Название | Kann weg! |
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Автор произведения | Susanne Frohlich |
Жанр | Поиск работы, карьера |
Серия | |
Издательство | Поиск работы, карьера |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783833862694 |
Einhörner-to-go
Keine Zweifel sollte es geben, falls nicht mal mehr Spurenelemente von Zuneigung da sind und es bei fortlaufender Ignoranz, dauerndem Niedermachen, notorischer Kaltherzigkeit bleibt. Wenn er sie ständig kleinmachen muss und über sie sagt: »Ach, das versteht sie sowieso nicht« oder zu ihr »Wie blöd bist du eigentlich« oder »Das interessiert mich nicht.« Wenn einer sich lieber selbst anzünden würde, als einmal den Satz »Tut mir leid!« über die Lippen zu bringen. Aber nur, weil einer nicht mehr japst vor Glück, wenn wir abends nach Hause kommen, sondern höchstens noch, wenn es so aussieht, als würde seine Lieblingsmannschaft den Aufstieg in die nächste Liga schaffen, gleich ALLES in Frage stellen? Wenn er den Gourmettempel und das Romantik-Dinner verweigert und lieber in die Stehpizzeria will? Und wenn Weihnachtsgeschenke auch mal aussehen, als hätte da ein Christkind mit Alkoholproblemen etwas für eine total Fremde zusammengepackt?
Bei geschätzt 85 Prozent aller Frauen klafft spätestens nach ein paar gemeinsamen Monaten eine gefühlte Lücke so groß wie der Andreasgraben zwischen Romantik-Soll und -Haben. Und entsprechend entwickelt sich in Beziehungen nichts schneller als die Unzufriedenheit. Wie Kaugummi klebt sie an der Liebe. Praktisch ab dem Moment, in dem man aufhört, dauernd vor lauter Leidenschaft wie bekifft zu sein. Dafür beginnt man zu vergleichen. Mit Hollywood-Romanzen, Liebesromanen, Fernsehschnulzen, mit den Paaren in der Margarine-Werbung und im Umfeld. Da sieht man dann, wie es einer Rosen regnen lässt aus einem Hubschrauber, wie er Ozeane überquert und Kontinente. Wie er sich von der Spitze der Gesellschaft hinunterbeugt, um das Märchen vom Prinzen, der die Magd freit, oder vom Piloten, der die Stewardess heiratet, wahr werden zu lassen. Schon fühlt man sich emotional unterzuckert und fragt sich, warum kann Olaf nicht mehr wie Leonardo DiCaprio sein? Ganz einfach: Weil Leonardo DiCaprio dafür bezahlt wird, wenigstens vor der Kamera romantisch zu erscheinen. Und weil das Wesen der Romantik, frei nach Oscar Wilde, die Ungewissheit ist. Meint: Es liegt in ihrer Natur, sich nicht vorschreiben zu lassen, wie und wo sie sich zu zeigen hat und wie teuer sie sein muss, damit wir endlich zweifelsfrei wissen, dass es Liebe ist.
Romantik, die wahre: Die, die das Herz ergreift und an die man sich noch erinnert, wenn man mit 90 sonst alles vergessen hat, entfaltet sich seit ihrer Geburt im 18. Jahrhundert am besten als Kind der Freiheit und der Fantasie. Sie wirkt dann umso stärker, wenn jeder für sich und seine Gefühle einen eigenen Ausdruck findet, anstatt auf die gefriergetrocknete Instant-Romantik zurückzugreifen. Nichts gegen ein im Voraus gebuchtes Candle-Light-Dinner, für das der Veranstalter schon mal alles klargemacht hat – sogar die Rosenblätter auf dem Bett. Auch nichts gegen Liebesschlösser, die man mittlerweile im Internet sogar an virtuelle Brücken hängen kann. Ein Klick, ein Bezahlvorgang, und schon ist die Sache mit der Romantik eingetütet. Denkt man. Aber dann fragt man sich doch: Ist das alles? Oder aber: Wenn es so einfach ist, weshalb tut mein Mann das nicht mal für mich? Damit alle anderen sehen, was er für mich empfindet? Ja, es wird einem verdammt schwer gemacht, seine ganz eigene Romantik zu entwickeln.
Das hat auch Nina gemerkt, als sie erzählte, dass sie ihren Hochzeitstag mit Ehemann Robert auf dem Wochenmarkt gefeiert hat »mit Bionade und Backfisch am Foodtruck«. »Gab’s nicht mehr?«, fragte Sabine entgeistert. Nein, sonst nichts. Nicht mal die heiße Liebesnacht vor dem Kamin, die die überwiegende Mehrheit der Deutschen laut ener Studie für den Gipfel der Romantik hält. »Wir haben gar keinen Kamin!«, sagte Nina. Aber das zählte nicht. Sabines Urteil war gefällt: Dass es Ninas Ehe ganz offenbar an jenen Sternschnuppenmomenten mangelt, wegen denen man sich ja überhaupt nur für das Lebensmodell ›Zweisamkeit‹ entscheidet. »Bionade und Backfisch kann man doch auch mit Freunden haben!«, meinte sie. »Robert ist unter anderem auch mein Freund«, verteidigte Nina ihr höchstens hellrosa Romantik-Modell gegen Sabines schrill-pinke Version. Und dann sagte sie noch, dass sie keine Lust habe, sich von Partnerschaftsportalen, Eventmanagern, Hochzeitsausstattern, Reiseveranstaltern vorschreiben zu lassen, was romantisch sei und was nicht. »Das sind doch bloß Einhörner-to-go. Da will uns jemand unsere privaten Märchen in Dienstleistungen übersetzen. So wie es einmal in der Werbung eines Schmuckherstellers hieß, dass ein Diamant Liebe sein soll. Man kann Gefühle doch nicht wie eine Pizza bestellen und bezahlen.« Aber man kann es versuchen, und das ist es, was wir uns oft so vergeblich vom Mann erhoffen: Dass er sich an die internationalen Regeln zum Ausdruck von Gefühlen, an die Einkaufsliste der Romantik hält. Verweigert er das, ist die Enttäuschung groß. Da denkt man› alle meine Freundinnen haben von ihrem Mann zum Valentinstag einen großen Strauß bekommen, nur meiner hat mir nichts geschenkt. Ich glaube, er liebt mich nicht mehr! Oder: Heiratsantrag ohne wenigstens ein Feuerwerk? Einen YouTube-tauglichen Flashmob? Das wird bald in Scheidung enden!
