Schönbrunner Finale. Gerhard Loibelsberger

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Название Schönbrunner Finale
Автор произведения Gerhard Loibelsberger
Жанр Исторические детективы
Серия
Издательство Исторические детективы
Год выпуска 0
isbn 9783839256121



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Herr Oberinspector!«

      »Gut. Ich geh jetzt.«

      Nechyba setzte seine Melone auf, sein Assistent half ihm, in den Überzieher zu schlüpfen. Dann verließ der Oberinspector eiligen Schrittes seine Dienststätte. Draußen in der kalten Winterluft atmete er einige Male befreit durch und lenkte seine Schritte in Richtung Café Landtmann.

      »Der Klimt is’ g’storben.«

      »Kenn ich den?«

      Leutnant Goldblatt sah seinen Freund Joseph Maria Nechyba irritiert an. Er rückte seine randlose Brille zurecht und replizierte:

      »Also den wohl berühmtesten zeitgenössischen Maler werden Sie doch kennen.«

      Nechyba gab Zucker in seinen schwarzen Kaffee, rührte um und murmelte:

      »Sie meinen den Klimt … den … den … Gustav Klimt?«

      Leo Goldblatt nickte und bestellte beim vorbeischlendernden Kellner:

      »Gehn S’, bringen S’ mir einen ›Goldblatt‹ ohne Kaffee.«

      Der Kellner stutzte, nickte dann und sagte:

      »Der Herr Leutnant wünschen einen Trebern. Kommt sofort.«

      Nechyba bemerkte amüsiert:

      »Noch komplizierter kann man eine Bestellung wirklich net aufgeben.«

      »Wieso? Ich hab’ Gusto auf einen ›Goldblatt‹. Da es keinen Bohnenkaffee gibt und der Türkische, der mit Ersatzkaffee zubereitet wird, noch grauslicher schmeckt, als wenn man ihn normal kocht, bestelle ich den ›Goldblatt‹ eben ohne Kaffee.«

      »Und was bringt das?«

      »Na, dass ich die Illusion hab’, auch in diesen Zeiten einen ›Goldblatt‹ bestellt zu haben.«

      »Mein Gott, wann werden wir wieder eine Schale Bohnenkaffee bekommen?«

      »Als Mitglied des Kriegspressequartiers antworte ich Ihnen: Sobald unsere glorreiche Armee den Feind besiegt hat. Inoffiziell, als Ihr Freund, sag ich nur: Lang kann das nicht mehr so weitergehen. An allen Ecken und Enden merken wir es jetzt auch bei der Armee. Die Mangelwirtschaft gibt den Ton an. Es ist schrecklich. Einfach nur schrecklich.«

      Nechyba rückte ganz nahe zu Goldblatt und murmelte:

      »Der Scheißkrieg muss endlich aufhören und …«

      Er wurde von einer lauten Stimme unterbrochen:

      »Leutnant Goldblatt, na, so eine Überraschung!«

      Goldblatt erschrak, stand auf und salutierte.

      »Ist schon gut, lieber Freund. Setz’ dich, setz’ dich …«

      »Darf ich vorstellen? Oberst Eisner-Bubna, Leiter des Kriegspressequartiers. Oberinspector Nechyba, er arbeitet im Polizeiagenteninstitut.«

      »Charmant, charmant! Da sitzen Vertreter der zwei wichtigsten Säulen unseres Staates beisammen: Armee und Polizei. Da setz’ ich mich doch glatt dazu. Meine Herren, was trink ma?«

      »Genial, Goldblatt! Einfach genial. Herr Ober!«

      »Der Herr Oberst wünschen?«

      »Der Herr Leutnant hat einen Trebern bestellt. Das geht net. Bringen S’ uns die ganze Flasche … und drei Gläser … weil ma da so charmant beisammensitzen, Armee und Polizei.«

      »Also servus, gell. Auf unsere siegreiche Armee und unsere tüchtige Polizei!«

      Die drei Herren schütteten den Schnaps hinunter und stellten die Gläser mit klirrendem Geräusch zurück auf die marmorne Platte des Kaffeehaustisches. Der Oberst räusperte sich und sagte:

      »Also, wo war ma vorher stehen geblieben? Wo hab’ ich euer Gespräch unterbrochen, meine Herren?«

      Nechyba verdrehte die Augen und bemühte sich, keinen roten Kopf zu bekommen. Goldblatt antwortete kühl:

      »Bei Klimt. Der is’ nämlich g’storben.«

      »Klimt? Muss man den kennen?«

      »Ich erinner’ mich dunkel … viel Gold … viel Gold, nicht wahr?«

      »Touché, Herr Oberst. Klimt liebte es, Gold in seinen Gemälden zu verwenden.«

      »Auf das Gold! Auf das Gold dieser Welt trink ma jetzt, prost, meine Herren!«

      Wieder kippten Nechyba, Goldblatt und Eisner-Bubna ihre Stamperln hinunter. Danach herrschte ergriffene Stille. Plötzlich kniff der Oberst die Augen zusammen und fragte Goldblatt leise:

      »Sag, Herr Leutnant, hat dieser Kimt oder Zimt oder wie er g’heißen hat, hat der nicht auch Nackerte g’malt? Nackerte mit viel Gold?«

      »Herr Oberst, du hast ein exzellentes Gedächtnis und einen ausgezeichneten Kunstgeschmack.«

      »Jaja … meine Frau Mama hat immer wollen, dass ich Künstler werd’. Aber mein Herr Papa hat mich in die Militärunterrealschule gesteckt. Na ja … fotografieren … nicht wahr … tu’ ich schon gern, da sagt man mir auch ein gewisses Talent nach. Aber dieser Zimt … alle Achtung! Der hat was können, der hat Nackerte gemalt à la bonne heure.«

      Der Oberkellner schenkte neuerlich die Stamperln voll. Eisner-Bubna ergriff seines, erhob es und sagte feierlich:

      »Auf den alten Zimt und auf die Hunderttausende Braven, die in unserer glorreichen Zeit für Gott, Kaiser und Vaterland ihr Leben geben …«

      Er hielt inne und fügte leise hinzu:

      »… und auf die feschen nackerten Madln von Wien!«

      Teil 1 / August 1918

      Hätte auch die Monarchie als Ganzes ernährungswirtschaftlich eine Blockade des Auslandes aushalten können – Österreich für sich, dessen Produktion naturgemäß durch den Krieg mit seinen Folgeerscheinungen schwer gelitten hatte, konnte die Blockade des Auslandes und eine Absperrung der Zufuhren seitens Ungarns nicht ertragen. Es mußte in die allermißlichste Ernährungssituation geraten, denn der Ausfall der von Ungarn im Frieden gelieferten Mengen an Nahrungs- und Futtermitteln konnte im Kriege selbst bei bester Verwaltung durch Ersparungs- und Verteilungsmaßnahmen nicht wettgemacht werden.

      Zitat aus: Dr. Hans Loewenfeld-Russ, Die Regelung der Volksernährung im Kriege, Hölder-Pichler-Tempsky A.G., Wien 1926.

      I/1

      Am 9. August 1918 war der Morgen strahlend schön. Stanislaus Gotthelf hatte wie