Hundsvieh. Daniel Badraun

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Название Hundsvieh
Автор произведения Daniel Badraun
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839241363



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Japaner, der am Rand des Platzes steht, dem Italiener zuwinkt und Häuser fotografiert.

      Gemächlich leere ich meinen Teller und sehe, wie Morandi mit dem Japaner intensiv diskutiert, denn Morandi gestikuliert wild mit den Händen, er zeigt auch immer wieder zu mir herüber. Ein Radfahrer quert den Arcas, er weicht einem hinkenden Rentner aus und verschwindet am unteren Ende des Platzes. Dann schaue ich zwei Kindern zu, die sich am Brunnen nass spritzen, eine Mutter schimpft, und als ich mich wieder umdrehe, sind Morandi und der Japaner verschwunden.

      »Kann ich abräumen? Oder kommt der Herr noch?« Die freundliche Bedienung deutet auf Morandis halb vollen Teller, ich schüttle den Kopf, sie stellt die Teller zusammen.

      »Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«

      Wieder schüttle ich den Kopf. Da habe ich mich ganz schön reinlegen lassen. Von wegen Einladung. Nun sitze ich da und muss wohl die ganze Rechnung begleichen, dabei habe ich selbst nur noch knapp neunzig Franken in der Tasche.

      Gleich kommt der peinliche Moment, gleich wird man mir mit einem professionellen Lächeln und in Erwartung eines ordentlichen Trinkgeldes die Rechnung präsentieren. Schnell habe ich unsere Ausgaben zusammengerechnet, meine neunzig Franken würden knapp ausreichen, hätte Morandi nur einen billigeren Wein gewählt. Nebst den Schulden hat mir Morandi nichts anderes zurückgelassen außer einer Streichholzschachtel, die ich einstecke.

      Die Schatten wandern über die Fassaden, ich trinke langsam den teuren Wein und sehe zu, wie der Platz sich allmählich leert. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie die Serviertochter rundherum einkassiert.

      »Bringen Sie mir bitte einen Espresso und die Rechnung, ich muss noch schnell …«

      »Aber …«

      Ohne ihre Antwort abzuwarten, gehe ich zum Haus hinüber, die Jacke lasse ich hängen, das macht einen besseren Eindruck, wirkt weniger verdächtig. Ein Zechpreller lässt seine Jacke nicht hängen, er rennt einfach so davon.

      Die Klos sind im Untergeschoss, ein mittelalterlich anmutendes Treppenhaus führt mich hinunter in die Tiefen Churs. Dunkle Holztüren, Schieferplatten, moderne Sanitärinstallationen. Die Fenster hier unten sind klein, nur ein enger Lichtschacht führt nach oben. Da komme ich unmöglich raus. Verzweifelt betrete ich eine der Kabinen, reiße so viel Papier wie möglich von der Rolle und mache einen kleinen Haufen am Boden. Dann ziehe ich Morandis Streichholzschachtel aus der Tasche und zünde den Haufen an. Im allgemeinen Durcheinander eines Feuers würde ich verschwinden können.

      Draußen geht die Wasserspülung, ein Handy spielt die Elise von Beethoven.

      »Ja? … Nein, Mama, nicht jetzt …. Aber Mama, ich bin in einer wichtigen Besprechung! … Sicher, Mama, ich rufe zurück, kein Problem Mama, ich vergesse es nicht.«

      Mein Feuer qualmt immer mehr, der Kerl da draußen soll mit seiner Mutter endlich verschwinden, damit ich »Feuer, Feuer!« schreien und abhauen kann. Beißender Rauch breitet sich aus, ich beginne zu husten.

      »He, was machst du da drin, bist du verrückt geworden!« Der Mann mit dem Beethoven-Handy hämmert gegen meine Klotüre. »Lebst du noch?«

      Ich sehe kaum noch etwas, meine Augen tränen, atmen kann ich auch nicht mehr, so gebe ich auf, entriegle die Türe und beginne, das Feuer auszutreten. Der Mann hilft mir, reißt dann alle Fenster auf, damit der Rauch abziehen kann, bevor die Brandmelder Alarm auslösen. Nach wenigen Minuten ist meine kümmerliche Brandstiftung Geschichte, eine lahme Erinnerung. Ich stehe da und starre verlegen auf meine Schuhe.

      »Wolltest du dich mit WC-Papier verbrennen?« Er lacht, während ich mir kaltes Wasser über das Gesicht laufen lasse. »Mettler, Mettler, etwas mehr Stil hätte ich dir schon zugetraut.«

      Langsam trockne ich mir das Gesicht ab. Vor mir steht in voller Körperfülle inklusive Lederweste und Dreitagebart … Reto Müller.

