Tochter der Inquisition. Peter Orontes

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Название Tochter der Inquisition
Автор произведения Peter Orontes
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783839250686



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      »Sag, Jos, könntest du mir und meiner Gemahlin Obdach gewähren, bis sich dieses Sauwetter wieder verzogen hat?« Als ob Falks Bitte Nachdruck verliehen werden sollte, zuckte erneut ein Blitz vom Himmel, dem ein ohrenbetäubender Knall folgte.

      Ungerührt musterte Jos zuerst Falk, dann Christine mit einem abschätzenden Blick, während der Regen weiter auf sie eindrosch.

      »Na gut, meinetwegen«, brummte er. Er ergriff die Pferde beim Zügel und führte sie in einen nahen Unterstand, wo er sie an Pflöcken festmachte. So waren die Tiere einigermaßen vor dem Wetter geschützt.

      »Kommt«, sagte er dann und schlurfte auf das Haus zu, aus dem er getreten war. Gleich darauf betraten sie einen langen, dunklen Gang, von dem aus mehrere Türen in verschiedene Kammern führten. Jos öffnete eine von ihnen. Knarrend bewegte sie sich in ihren Angeln und gab den Blick in einen winzigen Raum frei, der zum Hof hin über ein kleines Fenster verfügte. Ein lediglich mit einem Strohsack versehener Bettkasten, eine roh zugehauene Bank, ein Holzklotz, der als Hocker fungierte, und ein in Hüfthöhe abgesägter Baumstamm, auf den einige Bretter genagelt waren und der wohl einen Tisch abgeben sollte, sowie ein Regal, das schief an der Wand lehnte, bildeten die kärgliche Einrichtung.

      »Da«, sagte Jos und nickte mit dem Kopf zur Bank hin, die wohl kürzeste Art der Aufforderung, darauf Platz zu nehmen.

      Jos ließ sich ächzend auf dem Holzklotz nieder, während Falk und Christine sich auf die Bank setzten. Das Wasser rann in Sturzbächen an ihrer Kleidung herab und bildete kleine Pfützen auf dem festgestampften Lehmboden.

      Neugierig musterte Jos die beiden.

      »Ihr seid hier fremd, nich wahr? Aus der Gegend seid ihr jedenfalls nich«, stellte er ungeniert fest und stützte die Ellenbogen auf den »Tisch«.

      »So? Das hört sich ja fast danach an, als ob du jeden aus der Gegend kennst«, erwiderte Falk freundlich.

      Jos nickte kichernd und entblößte ein paar gelbe Zahnstummel.

      »Wohl, wohl. Wenn man seit über vierzig Jahren hier auf dem Hof is’, bleibt’s nich aus, dass man jeden kennt. Hierher kommen nur Leute aus der Gegend. Reisende verirren sich so gut wie nie hierher. Was sollten die auch hier wollen? Der Hof liegt weit abseits der Hauptstraße. Nein, nein, Fremde kommen nur ganz selten zu uns.«

      »Zum Beispiel, wenn sie vom Wetter überrascht werden so wie wir, nicht wahr?«, sagte Falk.

      Der Alte sah ihn mit einem verschlagenen Ausdruck im Blick an. Dann schüttelte er den Kopf. »Das ist nicht der Grund, warum Ihr hier seid«, grinste er wissend.

      »Tatsächlich?« Falk hob überrascht die Brauen.

      »Ihr habt vorhin nach Peter Seimer gefragt; er ist mein Herr und hat hier das Wirtschaften inne. Also seid Ihr hier, weil Ihr mit ihm sprechen wollt, und nicht, weil Euch das Wet­ter hierher verschlagen hat«, erklärte der Knecht trium­phierend.

      »Alle Achtung. Du nennst einen scharfen Verstand dein eigen, Jos«, entgegnete Falk anerkennend. »Aber sag: Warum musst du dich allein um den Hof kümmern? Wo sind die anderen vom Gesinde?«

      »Es gibt nicht viel, um das ich mich kümmern muss. Beim Kühemelken hilft mir Heiner Barth vom Nachbarhof. Pferde und Schweine füttern schaff’ ich alleine, und was sonst noch zu tun ist, hat Zeit bis morgen. Und was die anderen vom Gesinde angeht, die sind mit nach Ternberg. Els und Kuni helfen beim Buttern mit und die beiden Rudniks, Karl und Thomas, beim Räuchern der Fische.«

      »Aha«, sagte Falk und versuchte zu begreifen. »Wenn ich dich recht verstehe, sind alle in Ternberg, um zu buttern und Fische zu räuchern?«

      »Nun, Ihr müsst wissen, dass es schon lang Brauch ist, dass die Seimers nach Ternberg zu den Mohrs fahren, um Butter und geräucherte Forellen zu holen. Dafür nehmen sie von hier Honig und Most mit.«

      »Verstehe«, murmelte Falk, was in diesem Fall eine glatte Lüge darstellte. Dass ein Bauer mit seiner Familie und fast dem gesamten Gesinde an einen verhältnismäßig weit entfernten Ort reiste, um Most und Honig gegen Butter und geräucherten Fisch einzutauschen, mutete recht eigenartig an. Andererseits hatte ihn das Leben gelehrt, dass nichts unmöglich war und so manches, was jemand als seltsam empfinden mochte, gar nicht so seltsam sein musste.

