Название | Stolps Reisen: Damals und heute, von den Anfängen bis zum Massentourismus |
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Автор произведения | Jürgen Dittberner |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783838275116 |
Angeboten hatten die Deutschen unter anderen einen „Ferienpark“ noch aus der DDR. Diese Liegenschaft war 380.000 Quadratkilometer groß und hatte einen hohen Verkaufswert. Auf die ganze Sache gebracht hatte das östliche deutsche Bundesland ein japanischer Herr aus „Düsseldorf“, der als Vermittler auftrat.
Bei der Reise begleitete den Politiker ein Beamter, der zuständiger Referatsleiter des Wissenschaftsministeriums war. Er und der Politiker wurden im „Deutsch-Japanischen Zentrum“ von einem deutschen Grafen auf Japan vorbereitet. Der Graf galt als Japan-Kenner. „Die Japaner sitzen auf einem verdammt hohen Ross. Das muss man einfach akzeptieren“, sagte er.
Der Beamte flog vor, so dass der Politiker später alleine in Frankfurt einen Jumbo der „JapanAir“ bestieg. Im Warteraum davor sah er sich um. Er war hier unter lauter Japanern eine der ganz wenigen „Langnasen“.
Das konnte ja heiter werden! Immerhin flog der Politiker „Business-Class“. Neben ihm saß ein Japaner. Der sprach während der zehnstündigen Reise kein Wort und würdigte den Deutschen keines Blickes.
Die Stewardessen sprachen sanft und unverständlich. Ständig verbeugten sie sich, allerdings vor dem Flugnachbarn öfter und tiefer als vor dem deutschen Politiker. Immerhin konnte dieser beim Verzehr der Speisen und Getränken dem Nachbarn nacheifern. Als Menue bestellte der Deutsche wie er „Japanese“ und nicht „Western style“, und als die Speisen kamen, orientierte er sich bei der Reihenfolge und der Methode der Nahrungsaufnahme an seinem stummen Nachbarn, so dass er die Stäbchen, Schüsselchen und Pfännchen hoffentlich fachgerecht benutzte.
Als sie pünktlich in „Tokio“ ankamen, fühlte sich der Deutsche verloren: Es wimmelte vor schwarzhaarigen Menschen, die alle eine unverständliche Sprache sprachen. Auch die Flughafen-Durchsagen waren unverständlich. Da kam ein Japaner im dunkelblauen Anzug auf den Politiker zu und sagte, er würde ihn zum Hotel bringen. Es war der Herr aus Düsseldorf, und später stellte der Deutsche fest, dass er im Unterschied zu den vielen anderen Japanern, die ebenfalls dunkelblaue Anzüge trugen, lockige Haare hatte. Daran würde er ihn in den kommenden Tagen erkennen.
Der Herr hatte eine kleine schwarze Collegemappe dabei. Bis der Bus zum Hotel führe, sagte er, sei noch etwas Zeit, und die würde er nutzen, um schnell ein Telefonat zu führen. Sie warteten in einem Café. Es war heiß und schwül; man spürte es: „Tokio“ war eine südliche Stadt.
Der Bus zum Hotel fuhr zwei Stunden lang durch ein Agglomerat von Häusern, Brücken und Bahntrassen. Innerlich fragte der Politiker sich, wie er jemals zum Flughafen zurückfinden solle. Im Hotel dann bekam er einen Schreck: Er hatte die Visitenkarten vergessen! Dabei hatte es doch in Deutschland geheißen, Visitenkarten seien hier unentbehrlich.
Glücklicherweise konnte er im Hotel Karten drucken lassen. Während er auf die Karten wartete, beobachtete er, dass beim Auschecken von Paaren die Frauen die Rechnungen bezahlten und dass Japaner sich ständig voreinander verbeugten. Die Tiefe des „Dieners“ hing vom sozialen Rang des Gegenübers ab.
Unübersichtlich wie die Stadt waren die Entscheidungsstrukturen der „Nihon-Universität“. Der Präsident der Universität, Herr Kinoshita, so wurde gesagt, sei „krank“. Und da eine Neuwahl bevorstünde, müsse Herr Kinoshita ohnehin vorsichtig sein beim Gespräch über Investitionen. Aber Prof. Kajiwara war der Vertreter des Präsidenten und gleichzeitig sein „Leibarzt“. Der würde die Deutschen empfangen.
Am Morgen nach der Ankunft ging es zum Verwaltungsgebäude der Nihon-Universität. Durch Knäuel von Menschen hindurch eilte die Delegation zur U-Bahnstation. Der „Düsseldorfer“ ging stets voraus, man durfte ihn nicht aus den Augen verlieren. Alle Beschriftungen waren japanisch, so dass es kaum möglich war, sich zu orientieren.
