Leopardenjagd. Edi Graf

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Название Leopardenjagd
Автор произведения Edi Graf
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839230480



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doch auch wieder alles um Männer drehen.«

      »Kann schon sein. Apropos: Du hast Clemens ja immer noch nicht kennengelernt!«

      »Deinen Neuen?« Linda zögerte. »Stimmt. Soll ja ziemlich gut aussehen.«

      Babs konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Wer hat dir das denn erzählt? Der übliche Flurfunk wahrscheinlich. Aber lassen wir das. Was ist jetzt mit dir? Wie soll das denn weitergehen?«

      Linda seufzte.

      »Ich hätte große Lust, nach Afrika zu fliegen und nach ihm zu suchen, aber Rob meinte, dass das nichts bringt. Ich könnte dort auch nicht mehr ausrichten als er.«

      »Ich bin jetzt erst mal froh, dass wir miteinander gesprochen haben«, meinte Babs.

      »Du hattest recht. Dieses Abschotten hat nichts gebracht. Es hat gut getan, alles mal loszuwerden. Jetzt weißt du Bescheid. Und ich muss versuchen, wieder in ein normales Leben zurückzufinden – was machen wir heute Abend?«, fragte Linda gespielt unternehmungslustig.

      »Ach, heute Abend ist ziemlich schlecht«, warf Babs ein, »Clemens ist seit zwei Tagen für die Bücherschau in Karlsruhe unterwegs und will heute Abend zurückkommen. Und heute Nachmittag hab ich noch einen Termin am See.«

      »Du fährst an den Bodensee?«, fragte Linda interessiert. »Wie kommt’s?«

      »’ne PK. Der Dossenberg hat mich gefragt.«

      »Unser neuer Redakteur?«

      »Genau. Ist eigentlich ganz nett. Ich hatte noch nicht viel mit ihm zu tun. Und du?«

      »Auch nicht. Ist mir außerdem ’ne Nummer zu groß.« Linda spielte auf die 1,92 Meter an, die Dossenberg dazu zwangen, vor jeder Tür im Sender den Kopf einzuziehen. »Und wieso an den See?«

      »Wegen dieser Baumleiche.«

      »Baumleiche?«

      »Ja. Hast du heute noch keine Nachrichten gehört?«

      »Nein. Keine Zeit gehabt.«

      »Man hat in Friedrichshafen einen Toten gefunden, ziemlich dubios, die Leiche lag auf einem Baum. Kein Mensch weiß, wie sie da hinaufgekommen ist, entweder ist der Tote da hinaufgeklettert, oder der Mörder war ein Affe!« Babs lachte über ihren Witz, doch Linda blieb ernst. »Wie bei ›Mord in der Rue Morgue‹ von Edgar Allan Poe!«, sagte Babs noch und bemerkte erst jetzt Lindas nachdenklichen Gesichtsausdruck.

      »Seltsam …« Ihre Stimme war zu einem Flüstern abgesenkt und ihr Blick ging hinaus zu den Platanen, deren Astwerk schon Blätter verlor. »Eine Leiche auf einem Baum.« Sie stellte sich den gekrümmten Körper eines Toten vor, wie er dort in der Krone einer Platane hing, drei Meter über dem Boden, von unsichtbaren Flügeln dorthin getragen …

      »Linda, hast du was?« Babs’ Frage holte sie in die Realität zurück.

      »Ja?«

      »Du hast eben so komisch reagiert. Ist was?«

      »Nein, nichts«, entgegnete sie. »Mir fiel nur gerade ein, dass mir Rob heute Morgen am Telefon was erzählt hat, von einem Toten im Tsavo. Der lag auch auf einem Baum. Vermutlich hat ihn ein Leopard …«, sie brach ab.

      »Könnte denn ein Leopard einen Menschen auf einen Baum schleppen?«

      »Oh ja. Leoparden machen das immer. Beute, die oft schwerer ist als sie selbst.«

      »Wann hat man die Leiche gefunden?«

      »Heute Nacht. Rob wusste nichts Näheres. Er hat im Radio davon gehört.«

      »Und der Tote? Was weiß man über ihn?«

      »Rob sagte, man hat ihn noch nicht identifiziert. Ein Weißer, hatte keine Papiere bei sich. Lag wohl auch schon ein paar Tage im Baum.«

      »Und der Leopard? Hatte er ihn schon …« Babs beendete den Satz nicht, zu grausam kam ihr der Gedanke vor.

