Mords-Töwerland. Angela Eßer

Читать онлайн.
Название Mords-Töwerland
Автор произведения Angela Eßer
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839268384



Скачать книгу

hören, wie einer der Polizisten sagt: »Kann sein, dass er über irgendwas gestolpert und dann in den Schiffchenteich gefallen ist. Möglich, dass er sich dabei den Kopf aufgeschlagen hat, ohnmächtig geworden und ertrunken ist. Kann aber auch sein, dass er gestoßen wurde. Jedenfalls hat er eine klaffende Stirnwunde.«

      Gestolpert? So ein Blödsinn! Natürlich wurde er niedergeschlagen, brutal gestoßen. Und ich weiß auch, von wem. Von dieser Thea, die es nicht verwinden konnte, dass Herbert ihr hohes C mit dem Alarm einer alten Lokomotive verglichen hat.

      »Hatte er Feinde?«

      Oh ja, die hatte er. Oder besser … eine Feindin. Thea mit den lila Haaren.

      »Nein«, antwortet Moni. »Herbert war ein lieber Mensch. Den mochten alle.«

      Klar, sie war heute Nachmittag ja nicht dabei. Kurkonzerte mag sie nicht. Da lässt sie uns immer allein hingehen.

      »Wir haben bereits sein Ferienapartment gesichtet und dabei einige interessante Entdeckungen gemacht«, höre ich jetzt. »Sie hatten Schulden bei Herbert Faber. Und zwar beträchtliche.«

      »Na und?«, fängt Moni an zu kreischen. »Deswegen bringe ich ihn doch nicht um.«

      »Es sind schon Menschen wegen weniger Geld ermordet worden. 20.000 sind kein Pappenstiel. Wollte er das Geld zurück? Und Sie konnten es ihm nicht geben?«

      20.000! Davon hatte ich keine Ahnung. Das ist ja ungeheuerlich.

      »Außerdem sollen Sie sehr eifersüchtig sein«, ergänzt der andere Polizist.

      »Wer sagt das?«, fragt Moni mit zitternder Stimme. Und als sie keine Antwort bekommt, heult sie los: »Herbert hat mich geliebt. Ich hatte keinen Grund zur Eifersucht.«

      Geliebt? Nun bin ich aber ziemlich konsterniert. Mich hat Herbert geliebt, nur mich! Was redet Moni denn da?

      Als die Polizisten gehen, liegt mir nichts mehr daran, mich zu Moni zu flüchten und mich von ihr trösten zu lassen. Die Sache ist mir zu heikel. Dass sie Schulden bei Herbert hatte, wusste ich nicht. Und dass sie glaubte, er habe sie mehr geliebt als mich, habe ich auch nicht für möglich gehalten. Mein Gott, ich glaube, ich habe mich noch nie in einem Menschen so getäuscht. Moni! Hast du meinen Herbert auf dem Gewissen? Ein schrecklicher Gedanke! Andererseits … der Verdacht, den die Polizisten geäußert haben, kann nicht schwerwiegend sein, sonst hätten sie Moni mitgenommen. Aber sicherlich sind sie schon längst auf der Suche nach Beweisen. Und sobald die gefunden sind, wird Moni verhaftet. Es sei denn, meine ursprüngliche Vermutung stimmt und Thea mit den lila Haaren steckt hinter Herberts gewaltsamem Tod.

      Nur – die Beweislage könnte schwierig sein. Diese Thea wird natürlich alles abstreiten, ihre Freundinnen werden sich vermutlich auf ihre Seite stellen. Und dann? Dann wird die Polizei von Verleumdung reden und sich nicht weiter um die Dame kümmern. Nein, ich brauche hieb- und stichfeste Beweise. Allermindestens schwerwiegende Indizien. Nur … wo kriege ich sie her? Ich muss mir was einfallen lassen.

      Das Wichtigste wird sein, mich unauffällig zu verhalten. Die Polizei hat sicherlich meinen Namen notiert, aber ob man mich suchen wird? Ich weiß es nicht. Könnte natürlich sein. Dass ich verschwunden bin, spricht unter Umständen gegen mich. Wer abhaut, ist immer verdächtig. Andererseits … sobald ich die Beweise gegen Thea zusammen habe, wird niemand mehr auf die Idee kommen, mir etwas anzuhängen. Ich habe ja auch überhaupt kein Motiv. Ich habe Herbert geliebt! Und er mich auch! Allerdings … wenn Moni dabei bleibt, dass ihr der erste Platz in Herberts Herzen gehört hat, könnte den Polizisten die Idee kommen, dass ich es bin, die aus Eifersucht gemordet hat. Nein, nein, besser, ich halte mich zurück. Anscheinend werde ich noch gar nicht vermisst. Nur von Moni. Und solange niemand nach mir sucht, kann ich mich umhören, ohne aufzufallen.

      Ich ziehe mich an den Strandaufgang am Strandhotel zurück. Da ist immer viel los, ich werde nicht weiter auffallen. Auch wenn man schon nach mir suchen sollte. Das Problem ist nur: Ich habe Hunger. Durst habe ich auch. Aber kein Geld, um mir etwas zu besorgen. Was mache ich nur? Wenn mir vor lauter Hunger die Beine zittern, wie soll ich dann Herberts Tod aufklären?

