Germanias Vermächtnis. Swen Ennullat

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Название Germanias Vermächtnis
Автор произведения Swen Ennullat
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783954626335



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      „Dann sollten Sie wenigstens eine Schutzweste tragen! Wir haben welche im Kofferraum!“, forderte ihn Levitt auf.

      Torbens Antwort bestand nur aus zwei Worten: „Zu spät!“ Noch während er diese aussprach, entriegelte er die Tür, trat auf die Straße und ließ Julia mit zwei derb fluchenden Mossad-Agenten hinter sich zurück.

      Margot hielt einen Strauß weißer Dahlien in der Hand und betrat mit ihrem Fahrer, einem circa einen Meter neunzig großen, athletisch wirkenden Mann mit dunklem Teint und nach hinten gegeltem Haar, den Friedhof. Torbens Abstand zu ihr betrug weniger als dreißig Meter und er folgte ihr zügig, um die Entfernung nicht noch größer werden zu lassen. Als er sah, wie sie einen kleinen Weg auf der rechten Seite einschlug, der unter einigen alten und schattenspendenden Platanen hindurchführte, beschleunigte er seine Schritte noch mehr. Links und rechts des Pfades reihten sich moderne Grabsteine genauso wie verwitterte Putten und brüchige Steinkreuze, aber nichts davon konnte jetzt sein Interesse wecken oder ablenken. Er wollte nur noch eines: Margot stellen und dazu zwingen, ihm seine Fragen zu beantworten. Und je näher er diesem Ziel kam, umso mehr Adrenalin strömte durch seine Adern.

      Das Knirschen des Sandes unter seinen Füßen, das seinen schnellen Schritt verriet, erregte wenig später die Aufmerksamkeit von Margots Begleiter. Er drehte sich zu ihm um, aber Torben war bereits zu nah und drängte einfach an ihm vorbei. Bevor der Leibwächter reagieren oder etwas sagen konnte, umrundete er auch Margot und stellte sich der sichtlich überraschten Priesterin in den Weg und begrüßte sie mit einem: „So schnell sieht man sich wieder!“

      Der Bodyguard wollte Margot sofort von Torben wegziehen, aber seine Schutzperson überwand sehr schnell ihren ersten Schock, erhob die Hand und sagte: „Schon gut, Tim! Ich kenne diesen Mann!“

      Der so Angesprochene schien trotzdem unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Er musterte Torben offen feindselig und antwortete: „Madam, wollen Sie wirklich mit ihm reden? Ich könnte …“

      „Nein, nein, es ist schon gut! Es ist ein alter Bekannter, den ich lange nicht gesehen habe. Ich war nur etwas überrascht, ihn hier anzutreffen. Wir werden ein Stück gemeinsam gehen, um uns ungestört zu unterhalten. Sie können uns ja mit etwas Abstand folgen.“ Widerwillig nickte Tim und zog sich einige Meter zurück. Aus den Augenwinkeln heraus sah Torben, wie er aus der Innentasche seines Jacketts ein Handy zog und eine Nummer wählte.

      Margot ergriff Torbens Arm und zog ihn weg. Sie sagte mit einem Seufzen: „Zwar wüsste ich gerne, wie Sie mich gefunden haben, aber für die Beantwortung dieser Frage wird keine Zeit bleiben.“ Sie deutete mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung ihres Kopfes in Tims Richtung und sprach weiter: „Er wird die anderen informieren. Wir müssen uns also beeilen.“

      Während des Gehens musterte sie von der Seite kurz sein Gesicht. „Das erinnert mich an unsere letzte Begegnung. Offenbar haben wir nie viel Zeit für unsere Gespräche.“ Sie lächelte. „Es ist schön, dass Sie noch am Leben sind!“

      „Das habe ich nicht dem Orden zu verdanken!“, knurrte Torben wenig charmant zurück. Die fast schon liebenswürdige Reaktion seiner Kontrahentin irritierte ihn, sorgte jedoch dafür, dass sich seine Nerven etwas beruhigten und seine Anspannung von ihm abfiel. Zumindest war sie bereit, mit ihm zu sprechen.

      Derweil nickte Margot und führte ihn weiter. „Ich kann Sie verstehen. Dann lassen Sie es mich so formulieren: Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal begegnen würden, aber ich freue mich umso mehr, Sie zu sehen!“

      Wie zur Bekräftigung ihrer Aussage spürte Torben, wie sich ihr Händedruck auf seinem Arm kurz verstärkte.

