9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017. Frank Rehfeld

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Название 9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017
Автор произведения Frank Rehfeld
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783745212556



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ist der Welt Lohn“, seufzte Lovell. „Ich hätte es wissen müssen. Du bist der lebende Beweis dafür, dass in alten Sprichwörtern viel Wahres steckt. Du hast mir ewige Dankbarkeit geschworen. Erinnerst du dich vielleicht noch daran?“

      „Sicher. Ich konnte damals nicht ahnen, wie unverschämt du das ausnutzen würdest.“

      „Alright. Sind wir jetzt fertig mit der Vorrede?“ Lovell legte die Unterarme auf den Schreibtisch und faltete die Hände. „Ich musste eine Festnahme vortäuschen, weil das für deine Legende wichtig ist. In deinem eigenen Interesse! Es geschah praktisch zu deiner eigenen Sicherheit.“

      „Toll!“, knurrte Barry. „Und es gab natürlich überhaupt keine Möglichkeit, mich vorher wenigstens mal zu fragen, ob ich überhaupt mitmache.“

      „Das siehst du falsch“, grinste Lovell. „Ich hatte gar nicht vor, dich zu fragen. Dass du mitmachst, ist selbstverständlich. Davon muss ich einfach ausgehen.“ Dem Trucker blieb die Luft weg. Er konnte sein Gegenüber nur noch anstarren.

      „Interessiert es dich denn gar nicht, was du für mich tun sollst?“, fragte Lovell, indem er sich vorbeugte.

      Barry schüttelte den Kopf. „So, wie ich dich kenne, kann es nur ein Himmelfahrtskommando sein.“

      Lovell lehnte sich zurück. Er lachte. „Ich muss sagen, du kennst mich gut. Verdammt gut...“ Mehrere Sekunden lang erforschte sein Blick aus schmalen Augen die Gesichtszüge Barry Deegans.

      Der Trucker hielt diesem Blick stand. Zumindest das würde er schaffen: in diesem stummen Kräftemessen der Sieger zu bleiben.

      „In Ordnung“, sagte Lovell schließlich. „Dann wollen wir mal in die Einzelheiten einsteigen. Unsere Zeit ist nämlich knapp.“

      11

      Es war eines von diesen weißen Kolossalgebäuden, mit denen man früher versucht hatte, den Stil der alten Römer nachzuahmen. Die Sonne schien auf ein gewaltiges Säulenportal, zu dem wenige flache Steinstufen hinaufführten. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Gediegen gekleidete Leute, die sich anstrengten, wichtig auszusehen, mit ihren kalbsledernen Aktenkoffern und dem amtlich ausgestellten Namensschild am Revers, was innerhalb des Hauptquartiers einem Passierschein gleichkam.

      Aus dem Fachkauderwelsch, das durch die Luft schwirrte, hörte Jim heraus, dass die Besucher der State Police hauptsächlich Juristen waren. Neben Uniformierten, die mit knallenden Stiefelabsätzen durch die Eingangshalle marschierten, waren auch die energischen Gents in den dunkelblauen Anzügen, mit weißem Hemd und dezenter Krawatte, zu besichtigen. Der Typus, den Sheila beschrieben hatte, erkenntlich an den blinkenden Dienstmarken auf der Jackenbrust.

      In der kühlen Marmor-Eleganz der Halle wirkte Jim wie eine Erscheinung aus einer fremden Welt. Und er fühlte sich ungefähr so, wie sich der reitende Teil seiner texanischen Vorfahren gefühlt haben musste, wenn er nach drei Monaten auf dem Rinder-Trail den Plüsch-Salon eines Bordells in Kansas City betreten hatte.

      Mit den Westernstiefeln, den engen Jeans und dem buntkarierten Hemd lenkte der große Mann aus San Antonio vor allem die wenigen weiblichen Blicke auf sich. Unter den Juristen und Staatspolizisten war die Männerwelt noch in Ordnung, der Anteil des schwachen Geschlechts, das sich in diesem Bereich selbstverwirklichte, äußerst gering.

      Jim hatte die Telefonnummer von der Visitenkarte abgeschrieben, auf einen Notizzettel, der von einem Block mit Budweiser-Werbung stammte. Er trug den Zettel zu der Anmeldung. Das Personal dahinter war durch dunkel getöntes Glas getarnt. Jim legte den Zettel und seinen Führerschein in eine Art Kassenbox.

