Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

Читать онлайн.
Название Sechs utopische Thriller
Автор произведения Conrad Shepherd
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745202267



Скачать книгу

vor der verabredeten Zeit verlassen, aber das kann mit Absicht geschehen sein. Wir werden sicher auch noch den Fahrer des Citycabs auftreiben, der Sie in die Mahin Road kutschierte. Was sagen Sie nun?«

      »Zufall«, bemerkte Conroy ungerührt.

      »Ach nein!«

      »Ach ja.«

      Der Lieutenant schnappte hörbar ein.

      »Hören Sie, es gibt verschiedene Arten, einen Mann zum Reden zu bringen«, warnte er, »wie es auch verschiedene Arten von Männern gibt.«

      Conroy gab sich gelassen. »Ich höre!«

      Die Traurigkeit auf Hojas Gesicht war verschwunden. Er stand auf, stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor.

      »Die einen sind freundlich und aufgeschlossen. Mit denen haben wir keine Schwierigkeiten. Dann gibt es eine zweite Sorte von Leuten, die sich für intelligent halten. Diese betrachten es für unter ihrer Würde, der Polizei zu helfen. Solche Burschen kann ich auf den Tod nicht ausstehen. Denen muss man schon mit gewichtigen Argumenten kommen, ehe sie anfangen zu reden.«

      »Was soll das? Wollen Sie mir drohen?«

      »Nehmen Sie's, wie Sie wollen.«

      »Jetzt hören Sie mir mal zu«, sagte Conroy frostig. »Sie vergaßen die dritte Sorte, Lieutenant. Jene, die partout beweisen möchten, dass sie die stärkere sind. Die können es nicht verkraften, wenn es einmal nicht nach ihrem Kopf geht. Und das, Lieutenant, ist die schlimmste Sorte von allen.«

      Ein Knurren drang aus Hojas Kehle. Conroy hatte den Eindruck, als würde der Leiter dieser Station explodieren. Nur mit Mühe fing er sich wieder.

      »Ich kann Sie nicht zum Reden prügeln«, sagte er gepresst. »Aber ich kann Sie festnehmen lassen. Aus einer ganzen Reihe von Gründen, die zu widerlegen Ihnen schwerfallen dürfte. Sehen Sie das ein?«

      Morton sah es ein.

      »Okay. Schließen wir einen Kompromiss, Lieutenant. Ich beweise Ihnen, dass ich nie in der Mahin Road war und demzufolge nicht der Mörder sein kann, und Sie lassen mich gehen.«

      »Ich höre.« Hoja lehnte sich zurück. Mit einer Handbewegung löschte er die Deckenbeleuchtung. Nun brannten nur noch zwei Lampen. Eine über einer holographischen, mehrere Quadratmeter großen 3-D-Stadtkarte von Schrinagar. Die andere über dem Schreibtisch.

      Conroy schüttelte den Kopf. »Sie haben die Fragen zu stellen, nicht ich, Lieutenant.«

      »Gut. Sie kennen einen gewissen Barbo Skorrow?« Nicht ohne Grund war der Schirm der Tischlampe so gedreht, dass Hoja außerhalb des Lichtkreises saß.

      »Nur per Telefon, er hatte seinen Sichtmodus nicht aktiviert.«

      Der Lieutenant kicherte. Das passte weder zu seiner Stimme noch zu seinem Äußeren. In dem abgezirkelten Lichtkreis, den die Lampe auf die Platte zeichnete, erschien eine Hand mit kräftigen Fingern; sie waren dicht behaart.

      »Wirklich? Überlegen Sie genau, was Sie sagen!«

      Die Hand schlug klatschend auf die Platte.

      Conroy kniff die Lider zusammen. Das grelle Licht ließ ihn blinzeln. Ein dumpfer Schmerz hinter dem rechten Ohr verursachte leichte Übelkeit; Nachwirkung des Kampfes am Kai.

      »Nun?« Die scharfe Stimme hinter dem Licht hatte alle Verbindlichkeit verloren.

      »Es ist so, wie ich Ihnen sage«, murmelte Conroy. Er war müde und gereizt. Er hätte Hoja hassen mögen. Aber etwas erinnerte ihn daran, dass der auch nur seine Arbeit tat. Und deshalb redete er weiter: »Ich verabredete mich zwar mit diesem Skorrow, hielt die Verabredung dann aber nicht ein, weil mir etwas dazwischenkam.«

      Schweigen. Durch eine offene Tür hinter seinem Rücken hörte Conroy eine halblaut geführte Unterhaltung. Ein Fenster wurde geräuschvoll geöffnet. Jemand lachte.