      „Sie freuen sich? Tatsächlich? Das ist gut, denn Sie werden mir eine Menge Fragen beantworten müssen!“

      „Sie wissen, dass ich das nicht kann!“

      Torben blieb stehen und zwang Margot dadurch, das Gleiche zu tun. „Hören Sie endlich auf, an diesem Punkt waren wir doch bereits einmal! Seitdem habe ich eine Menge selbst herausbekommen! Ich weiß zum Beispiel von der Flucht der schwangeren Eva Braun aus dem eingeschlossenen Berlin! Mein Großvater hat dieses Entkommen erst möglich gemacht, nicht wahr? Ich habe eine Vermutung und möchte wissen, ob sie der Wahrheit entspricht!“ Er machte eine Pause, bevor er mit gedämpfter Stimme fragte: „Also, Meisterin Rema, die mit aller Macht meinen Tod wollte, bevor sie in diesem Bunker in Thüringen umkam, war sie die gemeinsame Tochter von Eva Braun und Adolf Hitler?“

      Margot ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. Torben wollte gerade noch eindringlicher nachfragen, als sie seine Vermutung doch noch mit einem kurzen Kopfnicken bestätigte und leise ergänzte: „Das werden Sie aber nie beweisen können!“

      „Wieder falsch! Sie werden es bezeugen! Mit Ihrer Aussage bringe ich den Orden zu Fall und jeden, der an dem Tod meiner Mutter und von Michael Anteil trägt! Man wird Sie alle verhaften!“, triumphierte Torben.

      „Glauben Sie wirklich, Sie könnten dem Orden drohen oder ihn gar zerschlagen? Haben Sie immer noch nichts über Die Gemeinschaft gelernt?“

      „Die Gemeinschaft? So nennen Sie sich also?“

      Margot nickte erneut. „Einige wenige, zu denen ich selbst zähle, sprechen meist nur von Der Gemeinschaft. Andere nennen den Orden auch Die Hüterinnen oder Die Bewahrerinnen. Letztendlich haben wir viele Namen.“ Sie setzte erneut zum Weiterlaufen an und zog ihn wieder mit sich.

      Torben wusste bereits, dass Margots Gemeinschaft von einem zwölfköpfigen Ältestenrat namens Die Oberen geführt wurde, dem die Meisterin aufgrund ihrer herausragenden Stellung selbst angehörte.

      Er ging weiter und bemerkte, dass der hinter ihnen befindliche Tim zwar nicht mehr telefonierte, sie aber keinen Moment aus den Augen ließ. Torben würde also weiterhin ganz genau aufpassen müssen, was um ihn herum passierte. Verstärkung, sollte sie denn gerufen worden sein, wäre aber sicherlich nicht innerhalb von wenigen Minuten hier. Außerdem gäbe es dann noch Levitt und Mosche, die ihm sicherlich zu Hilfe eilen würden.

      Und so ging er langsam mit der Meisterin, als wären sie enge Verwandte oder gute Bekannte, die sich bei einem schweren Gang gegenseitig stützten, durch die schmale Allee in Richtung einer kleinen, vom Sonnenlicht hell erleuchteten Lichtung, die von einer Ginsterhecke umgeben wurde. Als sie die Wiese betraten, blieb die Meisterin nach einigen Schritten stehen und legte vorsichtig die Dahlien ab. Sie senkte kurz den Kopf und flüsterte: „Hilde, ich bin hier und ich habe deinen Neffen mitgebracht!“

      Torben zögerte. Hier war also die Asche seiner Tante beigesetzt worden. Er war etwas durcheinander und wusste in diesem Moment nicht, was er sagen sollte. Obwohl er damit hätte rechnen müssen, in genau so eine Situation zu geraten, fehlten ihm schlichtweg die Worte.

      Dafür setzte Margot das Gespräch fort: „Ich wusste, dass ein gewisses Risiko bestand, heute hier zu erscheinen. Aber in den letzten acht Jahren war ich an jedem ihrer Todestage hier und nichts in der Welt hätte mich davon abhalten können, auch heute herzukommen.“

      Ein Windstoß fuhr ihr durch die Haare, und sie schloss kurz die Augen, als verbinde sie dies mit einer alten Erinnerung.

      Als sie Torben wieder ansah, lächelte sie und erzählte weiter: „Sie müssen wissen, Hilde und ich, wir liebten beide die Nordsee. Dieser regelmäßige Wechsel von Ebbe und Flut, diese unbändige Kraft; Zeiträume, in denen man Dinge sehen kann, die kurz darauf wieder unter der Oberfläche für alle Blicke verborgen sind.

      Es war wie mit uns. Gefühle, die wir sonst vor aller Welt versteckten, konnten wir hier zumindest teilweise ausleben. Wir haben unsere schönsten gemeinsamen Stunden an diesem Ort verbracht.“

      Margot blinzelte kurz in die Sonne, bevor sie weitersprach: „Auf Meldorf sind wir eher zufällig gestoßen. Der Orden war gerade nach dem Krieg sehr stark im Norden der Republik, besonders in der Region um Neustadt in Holstein. Die Kureinrichtungen boten sich regelrecht dafür an, dass die Anhänger der Gemeinschaft dort arbeiten und untertauchen konnten. Eine Zeitlang lebten wir auch dort. Alle Freunde und Bekannte, die wir damals hatten, zog es in ihrer Freizeit natürlich an die nahegelegene Ostseeküste,