Название | Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen – Kommentar |
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Автор произведения | Klaus Schönenbroicher |
Жанр | Юриспруденция, право |
Серия | |
Издательство | Юриспруденция, право |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783792201428 |
2. Bewahrung und Verstärkung rechtsstaatlicher Prinzipien in der Eingriffsverwaltung
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Zweitens sollten mit dem OBG die „rechtsstaatlichen Errungenschaften“ des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 nicht nur bewahrt, sondern „übernommen und teilweise noch verstärkt“ werden[21]. Aus heutiger Sicht ist erstaunlich, dass das Handeln der allgemeinen Verwaltung noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einmal in den Grundzügen gesetzlich geregelt, sondern nach ungeschriebenen, zum Teil umstrittenen und unklaren allgemeinen Rechtsgrundsätzen „organisiert“ war. Das OBG füllte für die Eingriffsverwaltung diese Gesetzeslücke zumindest zum Teil aus (etwa § 20 Abs. 1 bis 3 in der Ursprungsfassung: Schriftform, Bestimmtheitserfordernis – jetzt § 37 Abs. 1 VwVfG). Zugleich führte es die großen Errungenschaften des preußischen Polizeirechts des Kaiserreichs und der Weimarer Republik fort[22]. Es ging um die rechtsstaatliche Einhegung, ja „Zähmung“ der Gefahrenabwehrbehörden, indem diesen klare, vor allem limitierende gesetzliche Handlungsvorgaben gemacht wurden (materieller Polizeibegriff). Hierzu gehören insbesondere die Trennung von Aufgaben- und Befugnisnorm (§§ 1, 14) sowie die Ausformulierung und verbindliche Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips[23]. Besonders wichtig auch die Verpflichtung der Ordnungsbehörde, die Rechtsgrundlage ihres Handelns anzugeben, was den heilsamen Zwang auslöst, sich zuvor darüber klar zu werden, „ob die Maßnahme auf Grund einer generellen oder speziellen Ermächtigung oder auf Grund beider erlassen wird“[24]. Die Vorschriften im OBG sind demgemäß zu Recht nicht ausschließlich als Rechtssätze, sondern auch und gerade als rechtsstaatliche Erinnerungen und Ermahnungen und praktische Handlungsanweisungen an die Adresse der gesetzesausführenden Behörden gedacht.
3. Die Verschränkung mit dem Aufsichtsproblem („Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung“)
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Drittens wurden mit dem OBG offenkundig auch kommunalverfassungsrechtliche Regelungsabsichten verfolgt bzw. politische Kompromisse der Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden in Gesetzesform gegossen. Im Hintergrund steht, dass es in Nordrhein-Westfalen schon seit der legendären Steinschen Städteordnung aus dem Jahre 1808[25] eine (parteiübergreifende) Tendenz gibt, den Ausgangsvollzug auf der untersten Ebene nicht versäulten staatlichen Sonderverwaltungen anzuvertrauen, sondern vor allem kommunalen Einrichtungen, in den heutigen Organisationsformen also den Gemeinden und Kreisen.
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Ein alter Streitpunkt war dabei, in welcher rechtlichen Rahmenstruktur und mit welchen Weisungsrechten übergeordneter Stellen diese Aufgaben wahrzunehmen seien. Während von kommunaler Seite schon immer die Forderung nach weitgehender Ingerenzfreiheit erhoben wurde, kann es nicht verwundern, dass Stimmen, die eher der staatlichen Praxis verpflichtet waren, für ein durchaus kräftiges Weisungsrecht eintraten, um einen recht- und gleichmäßigen Aufgabenvollzug im ganzen Land (vor 1945: Preußen, dann: Nordrhein-Westfalen) sicherzustellen. Die „Tradition des staatlichen Polizeimonopols“ war ein „preußisches Dogma“, allerdings ein recht umstrittenes und nicht zu allen Zeiten geltendes[26]. War vor der Steinschen Städteordnung die „gute polizey“ lange Zeit Selbstverwaltungsangelegenheit der Städte[27], setzte sich im 19. Jahrhundert in der preußischen Staatspraxis, in Rechtsprechung und Gesetzgebung immer mehr die Meinung durch, dass die Polizei ausschließlich staatliche, nicht kommunale Angelegenheit sei[28]. Dementsprechend bestimmte § 1 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes in bemerkenswerter Klarheit: „Die Polizei ist Angelegenheit des Staates“[29], und so lautet heute noch § 1 POG: „Die Polizei ist Angelegenheit des Landes“[30].