Dabei bemisst sich die Größe des Glücks vor allem daran, wie viel Sicherheit man dafür bereit ist aufzugeben. In vielen wissenschaftlichen Studien wurde belegt, dass romantische Liebe und Risiko Seelenverwandte sind. Etwa von dem Psychologen Arthur Aron von der Uni New York in Stony Brook und seinem legendären ›Brückenversuch‹. Er fand heraus, dass bei Furcht die gleichen körperlichen Reaktionen abgespult werden wie in der Hochphase der Verliebtheit. Adrenalin wird gebildet, Dopamin fließt. Das bedeutet: Aufregung, Abenteuer. Dieses prickelnde Gefühl, etwas zu wagen, und sei es nur, dass es bei dem spontan anberaumten Picknick für zwei aus Kübeln schütten könnte. Romantik ist – wie das Glück überhaupt – eine Überwindungsprämie. Sie wird fällig, wenn wir nicht schon immer vor lauter Angst danebenzulieben, am Anfang wissen müssen, wie wir uns am Ende fühlen werden; wenn man darauf baut, dass der andere für seine Zuneigung ganz sicher Ausdrucksformen findet und zwar seine eigenen. So wie Max. Er und Mia sind nicht gerade die heißesten Anwärter für einen Romeo-und-Julia-Ähnlichkeitswettbewerb. Jeder lebt auch sein eigenes Leben. Max ist oft wochenlang unterwegs – er segelt gern und macht am liebsten Turns mit Freunden. Mia hat nach vielen Fernreiseerfahrungen für sich entschieden, dass sie eigentlich am liebsten daheim ist. Sie besucht allenfalls alte Schulfreundinnen, die über ganz Deutschland verteilt leben. Und während Max gern lange schläft, ist Mia Frühaufsteher. »Wir haben deshalb auch getrennte Schlafzimmer. Wir müssen uns wirklich einmal die Woche verabreden, um uns sicher zu sehen.« Manchmal, sagt sie, weiß sie gar nicht, ob Max überhaupt zu Hause ist. Als sie vor einiger Zeit wegen eines größeren Eingriffs in eine Klinik musste, fuhr sie dort allein hin. »Wir sind eben einfach nicht eines dieser Paare, die sich dauernd gegenseitig betüteln müssen.« Natürlich war Max da, als Mia aus der Narkose erwachte, und auch am nächsten Tag. »Da kam er in mein Zimmer und sagte, ich solle mal ans Fenster gehen. Da stand es: mein Traumauto. Ein kleiner roter Flitzer.« Er meinte: »Nur damit du weißt, dass es sich lohnt, ganz schnell wieder gesund zu werden.«
Man kann sich eben auch einfach mal darauf verlassen, dass der Mann seine Gefühle schon ausdrücken wird. Eben auf seine Weise. Klar, da muss man manchmal genauer hinschauen, weil manche Gesten auf den ersten Blick deutlich unscheinbarer sind als etwa ein XXL-Rosenstrauß. Aber mit ein bisschen Übung bemerkt man vielleicht, dass sie dann doch viel, viel größer sind als alles, was die Einhorn-Industrie jemals auf dem Markt gebracht hat. Was man gewinnt, wenn man sich ohne Sicherheitsgurt ganz vertrauensselig und haltlos in die Arme der Romantik sinken lässt, zeigte auch eine Fernsehdokumentation über eine internationale Online-Singlebörse. Ein TV-Team begleitete eine Frau aus Kanada zu ihrem ersten Treffen mit ihrem Online-Flirt nach New York. Da stand er dann am vereinbarten Treffpunkt am Times Square: ein kleiner, rundlicher Mann, schlampig angezogen, mit Tennissocken in den Birkenstocksandalen. Ein Waldschrat auf Freiersfüßen. Die Frau sah ihn bereits, bevor er sie entdeckte, und war entsetzt. Überlegte dann aber – der lange Weg, der Flug, und wo man schon mal da war … Also entschied sie sich, wenigstens den Nachmittag mit ihm zu verbringen. Einige Wochen später besuchte das Fernsehteam die beiden erneut in New York. Und während sie erzählten, wie es so gelaufen war, hätte man als Zuschauerin am liebsten gesagt: »Packen Sie mir den ein. Ganz egal, wie viel Zoll er kostet.« Dieser eher unscheinbare Mann, übrigens ein Opernsänger, hatte die romantischsten Seiten der Stadt für diese