      Strandaufgänge sind in solch einem Fall immer das Beste. Taschen werden zum Strand oder zurück geschleppt, oft abgesetzt, um zu verschnaufen oder einem Kind die Nase zu putzen, da muss man nur schnell und entschlossen sein. Sich einen Leckerbissen schnappen und dann nichts wie weg. Niemand wird gern zum Dieb, aber was soll ich machen? Normalerweise hätte ich mich bei Moni eingefunden, aber auf die kann ich mich ja nicht mehr verlassen.

      Der kleine Junge hat eine große Packung mit Zwiebäcken in sein Plastikauto geladen. Er hat genug damit zu tun, es durch den tiefen Sand zu ziehen. Dass seine Zwiebäcke verschwunden sind, als er mit seinen Eltern und seiner großen Schwester endlich an der Wasserkante ankommt, wird sich keiner von denen erklären können. Das ist super gelaufen. Wer will schon gern als Dieb erkannt oder gar verfolgt werden? Es wäre mir ganz schön peinlich gewesen, wenn man mit Fingern auf mich gezeigt und gerufen hätte: »Haltet den Dieb!«

      Als ich sämtliche Zwiebäcke verputzt habe, geht es mir schon wesentlich besser. Ich fühle mich stark genug für meine Aufgabe. Wasser habe ich auch getrunken, es gibt ja einige Zapfstellen in der Nähe des Strandaufgangs, also bin ich jetzt ziemlich gut drauf. Rein körperlich gesehen. Wie es in meinem Herzen und meiner Seele aussieht … na, das kann sich wohl jeder denken. Darum werde ich mich später kümmern, wenn Herberts Mörderin hinter Schloss und Riegel sitzt. Jetzt will ich mich erst mal in der Sonne ausstrecken und darauf warten, dass das Kurkonzert beginnt. Da wird Thea mit den lila Haaren garantiert auftauchen, und dann werden wir mal sehen, wie ich sie überführe. Vielleicht macht sie einen Fehler. Und dann …

      Als die Musiker noch ihre Instrumente auspacken und stimmen, kommen schon die ersten Konzertbesucher. Viele bleiben erst mal am Schiffchenteich stehen und betrachten gruselnd das Wasser, wundern sich vielleicht sogar, dass es nicht rot gefärbt ist von Herberts Blut.

      Ehrlich gesagt, ich wundere mich auch. Dass jemand so umsichtig war und das Wasser gewechselt hat, habe ich nicht erwartet. Bravo! Es gibt auch auf Juist Menschen, die mitdenken. Vermutlich der Besitzer des Spielzeugladens, der die Schiffchen verkauft, die die Kinder hier so gerne schwimmen lassen. Er schreibt immer liebevoll den Namen des Kindes auf das Segel, ehe das Boot über die Ladentheke geht. Der weiß natürlich, dass er kein einziges Schiffchen loswird, wenn das Wasser im Schiffchenteich nicht klar, sondern rot gefärbt ist.

      »Es hilft ja nichts«, höre ich jemanden sagen. »Das Leben muss weitergehen.«

      Eine Freundin von Thea! Wo die ist, wird auch Thea nicht mehr weit sein.

      Da! Ich erkenne sie schon von Weitem. Ihre lila Haare sind ja nicht zu übersehen. Sie kommt in der Begleitung ihrer Freundinnen, das habe ich ja erwartet. Ich setze mich auf den Rasen, wie es viele tun, die nicht nur die Musik hören, sondern währenddessen auch für frische Bräune sorgen wollen, tue gelangweilt, habe aber in Wirklichkeit Thea und ihre Freundinnen fest im Blick.

      »Da drinnen ist er gefunden worden«, sagt eine mit viel Pathos in der Stimme. »Schrecklich!«

      Thea hat tatsächlich die Stirn, dies zu bestätigen. »Ja, ganz fürchterlich. Obwohl … ein sympathischer Mensch war das nicht. So was gönnt man ja seinem ärgsten Feind nicht.«

      Diese Heuchlerin!

      »Wo mag er jetzt sein?«, fragt eine andere mit Gänsehaut auf der Stimme, als wollte sie hören, dass mein Herbert im Kühlhaus des Kurhauses gelandet sei. »Auf Juist gibt’s doch keine Pathologie.«

      »Er wird dort sein, wo auch die toten Juister hinkommen, die eines natürlichen Todes sterben. Auf der Insel werden die Menschen ja auch mal krank und müssen irgendwann den Löffel abgeben. Trotz des guten Klimas.« Theas Freundin kommt sich sehr schlau vor mit diesem Satz. »Und beerdigt werden sie hier auch.«

      Aber Thea weiß es besser. »Ein Mordopfer wird erst beerdigt, wenn der Mord aufgeklärt und der Mörder gefunden ist.«

      »Ehrlich?« All ihre Freundinnen sind entgeistert. »Und wenn das Wochen dauert?«

      »Er muss nur gut gekühlt werden.«

      Ich