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Polizeikommunalisierungen durch die britische Besatzungsmacht zwischen 1945 und 1951[31], anfangs nicht einmal publiziert[32], in der Begründung kaum überzeugend und in der Durchführung zum Teil ungeordnet und unklar[33], blieben Episode[34]. Der erste NRW-Innenminister, Walter Menzel (SPD), arbeitete darauf hin, die Polizei unter die Kontrolle der Landesregierung bzw. des Innenministers zu stellen, dabei orientierte er sich an der preußischen Polizei unter Carl Severing; er betonte auch die Notwendigkeit der zivilen Führung der Polizei[35]. Staatliche Polizeibehörden auf der Ausgangsstufe sind die Polizeipräsidien und die Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörden. Die Ordnungsbehörden dagegen sind kommunale Behörden (sog. echte Kommunalisierung), auch eine Folge des Polizeikompromisses der Landesregierung (Innenminister Franz Meyers, CDU) mit den Kommunen aus dem Jahre 1953: staatliche Polizei, kommunale Ordnungsbehörden[36].
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Unklar und sehr lange umstritten war, welche Verwaltungstätigkeiten zu dem Begriff „Polizei“ im Einzelnen zu zählen waren. Schon 1932 merkte Franzen in seinem Kommentar zum PVG an, die Gemeinden übten gewisse „Polizeigebiete als Selbstverwaltungsangelegenheiten aus, z. B. die Aufsicht nach dem Geschlechtskrankheitengesetz und die Wohnungsaufsicht“[37]. Das Problem der Reichweite des Polizeibegriffs (im Sinne der Gefahrenabwehr, nicht der Wohlfahrtsverwaltung[38]) und der „Entpolizeilichung“ von Rechtsmaterien, die wir heute als Besonderes Verwaltungsrecht (Eingriffs- oder sogar Leistungsverwaltung, Sonderordnungsrecht in der Terminologie des § 12) bezeichnen würden, traf sich an diesem Punkt mit der Frage, ob und welche staatlichen oder kommunalen Behörden für welche Aufgaben der Gefahrenabwehr zuständig sein sollten[39]. Bei der Abfassung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931 wurde intensiv um diese Fragen gerungen[40], und nach 1945 setzten sich die Diskussionen fort, beschleunigt durch die unklaren und unausgereiften Kommunalisierungsbestrebungen der Besatzungsmächte[41]: „Dass die Polizei in Deutschland für Aufgaben der Bauverwaltung oder der Gewerbeaufsicht zuständig war, konnten die Amerikaner nicht verstehen. Polizei war für sie gleichbedeutend mit Uniform und möglicher Anwendung von körperlichem Zwang.“[42] In Deutschland dagegen gab es – jedenfalls bis vor 1918 – alle möglichen sogenannten „Polizei“rechtsmaterien, sogar die „Gesindepolizei“, die sich um das Führen der „Gesindedienstbücher“ durch das „Gesinde“ kümmerte[43]. Es war „schulpolizeilich“ verboten, Schulkinder während der Schulzeit mit Arbeiten zu beschäftigen etc.[44].
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Bedenkt man, dass sich schon 1956 weite Bereiche des heute sogenannten „Besonderen Verwaltungsrechts“ aus dem früheren „Polizeirecht“ im Wege der „Entpolizeilichung“ heraus entwickelt hatten[45] und diese Aufgaben von kommunalen Behörden vollzogen wurden, konnte der nordrhein-westfälische Gesetzgeber nicht bei der pauschalen Aussage bleiben, „die“ Polizei sei Angelegenheit des Landes. Ihm stellte sich vielmehr die Aufgabe, die nicht zum engeren Polizeibegriff gehörenden, von kommunalen Stellen wahrgenommenen Aufgaben der „Gefahrenabwehr“ (Eingriffsverwaltung, sog. materieller Polizeibegriff[46]) in einer rechtlichen Form zu regeln, welche einerseits den staatlichen Aufsichts-, Steuerungs- und Überwachungsinteressen entsprach, andererseits mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 78 Abs. 2 bis 4 LV) vereinbar war. Man greift daher zu kurz, reduziert man die Trennung von Ordnungsbehörden- und Polizeirecht nach 1945 nur auf Vorgaben und Verfügungen der Besatzungsmächte[47]. Rietdorf hat in der ersten Auflage seines Kommentars festgehalten: „Der seit Jahrhunderten, ja eigentlich von Anfang an, in Gang befindliche Verengungsprozeß des Polizeibegriffs ist auch heute noch nicht abgeschlossen. An die Stelle der Generalermächtigung des Staates zur Gefahrenabwehr, die es gestattete – unter Umständen nach wechselndem Ermessen –, abgeschlossene Lebensbereiche im Verordnungswege zu regeln, ist in zunehmenden Maße die spezialgesetzliche Behandlung zusammengehöriger Sachgebiete getreten.“[48] Rechtsstaatlich ging es um Präzisierung, weg von der Generalklausel