Grantlkatz. Kaspar Panizza

Читать онлайн.
Название Grantlkatz
Автор произведения Kaspar Panizza
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839266540



Скачать книгу

geöffnet und grinste die Kollegin an. »Ilona, du hast alles, um ein großer Chef zu werden.«

      »Grüß Gott, Frau Maucher, wir sind von der Mordkommission. Mein Kollege Mayer, und ich bin Ilona Hasleitner. Die Ärztin hat uns benachrichtigt, dass wir Sie befragen können.«

      Silke Maucher trug einen Kopfverband und ihr rechter Arm war angewinkelt an ihren Körper gebunden. Trotz der Schramme über ihrem Auge war nicht zu übersehen, dass sie eine sehr hübsche Frau war.

      »Ich hab Sie erwartet«, sagte sie mit fester Stimme.

      »Sie wissen, dass –«, fing Emil an, wurde aber von ihr unterbrochen.

      »… mein Mann tot ist. Ja, die Ärztin hat es mir gesagt.«

      »Frau Maucher, glauben Sie, dass Sie uns über die Vorkommnisse heute Nacht bereits Auskunft geben können?«

      »Ich werd’s versuchen. Möchten Sie mir Fragen stellen, oder soll ich erzählen, was passiert ist?«

      »Erzählen Sie einfach drauf los.«

      »Also, mein Mann hatte gestern Geburtstag. Ich hatte ihm Karten für ein klassisches Konzert im Cuvilliés-Theater geschenkt. Ich wäre lieber zu den ›Toten Hosen‹ gegangen, aber er wollte, warum auch immer, dorthin. Normalerweise steht mein Mann nicht auf Klassik. Oder muss ich sagen: stand? Ich weiß, das klingt alles nicht nach trauernder Witwe. Wir hatten uns auseinandergelebt und es erschreckt mich selbst, wie wenig betroffen mich das Ganze macht.«

      »Frau Maucher, können wir jetzt auf die Geschehnisse heute Nacht zurückkommen?«, unterbrach Ilona sie ungeduldig.

      Emil warf ihr einen bösen Blick zu und sagte sanft zu Frau Maucher: »Bitte erzählen Sie.«

      Hasleitner verdrehte im Hintergrund die Augen.

      »Also, wie gesagt. Erst besuchten wir das Konzert und anschließend gingen wir im ›spice bazaar‹ eine Kleinigkeit essen. Es war gegen Mitternacht, als wir das Lokal verließen. Die Nacht war lau, und mein Mann wollte unbedingt noch durch den Hofgarten laufen. Dort bemerkten wir dann am Wegrand den Mann im Rollstuhl. Im Schatten eines Baumes war er kaum zu erkennen. Der Mann hatte den Kopf gesenkt und schien zu schlafen. Ich wollte möglichst schnell an ihm vorbei, aber Renato meinte, wir sollten nachfragen, ob er Hilfe braucht. Das war eigentlich gar nicht seine Art. Er beugte sich zu dem Rollstuhlfahrer runter und sprach ihn an. Dieser hob seinen Kopf und antwortete ihm. Sie unterhielten sich eine Weile.«

      »Konnten Sie verstehen, um was es ging?«

      »Nein, ich stand zu weit weg. Sieben oder acht Meter. Einmal glaubte ich, das Wort ›Geld‹ zu hören. Renato griff nach seiner Brieftasche, und in diesem Moment sah ich, dass der Rollstuhlfahrer ein Messer in der Hand hielt. Er packte meinen Mann, der sich nach vorne gebeugt hatte, am Nacken und zog ihn zu sich nach unten. Dann stach er zu. Ich wollte ihm zu Hilfe eilen, hab auf den Fremden eingeschlagen, ihn gekratzt und bespuckt. Dabei hat er mich mit dem Messer am Arm verletzt. Er sprang plötzlich aus seinem Rollstuhl, ergriff mich von hinten und hielt mir die Klinge an den Hals. Er war unwahrscheinlich stark«, murmelte sie und nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas, das neben ihr auf dem Nachttisch stand.

      »Was ist dann passiert?«, hakte Ilona nach.

