Название | Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band |
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Автор произведения | Gerhard Henschel |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783455005011 |
Meine Kusinen waren noch klein und fuhren jeden Tag nach unten. Tante Jutta sagte, daß es unten viel schöner für mich sei. Da sei der Sandkasten, und da seien auch noch andere Kinder, aber ich wollte nicht zu den anderen Kindern. Ich wollte oben bei Tante Jutta bleiben.
Auf dem Balkon konnte ich ihr beim Abnehmen der Wäsche helfen. Ich warf die abgemachten Klammern in einen großen Känguruhbeutel.
Onkel Dietrich kaufte mir zwei Spielzeugindianer, bei denen man die Arme bewegen konnte. Von Mama hatte ich fünf Mark als Taschengeld mitgekriegt. Davon wollte ich mir noch mehr von den Indianern kaufen, aber Tante Jutta war dagegen. Mehr als eine Mark durfte ich für die Indianer nicht ausgeben, obwohl das Geld meins war. »Klappe zu, Affe tot«, sagte Tante Jutta. Das sagte sie ganz oft, auch wenn sie den Telefonhörer aufgelegt oder die Spülmaschine zugemacht hatte: »Klappe zu, Affe tot.«
Im Kinderzimmer bauten meine Kuinen und ich eine Butze. Über den Tisch kam eine Decke, die bis zum Boden runterhing. Jetzt konnten wir unter den Tisch kriechen und in der Butze sitzen.
Dann wollten sie wieder nach unten. Ich blieb lieber in der Butze hocken.
Einmal machten wir einen Spaziergang in den Wald. Da fand ich Himbeeren und Blumen und einen Stock, den ich als Schwert benutzen konnte. In die Wohnung durfte ich das Schwert aber nicht mitnehmen.
Dann sollte ich in die Badewanne, aber die Badewanne war nicht weiß wie bei uns, sondern grün, und ich klammerte mich an die Türklinke. Ich wollte nachhause, und ich mußte heulen.
Am nächsten Tag brachte Onkel Dietrich mir eine Wasserpistole mit, die ich nur in der Badewanne benutzen durfte. Mit Wasserpistole hatte ich auch nichts mehr gegens Gebadetwerden.
Und dann ging ich doch mal mit nach unten. Tante Jutta hatte mir einen Haustürschlüssel mitgegeben, der an einem Band um meinen Hals hing. Ich hatte auch eine Schippe mit.
Von den Ecken war im Sandkasten keine frei, und ich versuchte, anderswo am Rand eine Burg zu bauen. Der Sand war oben ganz warm von der Sonne.
Neben meiner Burg bauten meine Kusinen eine für sich. Im Sandkasten war es besser, als ich gedacht hatte, und es war auch besser als in der Butze oder in der Küche bei Tante Jutta.
Von Bruchköbel spedierte Onkel Dietrich mich nach Jever. Auf der Autobahn überholten wir Lastwagen mit Röhren hintendrauf, die sich drehten. In denen wurde Beton gemischt.
Mir fiel ein, daß ich meine Indianer nicht eingepackt hatte, aber Onkel Dietrich wollte nicht mehr zurückfahren. Tante Jutta würde mir die Indianer mit der Post schicken. Klappe zu, Affe tot.
Wegen Frau Apken mußte die Haustür abends jetzt immer abgeschlossen werden. Neulich sei Frau Apken im Nachthemd aus dem Haus gelaufen, um ihren Mann zu begrüßen, sagte Oma, aber der war ja schon tot. Einmal habe Frau Apken nachts um eins mit Hut und Mantel im Flur gestanden und gerufen: »Ich muß hier raus, die wissen ja nicht, wo ich bin!«
Ich ging auch wieder Enten füttern. Dafür hatte Oma immer altes Brot. Es gab Enten und Erpel. Die Erpel waren schöner, aber ich warf auch den Enten was zu.
Unter einem Busch fand ich eine Pfauenfeder, die länger war als ich selbst.
Zum Geburtstag sang ich Oma ein Lied vor. Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord, in den Kesseln, da faulte das Wasser, und täglich ging einer über Bord. Nach der ersten Strophe wollte Oma das Lied nicht weiterhören. Ich sollte lieber eins ohne Pestleichen singen. Was ich noch kannte, war: Die Affen rasen durch den Wald, der eine macht den andern kalt, aber das war auch nichts für Oma. »So ’n Schiet bruukt wi nich!« rief sie.
Die ganze Affenbande brüllt: Wo ist die Kokosnuß, wo ist die Kokosnuß, wer hat die Kokosnuß geklaut?