      Auf der anderen Seite wurde ein Hebel betätigt, und Zettel und Lizenz kamen jenseits des dunklen Glases wieder zum Vorschein. Jim sah erst jetzt, dass das schattenhafte Wesen, dem er gegenüberstand, eine Frau war. Eine männlich aussehende Beamtin in der regulären Uniform der State Police. Sie betrachtete den Führerschein mit Kennermiene. Bei dem Zettel hingegen sah sie aus, als ob sie eine tote Fliege aus ihrer Pizza gepflückt hätte.

      Jim erklärte ihr, dass er den Inhaber der Durchwahlnummer zu sprechen wünschte.

      Ebenso gut hätte er um einen Termin bei Mr. President persönlich bitten können.

      „Das ist Captain Lovells Nummer. Haben Sie einen Termin?“

      „Brauche ich den denn?“, entgegnete Jim mit einem Lächeln, das normalerweise entwaffnend gewirkt hätte. Nicht in diesem Fall.

      Mit eckigen Bewegungen warf die Uniformierte Führerschein und Zettel in die Box und beförderte beides per Hebelschwung zu Jim zurück.

      „Wenn Sie Captain Lovell sprechen möchten“, erfuhr er, „melden Sie sich ordnungsgemäß an. Sie erhalten dann einen Termin, an dem Sie vorsprechen können.“

      „Vorsprechen?“, lächelte der Texaner.

      „Ja. Richtig.“ Die Lady blinzelte irritiert.

      „Hm. Vorsprechen ... hört sich an nach Audienz, nach König und Untertan, nach Herrscher und Pöbel.“

      „Wie bitte?“

      Das Blinzeln nahm zu.

      „Bestimmt muss ich den Antrag schriftlich einreichen. In dreifacher oder fünffacher Ausfertigung? Mit handgeschriebenem Lebenslauf? Mit polizeilichem Führungszeugnis? Habe ich noch irgendetwas vergessen?“

      „Nein“, entgegnete die Beamtin pikiert. „Den Antrag auf Termin bei Captain Lovell können Sie formlos stellen.“

      „Ach! Heißt das, ich brauche nicht in Form zu sein... an dem Tag, an dem ich diesen denkwürdigen Antrag stelle?“

      „Sir!“ Endlich hatte sie mitgekriegt, dass sie auf den Arm genommen wurde. Empörung glühte aus ihren Augen.

      Zwei weitere Beamte blickten von ihren Schreibtischen auf. Auf die Entfernung, hinter dem dunklen Glas, wirkten sie wie schemenhafte Wesen.

      Jims Lächeln fror ein. „Alright, Madam“, sagte er eisig. „Mir ist die Zeit für Späße auch zu schade. Ich will keinen Termin bei diesem Captain Lovell, ich will mit ihm reden. Und zwar sofort.“

      Die Beamtin starrte ihn an. Einer ihrer Kollegen am Schreibtisch drückte den Knopf einer Sprechanlage und sagte etwas.

      „Sie können Captain Lovell nur nach vorheriger Terminvereinbarung sprechen“, sagte die Uniformierte ihren auswendig gelernten Text auf.

      Ihre beiden Kollegen standen auf und kamen herüber.

      „Hören Sie mal“, sagte der eine. „Wenn Sie hier Stunk machen wollen, ausgerechnet hier... dann sind Sie schneller draußen als Sie reingekommen sind.“

      „Kann ich mal telefonieren?“, sagte Jim ungerührt.

      „Aber nicht mit Captain Lovell!“, brüllte der, der eben gesprochen hatte.

      „Nein“, entgegnete der Trucker ruhig. „Ich möchte ein Ferngespräch beantragen. Oder kann ich es formlos führen?“

      Er sah, dass dem Trio hinter Glas fast die Galle überlief. Zähneknirschend verwiesen sie ihn an eine Telefonbox weiter hinten in der Halle.

      12

      Jim hatte beides im Kopf: den Vorwahl-Code für San Antonio und die Rufnummer, die er brauchte. Während er wählte und wartete, blickte er durch das Grün der Zimmerpalmen.

      Von rechts, aus einem Seitenkorridor, tauchten zwei uniformierte State Cops auf. Im Stechschritt stürmten sie die Halle. Die Hartholz-Schlagstöcke hielten sie bereits in der Hand. Die Revolverholster bewegten sich im Takt ihrer Schritte. Suchend sahen sie sich um, verlangsamten ihr forsches Tempo und schlurften dann achselzuckend auf den Glaskasten zu.

      Die Auskunft, die sie dort erhielten, schien ihren Einsatz-Eifer nicht gerade anzustacheln. Unschlüssig linsten sie in die Runde.