      »Du meinst, ob er ihn schon angefressen hatte? Offensichtlich schon. Die Geschichte wird jetzt Tagesgespräch in den Touristenhotels sein, und jeder wird noch ein bisschen was dazudichten. Die Menschen sind schnell dabei, aus einem Raubtier einen Menschenfresser zu machen. Das hat’s in Kenya schon lange nicht mehr gegeben. Doch die ›Maneater von Tsavo‹ sind immer noch Legende.«

      »Aber das waren Löwen damals?«

      »Ja. Zwei alte Männchen. Haben die Bahnarbeiter gleich dutzendweise aus den Zugwaggons geholt, so wurde es jedenfalls überliefert. War um die Jahrhundertwende, als man die Bahnlinie von Mombasa nach Nairobi baute. Ein englischer Jäger namens Patterson hat die beiden Löwen dann zur Strecke gebracht. Wurde übrigens verfilmt die Geschichte, mit Michael Douglas, ein super Film. Ich hab ihn daheim auf Video.«

      »Das ist ja echt komisch …«

      »Was?«

      »Na ja, dass in Kenya fast dasselbe passiert wie am Bodensee. Ich meine, mit der Leiche auf dem Baum.«

      Babs zögerte. Ihr fiel ein, was Clemens gesagt hatte, als sie von Lindas Problemen sprachen. Die muss mal wieder raus, was anderes machen …

      »Was ist?«, fragte Linda.

      »Ich dachte nur, das schreit doch nach einer Recherche in beide Richtungen. Vielleicht möchtest du ja …?«

      »Ich? Aber Dossenberg hat doch dich beauftragt.«

      »Na und? Das wär’ doch endlich mal wieder ’ne spannende Recherche! Nicht bloß die Wirtschaftsstatistiken aus der Region und die Umfragen in der Tübinger Fußgängerzone: ›Was halten Sie vom Klimawandel …?‹. Ich finde, das kannst du ruhig wieder unseren Hospitanten überlassen. Wird Zeit, dass du mal wieder ein richtig gutes Thema anpackst!«

      Linda schwieg.

      »Was ist?«, fragte Babs, »hast du Lust?«

      »Du meinst, an den Bodensee?« Sie sah die blaue Wasseroberfläche vor sich, die barocke Fassade der Birnau inmitten herbstlich leuchtender Rebhänge, drüben im Dunst die Umrisse der Mainau, die Unteruhldinger Pfahlbauten, die Fähre, die von Meersburg nach Konstanz übersetzte und die Segler, die ihr immer einen Hauch von Urlaub und Süden vermittelten. Sie dachte an den Zeppelinflug, den sie vor wenigen Wochen dort gemacht hatte, und an ihr Abenteuer mit dem Luftschiff in Südafrika. Sie könnte vielleicht noch mal einen Flug buchen, diesmal die andere Route, über Wasserburg und Lindau Richtung Bregenzerwald. Ein Flug in die Berge, wie damals in den Felsschluchten der Luiperdskloof.

      Sie würde den See genießen, die alte Heimat wiedersehen, jetzt, wo die Touristenmassen ausblieben; endlich mal abschalten, ein, zwei Tage nur. Ja, dazu hatte sie Lust! Weg, weg von hier, fort aus Tübingen, wo sie so vieles an Alan Scott erinnerte, weil sie dort schon mal mit ihm gesessen hatte, hier mit ihm entlanggeschlendert war, er sie in ihrer Wohnung geküsst und in ihrem Bett geliebt hatte. Fort mit der verteufelten Erinnerung, weg mit der Illusion, das Leben neu beginnen. Und sie sagte: »Okay.«

      Babs sah sie groß an. Damit hatte sie nicht gerechnet, und sie freute sich über Lindas spontan gefassten Entschluss.

      »Du willst?«, fragte sie zur Vorsicht noch mal nach.

      »Ich will. Wann beginnt die PK?«

      »Heut Nachmittag um vier.«

      »Und wo?«

      »In Friedrichshafen. Kennst du das Polizeigebäude in der Ehlersstraße?«

      Linda nickte.

      »Die haben einen neuen Pressesprecher«, fügte Babs hinzu. »Er soll gut aussehen und geschieden sein …« Sie lächelte ihr spitzbübisches Lächeln und die Sommersprossen schienen in ihrem Gesicht zu tanzen. Sie beobachtete Lindas Reaktion und stellte erfreut fest, dass ihre Freundin wieder zugänglich für solche Anspielungen war.

      »Na dann«, sagte sie, »noch ein Grund, den Termin zu machen!« Und zum ersten Mal seit Tagen umspielte ein Lächeln ihre Lippen.

      »Kannst