Название | Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis |
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Автор произведения | Meinhard-Wilhelm Schulz |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745212631 |
»CLAUDIO VERDI – IL TESSITORE (Weber) BUONO«
»Da sind wir an der richtigen Adresse«, sagte Volpe und nahm gleich zwei Stufen auf Einmal. Kaum vermochte ich ihm zu folgen. Ich war noch ganz außer Atem vom mit Mühe und Not überstandenen Jogging und nahm sie einzeln. Eine Kirchenglocke fing an, den jungen Tag einzuläuten.
Oben angekommen, ließ Volpe den ringförmigen Türklopfer gegen den ehernen Löwenkopf auf der eherne Pforte donnern, dass es nur so über den menschenleeren Platz hallte. Eine moderne Klingel gab es nicht. Wir warteten ungeduldig. Schließlich öffnete ein älterer Mann die kleine Klappe im rechten Flügel und blinzelte verschlafen in die Morgensonne. Dann murmelte er:
»Welcher idiota verdrischt da zu nachtschlafender Zeit unsere Haustür? Gleich hetze ich ihm die Hunde an den Leib.«
»Du verdammter Kerl«, herrschte ihn Volpe an, »warte nur! Ich bin es, Giuseppe Tartini und muss deinen Chef sprechen, und das auf der Stelle! Melde mich bei ihm an, sofort, falls du nicht in den Knast wandern willst.«
»Oh Gott«, flüsterte der alte Mann entsetzt, »der berühmte Volpe persönlich ist gekommen!«
Und dann laut:
»Mein Brötchengeber schläft noch. Wenn ich ihn wecken soll, muss ich wissen, was euer Begehr ist? Liegt etwas gegen uns vor? Haben wir etwas ausgefressen? Nein! Unmöglich! Wir sind eine anständige Firma und haben uns nichts zuschulden kommen lassen, schon gar keine Steuerhinterziehung.«
»Natürlich habt ihr das! Machen doch alle Italiener. Aber darum geht es gar nicht«, knurrte Volpe, »wir brauchen nur ein kleines Gutachten des Fachmanns für Textilien. Mach endlich auf und lass uns rein!«
Der Diener des Hauses hantierte umständlich mit dem Balken, der auf der Innenseite vor die Flügel des Tores gelegt war, öffnete eilig die Pforte und führte uns dann ehrfürchtig durch eine Art Atrium hinüber ins Büro, wo er uns zwei Korbsessel anbot und den verschlafen zum Vorschein gekommenen Butler anherrschte, er solle uns auf der Stelle ein Getränk anbieten.
Dort also hockten wir nun fürs Erste hin und befeuchteten die Kehle mit einem wunderbaren Fruchtsaft, bis der alte Claudio endlich herein gewackelt kam, vor lauter Schläfrigkeit ein Auge zugekniffen. Statt uns zu begrüßen, nahm er einfach Platz und sah uns fragend an. Er roch stechend aus dem Mund und hatte Speisereste zwischen den Zähnen. Volpe hielt ihm den ominösen Stoff-Fetzen unter die Nase:
»Stammt das Muster von Ihnen?«
Der alte Mann drehte es mehrfach in Händen und runzelte die Brauen. Volpe reichte ihm sein Vergrößerungsglas. Jetzt blühte Claudio sichtlich auf und sagte:
»Natürlich! Jetzt erkenne ich es wieder. Das ist unser edelstes und teuerstes Gewebe, welches wir zurzeit herstellen: knapp drei Viertel schwarze Seide; knapp ein Viertel graue Seide; der Rest Elastin; alles kunstvoll ineinander gewebt, damit es ein gewisses Flimmern im Sonnenlicht bewirkt: ein Stoff der Träume.«
»Wird das viel verlangt?«
»Wenig, Signore Tartini, wenig! Es ist so teuer, dass es sich der gemeine Mann nicht leisten kann, und wir finden Abnehmer bei den führenden Modeherstellern Europas. Aber auch die High Society unserer schönen Stadt ist Kunde.«
»Haben Sie eine Liste der Schneider, die Sie in Venedig damit beliefern?«, fragte Volpe und nahm die Probe wieder an sich:
»Es gibt insgesamt nur vier von diesen. Gerne will ich im Computer nachschauen und Ihnen die Adressen geben.«
»Das wäre nett«, sagte Volpe, und Claudio ging zum seitlichen Schreibtisch, fuhr einen veralteten Rechner hoch und hackte eine Weile auf der Tastatur herum. Nicht lange, und er war fündig geworden. Rasch markierte er die gesuchten Anschriften, um sie auszudrucken und Volpe zu überreichen.
