Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

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Название Sechs utopische Thriller
Автор произведения Conrad Shepherd
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745202267



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annehmen.«

      Sie steuerte den Hover vorsichtig durch eine enge Basarstraße. Conroy blickte hinaus auf die durcheinanderquirlende Menschenmenge. Foss ist sicher ein guter Agent gewesen, dachte er. Vielleicht sogar der beste, den SY.N.D.I.C. in seiner jungen Geschichte je hatte – bis er durch irgendeinen dummen Zufall aufflog. So etwas kann jedem passieren. Und wenn du noch so vorsichtig bist – irgendwann einmal wird auch deine Nummer in dieser Lotterie gezogen...

      Er verscheuchte die trüben Gedanken.

      Nachdem sie das Basarviertel mit seinem Gewirr von chinesischen Teestuben und mohammedanischen Gebetsstätten verlassen hatten und auf eine breite Straße kamen, befanden sie sich plötzlich und ohne Übergang im modernen Teil Schrinagars mit seinen Hochhäusern, den Banken, den Hotels und teuren Geschäften. Der Boulevard stieg etwas an und senkte sich dann in einer langen Geraden den Hügel hinab. Conroy erhaschte erneut einen kurzen Blick auf den Fluss Dschilam, an dessen Ufern sich die Kaianlagen mit der Pontonstadt erhoben.

      »Was ich Sie fragen wollte – dieser Pilot, der mich zum Kloster fliegen soll, Haan heißt er, glaube ich – was ist das für ein Typ?«

      »Einer der besten Piloten, mit denen ich je geflogen bin«, erwiderte sie. »Hat mal bei einer Luftlandeeinheit gedient und heimste alle möglichen Orden ein. Er lebt und arbeitet seit ungefähr fünf Jahren hier.«

      »Kommt er denn mit den politischen Verhältnissen zurecht?«

      »Er hat eine Einheimische geheiratet und gilt bei den Behörden mittlerweile als integriert.«

      »Er scheint also der Richtige zu sein, mich über die Berge und zu jenem Kloster zu bringen.«

      Sie nickte.

      »Er tut nichts anderes. Er versorgt die verstreut lebenden Stämme mit Medikamenten und Ausrüstungsgegenständen und fliegt Krankentransporte. – Außerdem«, jetzt lächelte Nomi, »für das Geld, das Rimtec ihm bietet, würde Haan sogar einen Abstecher in die Hölle machen.«

      ... das Rimtec ihm bietet...

      Offensichtlich hatte Nomi McIrnerny keine Ahnung davon, was sich in Wirklichkeit hinter dem Rimtec-Institut verbarg. Wusste nicht, dass ihr Boss, Poul Devlin, als hiesiger Kontaktmann zur FSA fungierte und die Gelder von SY.N.D.I.C. kamen.

      »Wohnt dieser Haan hier in Schrinagar?«

      »Wenn er nicht gerade unterwegs ist – ja«, bestätigte sie. »Unten am Fluss.«

      »Wie praktisch...« murmelte er.

      Nachdem sie zwei Kreuzungen passiert hatten, fiel Conroy ein zerschrammter, ockerfarbener Hover im Heckmonitor auf, der, obwohl sich immer wieder andere Verkehrsteilnehmer dazwischenschoben, stets etwa zweihundert Meter hinter ihnen blieb. Zu weit entfernt, als dass er mehr als nur die Umrisse eines Mannes am Steuer erkennen konnte.

      Den Zoom zu verwenden verkniff er sich. Seine Aktivierung hätte sicher ihre Aufmerksamkeit geweckt. Er hätte sich Antworten für ihre Fragen ausdenken müssen – doch dazu verspürte er keine Lust.

      Als sie vor dem Maniloa International ankamen, war vom Verfolger nichts mehr zu sehen.

      Falls es denn überhaupt einer gewesen war.

      Nomi McIrnerny drosselte die Geschwindigkeit des Hovers, umkreiste einen Zierpark, in dessen Mitte Wasserfontänen in die Luft stiegen, und hielt auf die Einfahrt des Hotels zu.

      »Wir sind da.«

      Er stieg aus. Nahm seine Tasche vom Rücksitz, stützte sich mit der Rechten auf die gewölbte Windschutzscheibe und beugte sich zu ihr hinein.