Durchgang verboten! Das stand auf einem Schild hinten im Garten, an einem Pfad, der auf das verwilderte Nachbargrundstück führte. Zusammen mit Gustav ging ich da einmal hin, und wir sammelten Äpfel für die Schweine. Als wir zurückkamen, versperrte uns Herr Kaufhold den Weg. Er zeigte auf das Schild und sagte, da stehe ausdrücklich, daß der Durchgang verboten sei.
»Wir wollen hier ja auch nicht durch, wir wollen hier nur lang«, sagte Gustav, und dann gingen wir an Herrn Kaufhold vorbei.
Zum Kaputtlachen. »Wir wollen hier ja auch nicht durch, wir wollen hier nur lang!« Da hatte Herr Kaufhold keine Antwort drauf gewußt.
Tante Dagmar kam von Mallorca nach Jever. Sie war ganz braun geworden, und sie ging mit mir zum Waldschlößchen, wo ich mit dem Karussell fahren konnte, bis Tante Dagmar schlappmachte und das Karussell nicht länger drehen wollte.
Oma brachte mich zurück nachhause. Im Zug war es heiß. Oma hatte eine hellgrünes Kleid an, das unter den Ärmeln und am Rücken, wo Oma geschwitzt hatte, immer dunkler wurde.
Wiebke hieß jetzt »der Ninnich«, weil sie in Spanien immer »Ninnich« gesagt hatte. Nicht einmal Eis hatte sie essen wollen, bloß immer »Ninnich« gesagt und alles abgelehnt. Gut gefallen hatte es ihr nur im Wasser auf der Hupfatatze alias Luftmatratze.
Renate zeigte mir die Muschelkette und die Puppe, die sie sich gekauft hatte, eine Flamencotänzerin mit einem Kleid, in dem Streifen aus Gold waren.
Mama und Papa hatten eine Holzfigur mitgebracht, Don Quichotte, mit einem langen dünnen Speer, den man der Figur aus der Faust rausziehen konnte. Der Don Quichotte kam im Wohnzimmer ins Regal, und wir durften ihn nicht anfassen.
In Spanien hatten Renate und Papa das Tausend-Teile-Puzzle von der Kirche dreimal zusammengesetzt. Am schwersten sei immer der Himmel gewesen, sagte Renate. Beim dritten Mal hatte sie das Puzzle umgedreht und die Teile hinten mit Kugelschreiber numeriert, von A1 bis Y40, als Hilfe fürs nächste Mal.
Volker hatte in Italien schwimmen gelernt. Er konnte jetzt fünf Züge. Am Strand hatte er eine Angel und ein Messer gefunden. Die Spange hatte er die ganzen Ferien über weggelassen, aber nicht weitersagen.
Ich zeigte Uwe meine Pfauenfeder und die Indianer, die Tante Jutta im Paket nach Koblenz geschickt hatte. Was ein Pfau war, mußte ich Uwe erst erklären.
Weil sie sich daran übergesehen hatte, ließ Renate sich von Mama die Zöpfe abschneiden. Die landeten in der Schublade von Renates Schreibtisch, als Andenken.
Einmal mußte Mama mit Wiebke zum Kinderarzt, und Renate hatte die Aufsicht über uns. Ohne Zöpfe sah Renate anders aus, und sie war strenger als sonst und sperrte Volker und mich im Kinderzimmer ein. Auch als wir aufs Klo mußten, ließ sie uns nicht raus. Sie sagte, wir würden nur so tun, aber wir mußten wirklich, und wir hopsten auf den Betten, um nicht zu merken, wie dringend wir mußten.
Erst als Mama wieder da war, konnten wir raus und aufs Klo.
Wir sollten mal an die Kinder in Biafra denken, sagte Mama. Die hätten nicht mal genug zu essen.
Die Kinder in Biafra hatten alle dicke Bäuche, aber Mama sagte, da sei nichts drin. Das seien Wasserbäuche.
Biafra war ein kleines Land, und wer da Essen hinbringen wollte, wurde von den Leuten in dem größeren Land daneben nicht durchgelassen.
Vor der Einschulung mußte ich zur Pockenimpfung. Da sollte ich mich wie die anderen Kinder obenrum ausziehen. »Nun mach dir mal nicht ins Hemd, du Bangbüx«, sagte Mama, aber ich trampelte und strampelte, weil ich Angst vor der Spritze hatte, und die Tafel, an der ich mich festhielt, rollte mit, als Mama mich wegzog.
Meinen Namen konnte ich schon schreiben, aber nur mit links. Mama wollte, daß ich mit rechts schreibe. Kinder, die mit links schreiben lernten, würden später, wenn sie Füller hätten, die nasse Tinte beim Schreiben mit der Hand verschmieren. Ich sollte mit rechts schreiben lernen und durfte dafür weiter mit links malen.
Uwe sollte erst im nächsten Jahr eingeschult werden, weil er noch nicht groß genug war.
Auf