„… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“. Richard A. Huthmacher

Читать онлайн.
Название „… Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“: „Die höchste Form der Ordnung“
Автор произведения Richard A. Huthmacher
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783959637664



Скачать книгу

im Sinn haben: Uns ungleich mehr noch als bisher unter ihre Knute zu zwingen.

      Deshalb mein Motto ist: Ich will nicht Herr sein. Auch nicht Knecht. Ich bin und bleibe Anarchist.

      Jedoch: Den, der von den Mühen der Niederungen, der Ebenen kündet, hört man nicht gern. Den, der von Solidarität spricht, hört man nicht gern. Den, der vom Ausgleich redet, namentlich von dem zwischen arm und reich, hört man nicht gern.

      In der Tat, „wahre“ Kommunisten hört man nicht gern. Ebenso wenig Anarchisten. Jedenfalls solche, die sich nicht nur (oder gar fälschlicherweise wie die „Anarcho“-Kapitalisten) ein entsprechendes Etikett auf die Stirn kleben: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. In der Tat. Insofern möge der werte Leser immer (auch) an Etikettenschwindel denken. Nicht nur, wenn er von Anarchisten (und ihren angeblichen Taten) hört.

      Zugegeben: Die Begrifflichkeiten „Anarchist“, „Anarchie“ und „Anarchismus“ sind aus der Mode gekommen. Heutzutage spricht man von Terroristen und Islamisten, wenn man – vermeintliche oder tatsächliche – Untaten (die ja keine Un-Taten, vielmehr Misse-Taten sind) anprangert. Oder man spricht von Rechts-Extremisten, Rechts-Radikalen oder einfach nur von „Rechten“ (wobei keineswegs die Auf-Rechten gemeint sind: Früher sollte das protestierende linke Studenten-Geschwärl „nach drüben“ gehen; heute soll sich jeder, bevor er den Mund aufmacht, nach Chemnitz trollen – tempora mutantur sed nos non mutamur in illis).

      In der Tat: „Der“ Anarchismus spielt heutzutage (oder vielleicht auch nur der-zeit) keine Rolle mehr, er hat ausgedient. Obwohl er doch nie dienen wollte. Jedenfalls nicht den Herrschenden. Bei Ausübung ihrer, der Herrschenden, Macht. Über uns, die Beherrschten.

      Er, der Anarchismus, dient allenfalls noch als Kinderschreck. Wenn man von seinen (angeblichen) Untaten spricht. Beispielsweise denen der Dynamitarden. Die – in Deutschland jedenfalls – allenfalls ein paar Bömbchen legten, die nicht einmal (größeren) Sachschaden angerichtet haben (s. den Anschlag auf das Niederwalddenkmal). Oder schlichtweg False-Flag-Aktionen waren (s. ebenfalls benannten Anschlag).

      Wohingegen der Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel – nach dessen Erfindung die Dynamitarden benannt wurden –, einen Preis gestiftet hat, der nach ihm, nicht nach seiner Erfindung genannt wurde und jedes Jahr, durchaus in dem von Nobel erwünschten Sinne, vergeben wird. Ein Preis, mit dem, fast ausnahmslos, solche Laureaten – als ihrer Herren Knechte – geehrt werden, die alles, wirklich alles tun resp. propagieren, wogegen Anarchisten kämpfen. (Über „Nobelpreisträger – Mythos und Wirklichkeit“ veröffentliche ich seit Jahren eine Monographien-Reihe; dadurch habe ich die Untaten vieler Friedens-, Literatur- und Medizin-Nobelpreisträger bereits aus dem Dunkel wohlwollenden Schweigens ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt; auch die Preisträger der anderen Sparten dieses Preises werden von mir – sofern mich solche Kräften, die Nobelpreisträger „machen“, nicht zuvor aus dem irdischen Leben „abberufen“ [lassen] – eine adäquate Würdigung erfahren.)

      Summa summarum könnte man somit konstatieren, als gesellschaftliche Bewegung habe der Anarchismus ausgedient; umso wichtiger ist es für das Überleben der Menschheit, vielleicht auch „nur“ des Mensch-Seins geworden, die grundlegende anarchistische Idee endlich zu realisieren: das Ende der Herrschaft des Menschen über den Menschen. Insofern sind die Ideen des Anarchismus´ und deren Verwirklichung wichtiger denn je.

      Somit, mithin, gar wohl bedacht, zum wiederholten Male frank und frei, wie auch die Folge eines solch´ Geständnis´ sei: Ich will nicht Herr sein, auch nicht Knecht, verabscheu jeden, der über Menschen herrschen möcht; kurzum, damit ihr´s alle, ohne Zweifel, wisst: Ich bin und bleibe Anarchist.

      ES HERRSCHTE ANARCHIE. FÜR EINEN SOMMER, FÜR EIN KURZES JAHR

      Liebster!