      »›Heute ist dein Glückstag, weil ich es so will‹«, sagte sie nachdenklich. »Genau das waren die Worte, die er mir ins Ohr geflüstert hat, bevor er mir mit dem Messerknauf gegen den Kopf schlug und ich ohnmächtig wurde.«

      »Können Sie den Mann beschreiben?«

      »Nein, er trug die ganze Zeit eine Kapuze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte.«

      »Hatte er einen Bart, oder ist Ihnen etwas anderes aufgefallen?«

      »Er stank nach billigem Parfüm«, murmelte Silke Maucher nach kurzer Überlegung. »Und er war ziemlich groß. Ich denke, mindestens 1,90 Meter. Mehr weiß ich nicht.«

      »Seine Stimme? Hatte er einen Akzent?«

      »Ja, tatsächlich, aber nur ganz leicht, slawisch oder etwas in die Richtung. Es kam mir irgendwie bekannt vor. Als ich wieder zu mir gekommen bin, stellte ich fest, dass er meinen gesamten Schmuck mitgenommen hatte, nur das Handy hat er mir gelassen.«

      »Ist das Ihr Handy?«, fragte Ilona und deutete auf den Beistelltisch.

      Silke Maucher nickte.

      »Seltsam, warum nimmt er dieses sündhaft teure iPhone nicht mit?«

      »Vermutlich, weil er es nicht gefunden hat. Es steckte hinten in meinem Hosenbund. An diesem Abend war ich froh, dass ich es dabei hatte.«

      »Wie soll ich das verstehen?«

      »Ich bin kein Freund von diesen Dingern. Meistens liegt es bei mir zu Hause rum. Außer meinem Mann hat auch niemand die Nummer.«

      »Die Antwort passt eher zu meiner Oma, und die ist 85 Jahre alt«, kommentierte Emil spitzbübisch.

      »Ich bin halt a bisserl oldschool«, gab sie lächelnd zurück.

      »Gut, Frau Maucher, ich denke, wir lassen Sie jetzt in Ruhe. Erholen Sie sich gut. Kann sein, dass wir in den nächsten Tagen erneut vorbeikommen, falls wir weitere Fragen haben«, beendete Ilona Hasleitner ziemlich abrupt die Befragung.

      Silke Maucher nickte und wandte sich dann Emil zu. »Kann ich Sie vielleicht noch alleine sprechen?«

      »Mich?«, fragte er verdutzt.

      »Okay, ich warte unten im Auto«, säuselte Ilona und verschwand grinsend durch die Tür.

      »Sag mal, Emil, kennst du mich wirklich nicht mehr?«, fragte Silke Maucher schroff und rutschte im Bett nach oben.

      Er sah sie fragend an und schüttelte unsicher den Kopf.

      »Vor zehn Jahren in Herrsching. Wir sind zusammen Regatta gefahren.«

      »Sunny, bist du des?«, fragte er jetzt aufgeregt. »Mensch, ich hab dich tatsächlich nicht erkannt.«

      »›Sunny‹, seit damals hab ich den Namen nicht mehr gehört. Nur du hast mich so genannt.«

      »Du warst ja auch mein Sonnenschein«, lachte Emil.

      »Und warum bist du dann von heute auf morgen verschwunden?« Silke Mauchers Stimme nahm einen bitteren Ton an.

      »Des wär eh nichts mit uns geworden.«

      »Also hast du mich doch ned geliebt.«

      »Mehr als jemals einen anderen Menschen.«

      »Und warum bist du dann weg, ohne ein Wort?«

      »Du weißt es ganz genau. A schwarzer Polizist und die Tochter aus gutem Haus, des wär auch heute noch ein absolutes No-Go in Bayern.«

      »Weil du dunkelhäutig bist? Mich hat des nie gestört.«

      »Aber dafür deinen Alten umso mehr. Er hat mir ausrichten lassen, dass er dich enterben wird, wenn wir heiraten. Und einiges mehr.«

      »Du feiger Hund, du hast dich einfach verdrückt. Ich hätte meinen Vater schon im Griff gehabt. Er hätte mich nie enterbt. Nachdem du verschwunden warst, hab ich ihn zur Rede gestellt. Er hat mir alles gestanden und ich hab meine Sachen gepackt, bin für fünf Jahre nach England gegangen und hab dort fertig studiert. Ich war nicht ein einziges Mal in Deutschland, um ihn zu besuchen. Erst als ihn der Krebs fast aufgefressen hatte, bin ich zurückgekommen.«

      »Ich weiß, eigentlich wollt ich zurück zu dir, aber da warst du schon weg. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich endlich herausgefunden hatte, wo du warst«, erklärte Emil.

      »Und warum bist du dann nicht gekommen?«

      »Sunny, ein halbes Jahr war vorbei. Du warst in England auf einer Elite-Uni. Wie blöd wär des gewesen, wenn ich da plötzlich aufgetaucht wäre?«

      »Vielleicht wäre vieles anders geworden. Ich würd nicht hier im Krankenhaus liegen und du nicht seit fünf Jahren in diesem Rollstuhl sitzen.«