Das Gebäude der Nihon-Universität war groß und beeindruckend. Unten leistete man sich ein kleines Gärtchen mit Fischteichen. Wie viele Millionen Yen mochten die paar Quadratmeter der Metropole wert sein, über welche die Fische da schwammen?
Die Delegation wurde in einen quadratischen Konferenzraum geführt, in dem um die leere Mitte Sessel gruppiert waren. Die Zeit blieb stehen. Nichts geschah. – Nach einer Weile ging die Türe auf und herein trat Prof. Kajiwara. Er war ein alter Mann, begrüßte alle sehr förmlich und nahm in einem Sessel gegenüber seinen Besuchern Platz.
Nichts Weiteres geschah.
Wer sollte jetzt anfangen?
Da begann der Vizepräsident und „Leibarzt“ leise und ohne jeden Blickkontakt: Es beeindrucke ihn sehr, dass die Herren eine so weite Reise gemacht hätten. Die „Nihon-Universität“ sei eine große Universität, da gäbe es viele Ansichten. Aber der Präsident interessiere sich für das Projekt in Deutschland. Leider sei er sehr krank.
Und damit endete die Ansprache von Prof. Kajiwara.
Es war Zeit für eine Entgegnung: Der Ministerpräsident ließe die besten Grüße bestellen und wünsche dem Präsidenten der Universität baldige Genesung. Sein Bundesland sei ideal für eine Investition. Die neue deutsche Hauptstadt, sei da gleich in der Nähe, und der gesamte Osten Europas läge vor der Tür. Auch besuche die Königin von England gerade diese Gegend...
Dem Vizepräsidenten war keine Reaktion anzumerken. Noch einmal nahm er das Wort: Leider sei der Präsident krank, aber demnächst würden einige Mitarbeiter der Universität nach Deutschland kommen. Er müsse nun gehen. Es habe ihn sehr gefreut, die Herren kennen zu lernen. Im Hinausgehen sagte er noch etwas zu einem unwirsch wirkenden Mann im hellen Anzug. Der verbeugte sich.
Eigentlich war der deutsche Politiker schon entschlossen, den als Gastgeschenk mitgebrachten Porzellan-Teller („von unserem König“) zu behalten. Da wurde der untersetzte Herr auf einmal freundlich und jovial. Was die Herren sehen wollten, fragte er. Die Wahl fiel auf die technischen Fakultäten. Deren Besuch wurde für den nächsten Tag verabredet. Nun stellte sich heraus, wer der Herr im hellen Anzug war. Es handelte sich um Prof. Sakuta, dem Leiter der universitären Fachkommission zum Investitionsprojekt in Europa.
Der Porzellanteller blieb am Ende doch in „Tokio“.
Es folgten weitere Gespräche mit Universitätsvertretern, mit dem deutschen Botschafter in „Tokio“, der deutschen Industrie- und Handelskammer sowie mit japanischen Geschäftsleuten. Allmählich schälte sich heraus, dass es an der Universität zwei Fraktionen gab: Die eine der nach Europa drängenden Expansionisten und die andere der für das Verbleiben auf Honshu kämpfenden Isolationisten. Wer sich warum und wie durchsetzen würde, vermochte niemand zu prophezeien. So meinten die Besucher, es könne nicht schaden, beim Besuch des „Meiji-Schreins“ Münzen zu spenden und dazu nach Landessitte in die Hände zu klatschen.
In der „Freizeit“ lernten die Deutschen, dass ein Essenservice in Japan aus je fünf Teilen bestand, das bei einem Geschenk die Verpackung wichtiger war als der Inhalt und dass ein Apfel fast so edel und kostbar sein konnte wie Gold.
Während des Besuches betonte der „Düsseldorfer“ immer wieder, wichtig für das Projekt sei Prof. Hamada. Den müssten die Herren unbedingt sprechen, und er würde ein Treffen mit ihm arrangieren. Doch alles müsse sehr vertraulich sein. Empört lehnte er es ab, einen Vertreter der deutschen Botschaft an dem Treffen teilhaben zu lassen: Irgendwie schien dieser Besuch auch ein geschäftliches Interesse zu tangieren.
Prof. Hamada hatte keinen Termin frei. Er sei zu Vorträgen in „Yokohama“, war zu hören. Ein anderes Mal hieß es, er hätte schon längst zu Hause sein müssen und seine Frau machte sich Sorgen. Dann wieder war er zwar in seiner „Praxis“ aufgetaucht (War er Mediziner?), dort jedoch so mit Terminen überhäuft gewesen, dass er gar keine Zeit für die Besucher aus Deutschland habe.
Plötzlich jedoch, am letzten Tag der Delegationsreise, verkündete ein strahlender „Düsseldorfer“, Herr Hamada habe Zeit. Er und weitere Professoren würden die Gäste gerne in ein traditionelles Restaurant zum Abendessen einladen.
„Das wird teuer für die!“, kommentierte ein ortskundiger Mitarbeiter