Название | 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018 |
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Автор произведения | Christoph-Maria Liegener |
Жанр | Зарубежные стихи |
Серия | |
Издательство | Зарубежные стихи |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746992471 |
Sankt Nikolaus – demnächst vergessen?
Macht nichts: Santa Claus statt dessen!
Stille Nacht – auf Wiederseh'n?
Jingle bells klingt doch ganz schön
und White Christmas ebenso!
Auch berieselt Let it snow
uns alljährlich bundesweit.
Oh, du gnadenreiche Zeit.
Katharina Süs
Kohlrabi
Kohlrabi mochte sie nur auf eine Art und zwar roh mit Salz.
An diesem Morgen aß sie ein Drittel Kohlrabi mit Salz, zwei Scheiben Brot, eins mit Käse, eins mit Schinken und trank einen Earl Grey mit Zucker und einem Schuss Milch. Dann dachte sie daran, das dreckige Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, stand auf und sprang aus dem Fenster.
Im Krankenhaus gab es Erbsen mit Kartoffelpüree und etwas, das vielleicht Fleisch war, aber wenn ja, wollte man lieber nicht wissen von welchem Tier und was es durchgemacht hatte und wenn nicht, dann woraus zur Hölle war es gemacht und warum musste man diesem gotteslästerlichen Kunstprodukt mit der Eigenschaft halb zäh, halb schwammig zu sein auch noch eine rosarote Färbung verleihen?
Zwei Drittel einwandfreie Kohlrabi waren im Verfall begriffen, weil sie nicht die Geistesgegenwart gehabt hatte ihren Sprung aus dem Fenster als gewöhnlichen, fensterputzplanungstechnischen Haushaltsunfall zu tarnen und sich mit der Angabe den dreistöckigen Fall ganz freiwillig herbeigeführt zu haben auf der Stelle als Kandidatin für die psychatrische Abteilung qualifiziert hatte und als solche unmittelbar nach den Erbsen in ihrem Bett in eben diese Station gekarrt wurde, die – wie der Zufall es wollte – im dritten Stock lag und aus der es für sie – weil andere es wollten – für die nächsten zwei Wochen und bis zum totalen Verfall der Kohlrabi kein Entrinnen gab. Kohlrabiverschwendung und Karma und Revenge is a dish that is best served lauwarm: Am Abend, der in der Psychatrie üblicherweise etwas früher als allgemein üblich beginnt, wurden ihr gekochte Kohlrabi in zu sahniger Sahnesoße, zerkochte Kartoffeln und eine Scheibe Kochschinken mit der Bitte serviert, alles schön, brav aufzuessen, die Pillen nicht zu vergessen und alsbald zu Bett zu gehen. Sie aß alles schön, brav auf, vergaß auch die Pillen nicht, erbrach alles unwillentlich und ging alsbald zu Bett.
Nicole Ruggle
Der Schneewittchenspiegel
Stellen Sie sich mal vor, Sie machen Sport - und niemand interessiert es!
Das ginge ja gar nicht. Falls Sie also auf social media vertreten sind - teilen Sie es unbedingt allen Freunden mit, dass Sie heute wieder geschwitzt haben, und was für ein toller Hecht Sie doch sind! Untermauern Sie diese Behauptung mit ganz vielen Selfies; beim Joggen, im Kraftraum, an der Saftbar. Geizen Sie nicht mit der Protzerei!
Teilen Sie auch allen Leuten mit, wo Sie heute wieder durch den Wald gelatscht sind. Nichts interessiert Ihre social media Kumpanen mehr, als irgendeine völlig nichtssagende GPS-Route an Ihrem Wohnort. Und, am Wichtigsten: Vergessen Sie bloss nicht die Hasthags. #health #fitness #ichbinsotoll #eintollerbinich #toll #nike #sportswear #megatoll
Aber nicht nur Bilder sagen etwas aus, die Selbstdarstellung muss natürlich auch durch eine gehörige Portion
Überschätzung der eigenen Person und einer
Selbstbeschreibung genüge getan werden, die ihresgleichen sucht.
Falls Sie also einen Twitter-Account besitzen, schreiben sie möglichst viele hippe und englische Wörter in Ihre Biographie. Sparen Sie auf keinen Fall damit!
Falls der Job im richtigen Leben nichts hergibt, dann sind sie zumindest in der Freizeit irgendetwas mit #Fitness, #Coach, #Influencer oder irgendeine andere nichtssagende, lächerliche Verkörperung eines narzisstischen Zeitgeistes, dem Sie unbedingt entsprechen wollen.
Falls Sie ein Mann sind, empfiehlt es sich, möglichst intellektuell und reif wirken zu wollen. Sie wollen ja schliesslich in dem, was sie von sich geben, auch ernst genommen werden.