      »Sie kommen nicht mit hinauf?«

      Nomi McIrnerny wehrte lächelnd ab.

      »Ich werde mich hüten, Morton. Ich hole Sie in zwei Stunden wieder ab. Werden Sie bis dahin fertig sein?«

      »Ohne Ihre Hilfe wird es mir zwar schwer fallen – aber ja.«

      Sie lachte und zeigte eine Reihe perlweißer Zähne. »Hier! Falls Ihnen noch etwas einfällt, was Sie wissen möchten«, sie gab ihm ihre Karte, »dann rufen Sie mich doch einfach an.«

      »Mach ich«, versprach er.

      Sie lächelte stärker.

      Dann gab sie unvermittelt Gas.

      Er trat rasch zurück, fürchtete schon um seine Zehen. Mit einer Höllenfahrt zischte die feuerrote Kunststoffschale des Hovers die Zufahrt hinunter und verschwand aus Mortons Sicht.

      Er blickte ihr nach. Diese Nomi mit dem schrecklichen Nachnamen war schon ein faszinierendes Mädchen. Dann drehte er sich um; das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden. Conroy fühlte sich ein bisschen erschöpft nach dem langen Flug, sehnte sich nach einem kühlen Bad und einem doppelten Whisky.

      »Mein Name ist Conroy«, erklärte er dem weißhaarigen Malaien hinter dem Empfang. »Das Rimtec-Institut hat ein Apartment auf meinem Namen reservieren lassen.«

      »Doktor Morton Conroy?«

      Conroy nickte kurz.

      Doktor...!

      Wie sich das anhörte. Irgendwie gut.

      »Willkommen im Maniloa. Das Haus wünscht Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Hoffentlich gefällt es Ihnen bei uns.«

      Während Conroy das Formular ausfüllte und den Impulsgeber für die Apartmenttür ausgehändigt bekam, erkundigte er sich beiläufig: »Hat diese Stadt irgendwelche Attraktionen zu bieten?«

      Der Rezeptionschef leierte rasch eine Reihe von mehr oder minder exotischen Namen herunter, hinter denen sich nichts anderes als Bars, Tanztempel oder Freudenhäuser verbargen.

      »Schon gut, schon gut«, wehrte Conroy dünn grinsend ab. »Wenn ich die alle aufsuchen wollte, müsste ich meinen Beruf aufgeben.«

      »Soll der Boy Sie nach oben bringen, Sir?«, fragte der Rezeptionist höflich. Robotische Bedienstete waren zwar erheblich preiswerter, aber das Management des Maniloa legte offensichtlich Wert auf menschliches Personal.

      »Danke«, wehrte Conroy ab. »Ich werde es allein finden. Welche Nummer, sagten Sie...?«

      *

      Der Empfangschef wartete, bis sein Gast verschwunden war, dann aktivierte sein Bildtelefon.

      »Hier Parimandi. Aus dem Maniloa.«

      »Ja?«, knarzte eine elektronisch verstümmelte Stimme. Der Holoschirm baute sich zwar auf, blieb aber leer; der Angerufene hatte den Bildtransfer von seiner Seite aus deaktiviert.

      »Der Gast ist angekommen.«

      »Verstanden.«

      Der Angerufene ließ die Verbindung von seiner Seite aus zusammenbrechen.

      *

      Als Conroy über den Expresslift das einundzwanzigste Stockwerk erreichte, stieß er den Impulsgeber in das Kodeschloss von Nummer 2114 und fühlte kurz die Nanoelektronik erzittern.

      Gleich darauf fiel die Tür seines Apartments hinter ihm zu.

      Aufmerksam wanderte sein Blick durch den Raum mit seinem landestypischen Ambiente. Er hatte ein großes, geräumiges und fast luxuriöses Apartment zur Verfügung; Rimtec hatte ihm ein Eckzimmer reservieren lassen, von dem er einen weiten Blick über die Stadt und den Fluss hatte. Blaue Moskitonetze schirmten das King-Size-Bett ab, davor ein großer, bunter Teppich. Ein paar Sitzmöbel und ein Bildgeber modernster Bauart, der auf einen Nachrichtenkanal des PPB-Net justiert war. Mit einem lauten »Aus!« deaktivierte er das Gerät. Am Fenster, das die gesamte Breite der Stirnwand einnahm, standen ein niedriger Tisch und