      „Das kurze Jahr der Anarchie“, titelte DER SPIEGEL. „Jetzt oder nie – Anarchie!“, so der TAGESSPIEGEL. Die TAZ brachte es auf den Nenner: „Anarchie ist machbar, Herr Nachbar.“ In der WELT ist zu lesen: „So groß war die Freiheit im letzten Sommer der DDR.“

      „Es war zwar verboten, aber wir haben es trotzdem gemacht! Unter diesem Motto ist in Ostdeutschland zwischen Herbst 1989 und Herbst 1990 Geschichte geschrieben worden. Den erstarrten Verhältnissen in der DDR war nur beizukommen, wenn man sich über alte Regeln hinwegsetzte und das Neue mutig wagte. So wurden kurzerhand Bürgermeister und Betriebsleiter entmachtet, Kasernen und Gefängnisse belagert, Geheimdienstzentralen besetzt und Redakteursräte organisiert, Bürgerbewegungen und neue Parteien gegründet. Plötzlich spürten viele ihre Kraft und starteten in die spannendste Zeit ihres Lebens.“

      In einer Rezension der Frankfurter Rundschau ist zu lesen: „Die Flucht tausender DDR-Bürger über die unbewachte Grenze in Ungarn in den Westen läutete im Sommer 1989 das Ende der DDR ein. Der Verlauf der großen Geschichte ist wohlbekannt, weniger bekannt sind dagegen die kleinen Geschichten in dieser Geschichte, die sich in diesem Sommer, in dem vielerorts faktisch Rechtlosigkeit herrschte, abspielten ... Während dieser Zeit wurde all das möglich, ´wovon alle Freunde zivilen Ungehorsams träumen´ …: Bezirksregierungen absetzen, Landsitze besetzen, Militärbefehle ignorieren oder Straßen blockieren und dabei von staatlichen Behörden auch noch unterstützt ... werden.“

      Etliche Bücher, Essays und Artikel befassen sich mittlerweile mit dem „kurzen“ Jahr 1989/1990, in dem, manchen jedenfalls, alles möglich schien; nur beispielhaft sei der Roman „Das fabelhafte Jahr der Anarchie“ genannt (Kubiczek, André: Das fabelhafte Jahr der Anarchie. Roman. Rowohlt, Berlin, 2014):

      „Nachdem die Berliner Mauer so überstürzt geöffnet wurde, wollten viele Bürger aus der DDR vor allem eins: weg, in den Westen. Nicht aber Andreas und Ulrike, zwei junge Studenten, die daran glauben, dass sich das System des Sozialismus auch ohne Grenzen – natürlich vorsichtig reformiert – aufrecht erhalten lässt. Doch nachdem die Volkskammerwahlen im März 1990 gezeigt hatten, dass die Mehrheit der Wähler für eine Wiedervereinigung der beiden Länder votiert[en] ..., gibt sich das Pärchen geschlagen. Gemeinsam ziehen sie in die Lausitz, wo Ulrike den Hof von ihrem Großvater geerbt hat. Mitten in dem kleinen Straßendorf, wo jeder jeden kennt und man seine Schrippen bei Frau Domaschke im Konsum kaufen muss, die gleichzeitig als Poststelle fungiert und das einzige Telefon besitzt – hier scheint die Welt noch in Ordnung und Ulrike und ´Ändie´ basteln sich ihre eigene, zeitlose Idylle mit gackernden Hühnern, Gemüsebeeten und Gummistiefeln zu Blümchenkleidern …

      Das könnte alles so bleiben, wenn da nicht Arndt wäre, der große Bruder von Ulrike und energischer Hausbesetzer in ihrer Heimatstadt Potsdam. Regelmäßig kommt er auf den Hof und bringt schlechte Nachrichten aus der realen Welt mit …: ´„Mensch, Andreas, wir können doch nicht einfach aufgeben und alles laufenlassen. Dann fährt das ganze Ding nämlich gegen die Wand. Das ist doch keine Revolution, wenn es nachher genauso beschissen ist wie vorher, nur mit ´nem anderen Begründungstext.´“

      Oder es sei auf den „Frühling der Frauen-Anarchie“ verwiesen:

      „Dabei hatte genau ein Jahr zuvor alles so begeisternd begonnen. ´Vor wenigen Tagen´, schrieb Christa Wolf 2 3 am 11. Dezember 1989, ´hat die erste Versammlung eines autonomen Frauenverbandes stattgefunden. Es soll die schönste Versammlung der letzten Wochen gewesen sein, sehr heiter, gelassen, konstruktiv, ergebnisreich.´ Was die Schriftstellerin nur vom Hörensagen kolportierte, wirkte auf die Beteiligten wie ein Fanal.

      Am 3. Dezember 1989 hatten sich auf Initiative einiger kleiner DDR-Frauengruppen in der Ostberliner Volksbühne über 1.000 Frauen zusammengefunden. Dicht gedrängt saßen sie zwischen voll behängten Wäscheleinen und applaudierten begeistert der Schauspielerin Walfriede Schmitt, die das für DDR-Verhältnisse unerhörte Manifest ´Ohne Frauen ist kein Staat zu machen´ vorstellte. ´Wir müssen darauf bestehen ..., dass Frauenfragen keine gesellschaftlichen Randprobleme sind, sondern existenzielle Grundfragen.´ Sie [die Rednerin] schlachtete aber nicht nur eine heilige sozialistische Kuh (die Frauenfrage als ´Nebenwiderspruch´), sondern warnte auch vor ostdeutschen Anschlussträumen: ´Die Wiedervereinigung hieße in der Frauenfrage drei Schritte zurück …, überspitzt