      »Sie lügen, Freundchen!«

      Als Conroy zu einer Erwiderung ansetzte, unterbrach ihn der Polizeioffizier heftig.

      »Die Sache ist die, dass vier Männer tot sind. Umgebracht auf höchst merkwürdige Arten. Es muss ein Messer im Spiel gewesen sein, und eine Schusswaffe. Mit einem dieser Männer waren Sie verabredet, Mister. Finden Sie nicht, dass dies zu allerlei Vermutungen Anlass gibt?«

      Hojas Miene war lauernd. Er beugte sich wieder über den Tisch. Voll beleuchtete ihn jetzt die Lampe. Die Augen in dem viereckigen Gesicht blickten eiskalt.

      Conroy erwiderte: »Alles, was Sie mir vorwerfen können, ist, dass ich Ihnen nicht mehr erzählen kann. Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich mich in offizieller Mission für das Rimtec-Institut in Ihrem Land aufhalte. Ich glaube, man wird wenig Verständnis dafür aufbringen, wenn man einen Repräsentanten dieser erdumspannenden Institution über Gebühr festhält – noch dazu unter äußerst fadenscheinigen Verdachtsmomenten.«

      »Sie sind hier nicht bei der Heilsarmee. Vergessen Sie das nicht, Mr. Conroy! Lassen Sie also diese unterschwelligen Hinweise auf diplomatische Verwicklungen. Ich weiß selber genau, wie weit ich zu gehen habe.«

      »Hoffentlich!«, knurrte Morton Conroy.

      Ein Zeigefinger stach in seine Richtung.

      »Noch einmal in aller Deutlichkeit: Vier Morde sind geschehen. Sie sind für mich eine Art Verbindungsglied, bis sich nicht andere Verdachtsmomente ergeben. Solange Sie mir nicht lückenlos nachweisen können, was Sie seit gestern Mittag in Schrinagar gemacht haben, kommen Sie nicht aus diesem Zimmer, diesem Gebäude heraus.«

      Da Conroy nicht die Absicht hatte, die restliche Nacht auf dem äußerst unbequemen Stuhl zu verbringen, redete er. Als er damit fertig war, stand eine steile Falte über Hojas Nasenwurzel.

      »Noch einmal«, sagte er voller Misstrauen. »Wann haben Sie Skorrow angerufen, dass Sie die Verabredung nicht einhalten könnten?«

      »Gegen 20.45 Uhr.«

      »Vom Hotel aus?«

      »Nein.«

      »Aha! Haben Sie Zeugen für dieses Gespräch?«

      »Aber natürlich. Als ich absagte, meldete sich der elektronische Gesprächsaufzeichner in Skorrows Büro. Ich hinterließ einen neuen Termin und ging dann zu der Verabredung, die mir dazwischengekommen war.«

      »Vermutlich eine Frau«, bemerkte Hoja anzüglich. »Und vermutlich können Sie als Kavalier deren Namen nicht preisgeben.«

      »Nicht doch! In welchem Jahrhundert leben Sie den, Lieutenant? Selbstredend nenne ich Ihnen den Namen der Dame. Es handelt sich um die stellvertretende Leiterin des Rimtec-Institutes, Nomi McIrnerny.«

      Hojas Gesicht war die personifizierte Skepsis. »Das soll ich Ihnen abkaufen?«

      »Wenn Sie die Dame anrufen würden, könnten Sie meine Angaben verifizieren. Sie würden auch feststellen, dass ich gar nicht in Skorrows Büro gewesen sein konnte. Einfach deshalb, weil die Zeit nicht übereinstimmen würde. Ich kann doch schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein, oder?«

      »Das kann man nicht wissen. In dieser Hinsicht habe ich schon die tollsten Sachen erlebt.«

      »Hören Sie zu.« Morton Conroys Stimme war flach, fast tonlos. »Nur weil Sie einen Mörder suchen und ich zufällig mit einem der Ermordeten zuletzt – nach Ihren Worten, die nicht unbedingt stimmen müssen – gesprochen habe, glauben Sie, mich unter allen Umständen überführen zu müssen. Aber das können Sie nicht. Erstens habe ich kein Motiv, das Sie mir unterschieben könnten, zweitens existiert kein einziger konkreter Hinweis darauf, dass ich das Büro Skorrows jemals betreten hätte. Und drittens fehlt jede Art von Waffe, mit der die vier umgebracht worden sind. Ihre Spürhunde haben nichts bei mir gefunden. Oder? Na, sehen Sie! Und wenn Sie sich endlich die Mühe machen würden, die Dame anzurufen, könnten Sie leicht feststellen, dass ich zu dem Zeitpunkt, an dem die vier getötet wurden, bei Miss McIrnerny