Название | Dornröschen muss sterben |
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Автор произведения | Ulrike Barow |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839264249 |
Wütend stand Britta auf, aber Hendrik zog sie am Arm wieder neben sich.
»Entschuldige. Wir fangen das Gespräch noch einmal neu an. Gib mir ein paar Minuten. Ich schleudere mir einen Eimer Wasser ins Gesicht und wir gehen auf die Terrasse vom Hotel Witthus, einen Kaffee trinken.«
*
Leicht schwankend kletterte Hendrik zurück in die Kajüte seines Bootes. Er warf einen vorsichtigen Blick in den kleinen Spiegel, den er neben der Tür des Niederganges angebracht hatte, und zuckte zusammen. Ihm wurde klar, dass nicht einmal drei Eimer Wasser seinen roten Augen und seiner unter der Seemannsbräune fast bleichen Gesichtsfarbe wieder zu einem einigermaßen gesunden Aussehen verhelfen würden. Ihm war schlecht, so schlecht wie es einem nur sein konnte, zwei Stunden nach einem Saufgelage, aber außergewöhnliche Situationen erforderten außergewöhnliche Maßnahmen. Denn eines erschien ihm jetzt am wichtigsten, nämlich Britta aus der direkten Nachbarschaft des Schauplatzes seiner nachmittäglichen Aktivitäten wegzubringen. Nicht vorzustellen, dass Schnucki auch noch zu ihrer fröhlichen Runde stoßen würde. Diese Situation wäre schlichtweg nicht auszudenken. Er nahm jedoch an, dass sie ebenfalls selig in Morpheus’ Armen lag. Aber wissen konnte man das natürlich nicht. Sein Kopf dröhnte bei dem Gedanken, die beiden Frauen könnten aufeinandertreffen. Er wusste, Frauen waren entsetzlich nachtragend!
»Wasch dir mal über die Hand. Ich glaube, du hast geblutet«, hörte er Brittas Stimme. Er schaute auf seine Hand, zuckte unwirsch mit den Schultern und murmelte: »Lieber nicht, fängt sonst nur wieder von neuem an.«
19
Klaus Kuhlmann stand in Neßmersiel und wartete auf die Fähre. Er war sauer. Natürlich war logisch, dass der Segelmacher in Norden heute geschlossen hatte. Tourismus, Service am Gast, Segelsaison, alles Banane. Es war Feiertag und das war’s.
Er hätte noch stundenlang weiter vor sich hin schimpfen können, so wie er es getan hatte, seit er die kleine Stadt mit dem großen Marktplatz verlassen hatte. Genauer gesagt, seit er mit dem Bus nach Norden zum Bahnhof gelangt war und von dort mit der Taxe zum Segelmacher ins Gewerbegebiet Leegmoor. Nur um dann vor verschlossener Tür zu stehen. Das Taxi hatte er da natürlich schon wieder weggeschickt. Kostete ja Geld. Nicht, dass er geizig wäre. Aber einem Taxifahrer Geld in den Hintern schieben? Nur im Notfall!
Er hätte vorher bei der Firma anrufen sollen, das wusste er jetzt auch. So war er mit seinem schweren Segelsack und der kaputten Fock über der Schulter und Wuffel an seiner Seite langsam zum Bahnhof zurückgelaufen. Eine Tortur bei der Hitze. Und dann die vergeudete Zeit. Was hätte er schön mit seiner Schnucki segeln können! Wenn nur nicht die Fock so blöde eingerissen wäre.
Nicht mal die Stadt hatte er besichtigen können. Wo hätte er denn mit seinem verdammten Segelsack hin sollen. Die Geschäfte hatten auch alle zu. Die Stunden, bis der Bus der Baltrum-Linie wieder Richtung Neßmersiel gefahren war, hatte Kuhlmann im Burger King am Bahnhof abgesessen.
Langsam kam das Schiff durch die Fahrrinne dem Anleger näher.
Er freute sich. Auf die Insel, sein Boot und natürlich auf Schnucki. Er hoffte nur, dass sie kein großes Abendessen zubereitet hatte. Die Stunden im Schnellrestaurant hatten seinen Magen gut gefüllt. Er wollte jetzt nur noch die Beine hochlegen und später mit einem guten Gläschen Talisker den Sonnenuntergang genießen. Auch Wuffel merkte man an, dass er sich gerne in seinen Hundekorb in der Kajüte zurückgezogen hätte. Das Abendschiff war recht leer, so hatte Klaus Kuhlmann auf dem Oberdeck freie Platzwahl. Er ließ sich auf eine der blauen Bänke sinken und genoss die Sonne, die noch hoch über Norderney stand.