»Grande Maestro Volpe, ich hoffe, Ihnen gedient zu haben.«
»Sehr sogar«, sagte mein Freund und nahm sie an sich. Dann verabschiedeten wir uns, um eilig das Weite zu suchen. Nach meiner Einschätzung lagen einige Kilometer Pflastertreten vor uns, weil die Schneiderzunft ihre Werkstätten über die Stadt verstreut hat und keine gemeinsame Gasse belegt.
»Ein Königreich für eine Gondel oder ein Wassertaxi!«, stöhnte Volpe, »aber so früh am Morgen pennen die Faulpelze noch. Außerdem befahren sie nur die größeren Kanäle, so dass wir zu Fuß wahrscheinlich schneller an das Ziel kommen; andiamo!«
»Gehen wir zuerst die zweihundert Meter hinüber in die ‚Calle Cassellaria‘, wo Schneidermeister Marco Antonio Gallico zu finden sein soll«, riet ich.
»Gut«, sagte Volpe, »und das bringt uns dem Markuspatz um zweihundert Meter näher.«
Und schon rannten wir in südlicher Richtung davon. Dort angekommen, fragten wir einen der vorüber Gehenden nach dem Schneider. Er zeigte auf ein nahes Haus, in dessen gewölbten Erdgeschoss eine Werkstatt untergebracht war. Als wir näher kamen, lasen wir den Namen des Meisters Gallico in vergoldeten Buchstaben über den Eingang; daneben eine aufgeklappte Schere. Wir waren am Ziel und gingen hinein. Ein stämmiger rothaariger Mann war drinnen mit Nadel und Faden beschäftigt:
»Buon Giorno, Maestro Gallico!«, sagte Volpe.
»Buon giorno, signori, buon giorno, grande Maestro Volpe«, entgegnete der Schneider voller Freude, »welch‘ eine Ehre! Venedigs bekanntester Privatdetektiv stattet mir einen Besuch ab! Was kann ich für Sie tun?«
Volpe hielt ihm den ominösen Fetzen unter die Nase.
»Verarbeiten Sie dieses Material da?«
»Gewiss! Aber nur für betuchte Kunden. Der Pöbel kann sich so etwas nicht leisten.«
»Hm, und stellen Sie gelegentlich auch einmal einen Kapuzenponcho her?«
»Höchst selten. Nur so ein paar verrückte Landsleute kommen dafür in Frage. Den letzten Poncho aus Seide habe ich vor drei Monaten gefertigt.«
»Und wer war der Kunde oder Einzelhändler?«
»Ich liefere nur an Einzelkunden, aber an welchen es war, weiß ich nicht mehr. Da muss ich im PC nachsehen. Ich hebe solche Kontrakte stets volle fünf Jahre lang auf, wie das die Finanzwache verlangt.«
Gallico legte Nadel und Faden beiseite, ging hinüber in sein Büro und hockte sich vor den Bidschirm, um solange herum zu wurschteln, bis er den Käufer geortet hatte. Schmunzelnd druckte der Meister den Namen auf ein Blatt aus. Als er es Volpe vorlegte, strahlte er und sagte:
»Mein letztes dieser Meisterwerke ging vor genau einem Monat über den Tresen. Der Kunde heißt, äh, ist oder war ein gewisser … ‚Conte Raimondo d‘ Inceto‘, wohnhaft im Palazzo Papafava. Er liegt in der ‚Calle delle Racchetta.«
»Da haben wir auf Anhieb den ersten Fisch an der Angel, und was für einen fetten! Gratuliere, Sergiu, dass ich auf dich gehört habe, hihihi! Auch das blinde Hühnchen findet hin und wieder einmal ein Korn. Wir sind gleich beim ersten Schneider fündig geworden, und der Palazzo liegt nur wenige Fußminuten vom jeweiligen Tatort entfernt.
Freilich können wir erst dann eingreifen, wenn wir die fünf anderen Schneider abgeklappert haben. Das Langstreckenrennen geht also weiter. Ich denke, wir werden uns bei den nächsten Olympischen Spielen im Marathon hervortun«, sagte Volpe kichernd und händereibend.
»Das wäre noch was«, sagte ich grinsend, »wenn die ‚Gazzetta dello Sport‘ auf ihrem typisch blassrosa Papier schriebe, Italiens bester Detektiv Volpe und sein Freund Sergiu hätten im Marathonauf Gold- und Silbermedaille abgeräumt, hihhi.«
Wir stürmten auf und davon. Im Renngalopp überquerten wir die Brücke