Название | Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis |
---|---|
Автор произведения | Meinhard-Wilhelm Schulz |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745212631 |
Raimondo ist nie besonders kräftig gewesen. Jetzt im August sollten wir eigentlich in Davos sein, um uns zu erholen, aber leider hat er einen Auftrag angenommen und wir müssen hier im venezianischen Backofen ausharren.«
Wir blickten einander an, Volpe und ich, und verstanden uns auch ohne Worte: Selten hatten wir eine so selbstsichere Frau gesehen. Hätte sie nicht völlig verwirrt sein müssen, als wir bei ihr vorsprachen, nachdem die Klatschblätter der Stadt voll von Berichten über die Mord-Serie waren? Wusste sie nicht, dass mein Freund zu den Ermittlungen hinzugezogen worden war?
Und diese bezaubernde Schlange, an die ich bis heute voller Sehnsucht zurückdenke, beobachtete uns jetzt so, als ob sie es spannend oder spaßig fände, den berühmten Detektiv einmal aus nächster Nähe mustern zu können, ganz abgesehen von ihrem frivolen ersten Auftritt, durch den sie uns gleich zu Beginn das Heft aus der Hand genommen hatte.
»Ich gehen jetzt einmal hinüber«, platzte sie in unsere Gedanken hinein, »und sehe nach, ob er fertig ist.«
Während sie sich schlangengleich hinaus begab, sahen wir ihr bewundernd hinterher und folgten ihr ein paar Schritte. Dann schlenderten wir wieder ins Atrium zurück und schlossen die Tür, um unter uns zu sein:
Die im überkuppelten Atelier aufgestellten Werke des Meisters fanden wir abstoßend: immer nur grausige Szenen der griechischen Sage, darunter, wie Eteokles und Polyneikes sich gegenseitig das Schwert in die Brust stoßen oder Apollo die Kinder der Niobe tötet. All dies war stümperhaft gestaltet, nichts von Geschmack. Volpe sagte in meine Gedanken hinein:
»Ein ganz schön berechnendes Luder, unsere Cornelia, aber eines muss man ihr lassen. Die vierzig Jahre, die sie auf dem Buckel hat, haben ihrer Schönheit keinen Abbruch getan. Und wenn du mich fragst: Ich kann die blöden Hunde nicht verstehen, die sie sitzen haben lassen, nur weil sie keinen Busen hat. Als ob das das Wichtigste wäre. Heutzutage rennen die Weiber zu Tausenden mit Silikoneuter herum, und das will unsere Göttin nicht, obwohl sie im Gelde schwimmt. Sie will sie bleiben, und das ist bewundernswert. Ich jedenfalls hätte sie vom Fleck weg geheiratet, wenn ich … bin ich aber nicht«, sagte er.
»Auch wenn ich dir Recht gebe und ihr textilfreies Auftreten ebenfalls für berechnend halte, so ist ihr Verhalten dennoch verzeihlich. Überlege einmal, was ihr die Kerle, in die sie einst verliebt war, angetan haben, nur weil sie … und sie ist doch eine richtige Elfe. Ich bin gespannt, wie der Conte aussieht, der sich ihrer erbarmt hat.«
»…oder umgekehrt«, sagte Volpe seufzend, während sich die Tür öffnete. Leider war es nicht die Süße, sondern einzig und alleine ihr Mann, der nun zu uns herein kam.
Es war ein blässlicher schmallippiger junger Spund, so an die dreißig und nicht älter; dünn und groß; leicht gebeugt. Er trug, in der Taille mit einer Kordel gegürtet, einen bernsteinfarbenen Morgenrock aus reiner Seide, die das schüttere Blond seiner nackenlangen Haare, das Weichliche seiner Gesichtszüge und das wässrige Blau der Augen noch betonte.
Schlurfenden Schrittes trat er vor uns, die Füße in Latschen dieser Art, die nur einen einzigen Riemen kennt und verbeugte sich förmlich. Während wir uns erhoben, um ihn zu begrüßen, sagte er mit sanfter Stimme und einer fahrigen Handbewegung durchs Haar, wobei ein flüchtiges, fast kindliches Lächeln über sein Gesicht huschte, in dem Schweißperlen glitzerten:
»Entschuldigt bitte, Signori, dass ich Sie so lange habe warten lassen. Meine Frau hat mich aus tiefstem Schlaf gerissen und mir gesagt, wer gekommen sei. Ich musste noch unter die Dusche.