Laden Sie ihr Profilbild in bedeutungsschwangeren Grautönen, schwarz-weiss oder wahlweise noch in sepia hoch. Tragen Sie auf jeden Fall eine Brille. Und falls Sie keine haben - tun Sie es trotzdem. Setzen Sie jetzt Zeigefinger und Daumen in einem leicht gespreizten Winkel an den graumelierten Bart, den Sie sich extra für ihr Profilbild ein wenig länger wachsen haben lassen. Das wirkt nachdenklich und intelligent.
Die ganz Hartgesottenen können auch noch die teure Armbanduhr mit aufs Bild nehmen (natürlich reiner Zufall - der Kamerawinkel war eben grad so), oder eine Zigarette in der Hand halten. Damit wirken Sie dann so richtig intellektuellverrucht.
Als Frau empfiehlt es sich dagegen eher, etwas juveniler wirken zu wollen. Schliesslich wollen Sie, selbst dann, wenn Sie eine reife und erfahrene Frau sind, doch noch zeigen, dass Sie es in Sachen Jugendlichkeit und Sexyness mit jeder 20-Jährigen ohne Umschweife noch aufnehmen können.
Benutzen Sie einen möglichst auffälligen Lippenstift. Machen Sie das Foto so, dass auf jeden Fall noch 3/4 ihrer sekundären Geschlechtsteile auf dem Bild zu sehen sind (von oben herab) - versichern Sie aber gleichzeitig, dass das alles völlig ungewollt war - Sie wissen schon, der Kamerawinkel!
(Vergessen Sie auch nicht - wenn Sie schon mindestens zwei Mal in der Zeitung waren, dann brauchen Sie unbedingt einen Wikipedia-Artikel. Die Leute sollen doch wissen, wer Sie sind! Und den blauen Haken auf einer social media Plattform Ihrer Wahl müssen Sie sich natürlich auch erbetteln; damit die Leute wissen, dass alles, was Sie sagen, tatsächlich Gewicht hat.)
Falls Sie Instagram haben:
Als Frau sollten Sie möglichst viel nackte Haut zu zeigen. Falls Sie sich dafür insgeheim doch etwas schämen, nehmen Sie einfach ein Kind oder ein Haustier mit aufs Bild. Das lenkt ab und suggeriert dem Gegenüber, dass es Ihnen eigentlich primär ja gar nicht darum ging, Herzchen und Likes für ihren Hang zur exhibitionistischen Selbstdarstellung zu bekommen. Eigentlich wollten Sie ja nur zeigen, was für eine gute Mutter sie in Wahrheit sind. (Noch besser: Machen Sie das eigene Kind ungefragt gleich selbst zur Sensation - und streichen Sie die Bewunderung dafür ein.)
Als Mann muss natürlich der Sixpack in die Kamera gehalten werden - keine Frage! Falls Sie keinen haben, fotografieren Sie das Auto vom Kollegen ab, oder leasen Sie sich ein sündhaft teures in einer Autogarage ihrer Wahl, die Sie sich eigentlich sowieso nicht leisten können. Vergessen Sie nicht: Alles, was Sie online stellen, soll unglaublich subtil ein stiller Hinweis auf ihre Potenz sein. Auch hier empfiehlt es sich als Alibiübung ab und zu eine schöne Landschaft abzulichten oder einmal die Freundin mit aufs Bild zu zerren. Nicht, dass noch jemand auf die Idee käme, Sie seien lediglich auf oberflächliche Bewunderung aus.
Seien Sie sich im Klaren darüber, dass alle Likes, Herzchen und Kommentare von Bewunderern absolut ernst und aufrichtig gemeint sind. Verdrängen Sie die Tatsache, dass gerade solche Plattformen wie Instagram oft nur Tauschbörsen von digitaler Aufmerksamkeit sind. "Ich like dich - dafür likest du mich."
Glauben Sie, dass Sie derjenige sind, den Sie darstellen.
Vergessen Sie, dass social media in Wahrheit nur der Schneewittchenspiegel ist, der uns das zeigt, was wir so dringend sein wollen - und nicht das, was wir tatsächlich sind.
Kommentar: Köstlicher satirischer Seitenhieb auf die Social-Media-Gesellschaft. (Schweizer Rechtschreibung wurde belassen.)
Andrea Z. Rhein
Verlorenwesen
Sie schwingt sich auf ihr Rad. Leichtfüßig, leichtherzig. Die Welt gehört für diesen kurzen Herzschlag ihr. Wer weiß schon, wie es später ist, ob sie alles im Griff halten kann. Jetzt erhebt sie sich in den glühenden Morgenhimmel.
Sie saust den Hügel hinunter wie eine Schwalbe am Sommerabend und tritt am