      »Hör auf zu lachen, Reto, ich stecke in der Klemme, oben wartet das Personal mit einer astronomischen Rechnung auf mich, und ich habe kein Geld.«

      »Das ist doch kein Grund, die ganze Churer Altstadt einzuäschern, oder?« Müller zieht eine fette Brieftasche hervor und gibt mir zwei Hunderter. »Reicht das? Oder brauchst du meine Hilfe sonst noch?«

      »Vor deiner Wohnung steht meine Reisetasche, wenn es geht, würde ich gerne ein paar Nächte bei dir schlafen.«

      »Mettler, du bist doch mein Freund, und du weißt, dass ich dir keinen Wunsch abschlagen kann.« Müller streicht sich über seine eingeölten Haare und prüft nach, ob sein Schwänzchen richtig sitzt.

      »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.« Langsam steigen wir die Treppe hinauf.

      »Das, mein Freund, werde ich dir heute Abend genau erklären!« Müller klopft mir auf die Schulter. »Um sieben bei mir in der Wohnung. Pünktlich!«

      Drüben am Tisch steht mein kalter Espresso. »Kann ich bitte zahlen?«

      »Das wollte ich Ihnen schon vorher sagen«, flötet die Bedienung zuckersüß, »ihre Konsumation wurde bereits beglichen!«

      »Und wer, bitte schön, hat bezahlt?«

      »Ein Japaner, er hat auf Sie und den anderen Mann gezeigt und gesagt, das gehe alles auf seine Rechnung.«

      »Und wo finde ich diesen Wohltäter? Schließlich will man sich doch bedanken.«

      »Er hat gesagt, er warte vor der Martinskirche auf Sie!« Die junge Frau zuckt mit den Schultern und beginnt dann, die Tischtücher einzusammeln.

      3.

      Es ist kühl geworden, die spielenden Kinder und ihre Mütter sind verschwunden, der Platz liegt im Schatten. Ich ziehe meine Jacke an, durchquere den schmalen Durchgang zwischen den Häusern und komme auf den Martinsplatz.

      Vor der Martinskirche steht ein Japaner und fotografiert das Portal. Lächelnd dreht er sich zu mir um und schaut mich irgendwie dankbar an, als hätte ich ihm höchstpersönlich dieses schöne Fotosujet hingestellt. Schauen wir mal, was der Mann von mir will. Aus purer Menschlichkeit wird er mir wohl kaum ein Essen spendiert haben.

      »Hallo, Mister Mettler, wie geht es?«

      »Kennen wir uns?«, knurre ich unfreundlich, denn für heute ist mein Bedarf an neuen Bekannten bereits ausreichend gedeckt.

      »Aber sicher, sicher, Mister Mettler, Sie sind ein Freund meines Freundes Marco Morandi. Die Freunde meiner Freunde sind auch meine Freunde!« Dazu lächelt er wieder breit und zeigt mir alle seine Zähne.

      »Aha!« Dass Morandi, der mich auf dem Arcas versetzt hat, ohne mir zu sagen, um was es bei diesem Treffen wirklich ging, dass er also mein Freund sein soll, ist mir nun wirklich neu. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«

      »Sie haben mit Morandi gesprochen, er sagte mir vorhin, dass Sie ein guter Mensch sind!«

      »Natürlich bin ich das!«, fahre ich ihn etwas zu grob an. Ein guter Mensch vielleicht, mehr aber auch nicht, denke ich, nicht mal eine ordentliche Zechprellerei bringe ich zustande.

      »Da bin ich ja beruhigt!« Wieder lächelt mich der Japaner freundlich an und zeigt auf die Häuser ringsherum. »Ich liebe die Schweiz!«

      »Schön«, brumme ich immer noch ziemlich irritiert. Diese asiatische Unergründlichkeit macht mich einfach fertig. »Dann gehe ich jetzt mal.«

      Der Japaner hält mich am Arm fest und schaut mir in die Augen, diesmal mit einem ernsten Gesicht. »Und? Machen Sie es?«

      »Was fragen Sie mich, fragen Sie Morandi.«

      »Er hat gesagt, ich soll Sie fragen!«

      Die ganze Geschichte ist mir doch etwas zu kompliziert. Wie war das noch? Morandi sollte mich fragen, ob ich etwas für den Japaner erledige. Oder ist es gerade umgekehrt?

      »Und was, bitte schön, soll ich machen?«

      »Das mit dem Hund, mit dem Hund von Giacometti, Morandi hat mir gesagt, dass Sie ihn mir