Wisst ihr, ich habe in letzter Zeit ziemlich viel mit der Ausmalung einer im Bau befindlichen Villa zu tun. Ich habe den Auftrag erhalten, die Wände des Speiseraumes mit Szenen aus der griechischen Sage zu gestalten. In meinem Studio leiste ich die Vorarbeit, indem ich die Motive vorzeichne, auf Karton. Das braucht Zeit und Geduld.«
Er wischte sich mit einem Tuch über die Stirn und dann über den Mund. Wir schwiegen und musterten den schlaksigen Jungen, der auf ersten Blick die Harmlosigkeit in Person zu sein schien und den Eindruck erweckte oder erwecken wollte, er könne weder ein Wässerchen trüben noch irgendeiner Fliege etwas zuleide tun. Nervös redete er weiter:
»Man könnte glauben, es wäre heute noch heißer und stickiger als gestern. Das macht mich wahnsinnig. Hoffentlich zieht bald ein Gewitter herauf. Ich muss alle Fenster geschlossen halten, denn es kommt nur Hitze herein.«
»Entschuldigen Sie bitte«, unterbrach ihn Volpe, »wir sind nicht hergekommen, um über die Hitzewelle zu lamentieren. Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie gestern an hatten. Könnten Sie es mir einmal zeigen?«
»Warum auch nicht?«, sagte der junge Mann, »es war mein blauer Anzug aus Seide. Ich trage bei diesen Temperaturen grundsätzlich nur Seide. Das bekommt der Haut am besten; einen Augenblick bitte!«
Er schlenderte schlaff wie eine Schlenkerpuppe hinaus, um kurze Zeit später mit einem frisch gewaschenen und frisch geplätteten nachtblauen Anzug wieder zu erscheinen. Dazu lächelte er ein Wenig schief und war rot angelaufen:
»Darin steckte ich bis zur Cena (Abendessen). Danach habe ich einen leinenen Kittel angezogen, um zu arbeiten. Ich arbeite am liebsten nachts, wisst ihr.«
»…und gegen Mitternacht sind Sie nicht zufällig noch einmal ausgegangen, beispielsweise, um frische Luft zu schöpfen?«
»Nein, ich habe durchgearbeitet, bis zum Morgengrauen, wie das meine Gewohnheit ist. Dann habe ich mich aufs Ohr gehauen. Ich bin ein ziemlich nervöser Mensch und brauche meinen Schlaf. Darum schlief ich auch noch, als Sie kamen, Signori.«
Aus seinen großen wässrigen Augenteichen, die feinen Händen leicht ineinander verkrampft, sah er uns an, als wartete er Beifall heischend auf zustimmende Worte, aber wir schwiegen und musterten ihn wenig freundlich:
Auch aus der Nähe betrachtet wirkte Conte Raimondo eher wie ein dummer Junge denn ein erwachsener Mann. Wenn man aber genauer hinsah, was wir jetzt taten, dann erkannte man zweifellos, dass dieser vorzeitig verbrauchte Zeitgenosse seine besten Jahre längst hinter sich hatte.
Die Haut wirkte gelblich wie Pergament und war welk. Feine Fältchen durchzogen sein Mienenspiel, wenn er versonnen lächelte; das weißblonde Haar fade und glanzlos. Er war, wie er war, ganz der Typ, dachte ich, auf den das Mauerblümchen seine letzten Hoffnungen setzt. Arme und Beine freilich, die er aus dem Morgenrock streckte, waren vor Muskeln berstend. Darüber konnte die gespielte Schläffe nicht hinweg täuschen.
»Dürfen wir Sie nun darum bitten, uns Ihren Garderobeschrank zu öffnen und Ihre Kleider zu zeigen?«
Der Conte zuckte zusammen. Für einen winzigen Augenblick verfinsterte sich sein Gesicht. Ein Wutanfall drohte auszubrechen, aber schon hatte er sich wieder in der Gewalt und sagte mit verstellt freundlichem Tonfall:
»Signore Tartini, Sie sind nur Privatdetektiv und haben dazu kein Recht. Doch wenn es denn sein muss … ich habe nichts zu verbergen … folgen Sie mir bitte … hier entlang!«
Er öffnete die Tür zum Korridor, und ich sah eine biegsame Gestalt barfuß in das zur rechten Seite hin gelegene Badezimmer huschen, um lautlos darin zu verschwinden. Das kostbare Seidentuch umwehte ihren Körper wie ein Schleier, glitt ihr aber beim hektischen Laufen vom Leib und flatterte zu Boden.
Sie hatte gelauscht. Ein Blick in Volpes Gesicht genügte, um zu erkennen, dass auch ihm die Szene nicht entgangen war. Dennoch taten wir so, als wäre nichts geschehen.
Raimondo stieß die Tür auf, welche in sein Schlafzimmer führte. Seine Wände waren mit stilisierten bunten Blumen vor grünem Hintergrund bemalt. In der Mitte stand ein zerwühltes Bett, die Laken und Decken wahrlos zusammengeknüllt; an der hinteren Wand ein fünftüriger Schrank aus Kastanienholz. Er war so groß, dass er fast die gesamte Wand einnahm.
Eine Tür nach der anderen öffnete er nun, um uns seine Garderobe vorzuführen: Eine