»Bitte einzeln die Fahrkarten vorzeigen!«
Klaus Kuhlmann schreckte auf. Da hatte er doch die ganze Überfahrt verschlafen. Egal. Er war da. Kuhlmann schaute vom Deck aus auf den Anleger. Er war enttäuscht. Hatte er doch gehofft, dass Schnucki ihn und Wuffel abholen würde. Aber es war nichts von ihr zu sehen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie vernarrt sie in den Hund ist, dachte er sarkastisch.
Er wartete, bis er seine Fock aus dem Container holen konnte, lud sie auf eine der Wippen, die offenbar herrenlos herumstanden, und lief zum Bootshafen.
Auf der Achteran zeigte sich keine Bewegung. »Na, mein Madamchen hat ihre freie Zeit ja ausgiebig genutzt. Selbst jetzt ist sie noch unterwegs.« Ein kleiner Schwall Magensäure stieg in seiner Speiseröhre hoch. Ob vom Ärger oder den verspeisten Hamburgern mit Pommes, konnte er im Augenblick nicht ermitteln. Er beschloss, sein Unwohlsein auf den Ärger über seine möglicherweise nicht anwesende Gattin zu schieben. Prophylaktisch sozusagen.
Als er auf sein Boot stieg, stellte er fest, dass die Kajütentür von außen verriegelt war. Wenigstens daran hat sie gedacht, dachte er. Er öffnete die Tür, und was er dann sah, veranlasste ihn, drei Doppel Whopper mit Pommes/Majo nebst vier Cola in den Baltrumer Bootshafen zu kotzen.
20
Britta und Hendrik setzten sich an den letzten freien Tisch auf der Terrasse vor dem Restaurant. Von einem großen, grünen Schirm vor der Sonne geschützt, hatten sie einen wunderschönen Blick über die Hellerwiesen bis zum Hafen und über das alte Pfahlschutzwerk bis zur Strandmauer.
Eine ganze Weile saßen sie schweigend und genossen ihren Kaffee mit Aussicht. Das wird mir fehlen, wenn ich wieder in Leer bin, dachte Britta, auch wenn es dort ganz bezaubernde Ecken und Winkel gibt und ich diese Stadt sehr liebe.
Als sich der Kaffee dem Ende zuneigte, versuchte Britta noch einmal, die ganze Geschichte aus Henning herauszuholen. Er aber gab sich wortkarg und blieb bei seiner Version.
»Wolf und Rolle heißen die beiden. Rolle ist ein alter Freund von mir und Wolf ein Gast aus Bremen, der Rolle zufällig kannte und hier wieder getroffen hat. Das haben wir gefeiert. Du kannst sie ja fragen, wenn du unbedingt willst.«
Britta empfand bei Hendriks Erklärung einen üblen Nachgeschmack. Eigentlich war es nicht die Geschichte an sich, sondern sein Gesichtsausdruck, die Art und Weise, wie er sie erzählte. Es klang alles so diffus und abweisend. Als hätte er ein ausgeprägt schlechtes Gewissen. Außerdem war klar, dass er seine Worte nicht beweisen musste, denn sie hatte keine Ahnung, wo sie die beiden Männer finden sollte.
»Danke, kein Bedarf, warum solltest du mich anlügen«, antwortete sie gereizt und konzentrierte sich auf ihren Kaffee.
Eigentlich hatte sie gehofft, sie könnte ihm die Story von ihrem Ex erzählen und von den Ängsten, die sie deswegen verfolgten. Aber als Hendrik nach einer Weile tatsächlich fragte, warum sie schon so früh bei ihm aufgetaucht sei, führte sie nur eine Stunde Freizeit als Argument an. Sie hatte das Gefühl, dass Hendrik im Moment nichts weniger interessierte als ihr Exmann.
»Schau mal, der Polizist fährt mit ’nem Affenzahn Richtung Hafen, siehst du das?« Hendrik zeigte, froh über die Ablenkung, mit ausgestrecktem Arm zur Hafenstraße. »Und der Hilfssheriff folgt ihm auf dem Fuße, nein, auf dem Rade.« Er grinste, als hätte er einen besonders guten Witz gemacht.
Britta schaute hinter den beiden her. Was da wohl passiert war?
Einige Zeit später hörten sie aus der Ferne Sirenenalarm. Einige Gäste waren aufgestanden und beugten sich über die Brüstung, um nichts von der sich anbahnenden Aufregung zu verpassen.
Hendrik und Britta sahen den Krankenwagen mit großer Geschwindigkeit hinter den beiden Polizisten her zum Hafen fahren. Die blaue Rundumleuchte und der Signalton sorgten in Sekundenschnelle für Platz auf der Hafenstraße.
»Wollen wir los? Ich muss wieder zu meiner Gruppe und du wirst sicher noch ein Schläfchen machen wollen.« Britta hatte auf einen zumindest klitzekleinen Widerspruch gehofft, aber sie sah sich enttäuscht. Hendrik nickte.
»Das wäre gut, lass uns zum Hafen gehen. Dein Fahrrad steht da noch und meine Koje wartet auch auf mich.« Hendrik