bitterkalt und so still, dass man nicht zu sprechen wagte.

      Doch heute Nacht würde die Stille dort draußen zerbrechen wie splitterndes Eis. Und es würde Tote geben. Ich konnte nur hier sitzen und darauf warten, dass es geschah.

      Ich würde mich ablenken so gut es ging, denn so oder so spürte ich es, wenn Seelen auf diesem Planeten erloschen.

      Und jetzt lag ich hier, starrte in schlafende Seelen und versuchte zu verstehen, wie die Menschen waren, die ich hier vor mir hatte und die ich zweifellos früher oder später aufwecken würde.

      Ich wusste jetzt schon, dass ich alles tun würde, um was Khaos mich bat. Töricht vielleicht, aber ich