      »Weißt du, wann sie zurückkehren aus Ternberg?«

      »Normalerweise bleiben sie drei Tage. Aber diesmal kommen sie schon morgen wieder zurück. Peter Seimer muss nämlich am Freitag in einer Gerichtsverhandlung als Zeuge aussagen. Es geht um Jobst Heiss aus Sterydorf; er soll jemanden umgebracht haben.« Für einen kurzen Augenblick huschte ein sorgenvoller Schatten über das Gesicht des Alten.

      »Tatsächlich? – Wann sind sie denn nach Ternberg aufgebrochen?«

      »Heute morgen, zur ersten Tagesstunde, wie sonst auch.«

      »Wie sonst auch? Das heißt, sie sind des Öfteren dort?«

      »Jeden Mona…« Jos unterbrach sich und richtete sich plötzlich kerzengerade auf. Ein misstrauischer Ausdruck trat in seine Augen, dann wurde nicht nur sein Blick sondern auch seine Stimme geradezu abweisend.

      »Ich denke, Ihr fragt zu viel, Herr. Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?«

      Falk und Christine wechselten einen überraschten Blick. In der Miene des Alten stand nicht nur Argwohn zu lesen, es flackerte auch Furcht darin.

      »Wir sind Gäste des Ternbergers zu Steyr, Jos«, ergriff Christine das Wort. »Er hat uns von den Seimers erzählt. Die Vögel, die Peter Seimer für ihn geschnitzt hat, gefielen uns so gut, dass wir beschlos­sen haben, uns seine Kunst etwas näher anzusehen.«

      Das Gesicht Jos’ hellte sich auf; er schien erleichtert. »Warum sagt Ihr das nicht gleich. Dann wisst Ihr bestimmt auch, dass Sofia, die Tochter des Ternbergers, mit unserer Marie befreundet ist.«

      »Ja, Wernher von Ternberg hat uns davon erzählt. Offensichtlich ist sie auch nach Ternberg mitgeritten, nicht wahr?«

      Jos runzelte die Stirn. »Sofia? Nein! Wie kommt Ihr denn darauf?«

      »Nun, ich denke, sie ist bei Marie zu Gast?«

      Der Knecht sah Christine verblüfft an. »Sie war hier. Aber sie ist schon vor Tagen nach Hause zurückgekehrt …«

      Christine gab sich erst gar nicht Mühe, ihre Überraschung zu verbergen – und noch bevor sie sich den vorwurfsvollen Blicken Falks ausgesetzt sah, wurde ihr bewusst, dass sie mit ihrer leichtfertigen Frage einen groben Fehler begangen hatte.

      »Tatsächlich? Nun ja – im Hause Ternberg gibt es viel zu tun. Wir selbst sind von morgens bis abends unterwegs; bisher gab es nicht allzu viele Gelegenheiten, mit den Ternbergs Gesellschaft zu pflegen. Wir werden Sofia sicher noch begegnen«, versuchte sie, den Lapsus mit einem dünnen Lächeln wieder wettzumachen.

      »Sag, Jos, könntest du uns die Schnitzereien deines Herrn einmal zeigen? Dann hätten wir uns nicht vergeblich hierherbemüht«, bat Falk.

      Plötzlich erfüllte ein gleißend helles Zucken die kleine Kammer, gefolgt von einem dumpfen Knall, als wollte die Erde bersten.

      Doch noch überraschender als das plötzliche Aufbegehren der Elemente war die Reaktion des Knechtes.

      Jos sprang auf.

      Die blutleeren Lippen zusammengekniffen, das kantige Kinn vorgestreckt, starrte er Falk an. Ein renitentes Nein brannte in seinen Augen, doch im hintersten Winkel seines Blickes loderte die Angst.

      »Kommt nicht infrage!«, stieß er schließlich mit rauer Stimme hervor. »Wo denkt Ihr hin? Das … das kann ich nicht. Es ist mir strengstens verboten, Fremde dorthinzuführen. Kommt wieder, wenn der Bauer da ist. Und jetzt geht! Bitte geht! Ich bringe Euch nach draußen.« Hastig schlurfte er zur Tür.

      Falk und Christine erhoben sich und wechselten einen konsternierten Blick.

      »Ist ja gut, Jos, ist ja gut. Es war nur eine Frage. Dann kommen wir eben wieder, wenn der Bauer