Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross

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Название Scheidung kann tödlich sein
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525403



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später. Da nämlich kommt mein Vater mit säuerlichem Gesicht in die Küche, die abgebrochene Kufe in der Hand. Als ich das sehe, gefriert mir fast das Blut in den Adern und ich mache mich darauf gefasst, ein umfassendes Geständnis ablegen zu müssen. Doch da beschwert sich mein Vater bei Mama: »Also, bei Möbel-Mertel kaufen wir nichts mehr. Das sind Betrüger, sieh dir das an! Diese Kufe war garantiert schon abgebrochen, als wir den Schaukelstuhl kauften. Man sieht ja noch deutlich den Holzleim, wo sie ihn repariert haben. So eine Schweinerei! Aber wenn wir hingehen und Ersatz verlangen, würden sie eh nur behaupten, das sei nicht wahr. Schweinebande, elendige!!!«

      Meine Eltern sind beide eher abgeneigt, beim Möbelhaus eine Szene zu machen. So wird der Schaukelstuhl noch einmal geklebt und sich nur noch sehr, sehr vorsichtig daraufgesetzt. Peter und ich sind selig – unsere empfindliche Sitzfläche ist erst einmal gerettet!

      Bis zum nächsten Streich …

      *

      Das Gutachten war noch nicht verdaut, da drohte uns schon das nächste Ungemach in Form des leider notwendigen Deutschlandbesuches. Attila hatte zwischenzeitlich einen Termin mit seinem Anwalt vereinbart, um Stellung zu dem Gutachten zu nehmen. Er konnte nicht ohne weiteres akzeptieren, dass Uschi ohne jede Kontrolle vor sich hin wursteln und die Kinder vollends dabei verderben durfte, und das auch noch mit gerichtlicher Billigung. Wenn er selbst schon nicht als Erzieher seiner Kinder fungieren durfte, aus welchen Gründen auch immer, dann sollte wenigstens das Jugendamt die Entscheidungen über so wichtige Dinge wie Schulwahl, Vermögen, Klinikaufenthalte oder Fremdunterbringung treffen und nicht Uschi.

      Außerdem hatte er sich mittlerweile doch nicht zu einem selbstauferlegten Kontaktverbot zu den Kindern durchringen können. Ich hatte durchaus Verständnis dafür, weil Attila im Internet viel über das »Parental Alien Syndrom«, kurz PAS, gelesen hatte. Das dafür sorgt, dass ein »abgelegter« Elternteil mit den Jahren zu einem Fremden wird und die Kinder hierdurch einen psychischen Schaden davontragen. Denn Schäden dieser Art hatten seine Kinder wahrlich schon genug zu verarbeiten.

      Je näher der Abfahrttermin rückte, desto mehr Bedenken bekamen wir wegen der ständig chaotischen Straßenverhältnisse in Deutschland; mit dem Auto dorthin zu fahren, würde gefährlich werden. Stellenweise ging seit Wochen dort wegen Schnee und Eis gar nichts mehr, und ich mochte mir nicht vorstellen, wie unsere Sommerreifen hierauf reagieren würden. Also buchten wir im letzten Moment doch die günstigsten Flüge, die wir bekommen konnten; auch wenn das bedeutete, dass wir viele Stunden unterwegs sein mussten, denn die Route der Billig-Airline führte über einen Zwischenstopp in Palma de Mallorca. Der Leihwagen in Deutschland wäre dann wenigstens Winterreifen versehen und verfügte über eine Vollkaskoversicherung. Diese Kosten musste die überschuldete Firma aufbringen, denn Attila fuhr ja auch zu einer Besprechung bei Kurierdienstissimo in Neuenstein.

      Über alledem lag unser zweisames Privatleben weiterhin fast vollkommen brach. Arbeiten, essen, schlafen. Das war's! War es denn ein Wunder, wenn ich Entzugserscheinungen bekam? Das ist, als wenn ein Alkoholiker neben einer Flasche Schnaps schlafen müsste, diese aber nicht öffnen dürfte.

      Vor dem Abflug fragte Attila noch bei Uschi an, ob er die Kinder am Sonntag um 11 Uhr abholen könne; zurück kam per Email die Antwort, dass er sie treffen könne, aber schon um 9.30 Uhr. Eine weitere Nachfrage, wie sie denn »Treffen« meine, erbrachte keine Reaktion von ihr. Sie trieb also wieder ihr dämliches Spielchen. Was prima funktionierte, denn Attila war bereits sehr nervös, da bis zum Abflugtermin keinerlei Antwort von ihr mehr kam. Die immer wieder beliebte Operation »Vergissmeinnicht«.

      Die Maschine der Airline startete mit einer halben Stunde Verspätung und wir waren schon echt gespannt, ob sie in BerlinTegel überhaupt würde landen können. Denn viele Flughäfen waren an den Tagen zuvor immer wieder gesperrt gewesen, zum Teil, weil das Enteisungsmittel für die Landebahnen fehlte. Welch ein exzellentes Organisationstalent! Der Winter kam im Dezember vermutlich wieder einmal völlig unerwartet.

      Bei der Zwischenlandung in Palma de Mallorca fummelte Attila gleich sein Notebook aus dem Handgepäck, um nachzusehen, ob Uschi sich inzwischen vielleicht doch zu einer Antwort hatte hinreißen lassen. Aber nein, hatte sie nicht! Die Spannung musste doch aufrechterhalten werden. Sehr unterhaltsam, diese Frau.

      Nicht nur sie. Im Flieger nach Berlin befand sich, zwei Sitzreihen weiter vorne, eine russische Familie, welche den gesamten Flug über für Ärger sorgte. Die zwei Männer hatten schon verbotenerweise Alkohol mit an Bord gebracht, diesen konsumiert und dann andauernd bei der Stewardess Nachschub bestellt. Aufgrund der Airline-Regeln durfte diese dann jedoch, weil die beiden »Herren« und die dazugehörige Frau schon betrunken waren, nichts mehr ausschenken. Das wiederum konnten die Russen nicht akzeptieren und so quälten sie absichtlich die Stewardessen, indem sie alle fünf Minuten etwas anderes haben wollten und auch noch die 11-jährige Tochter anstifteten, für sich KleinkindSpielzeug zu bestellen und ähnlichen Blödsinn.

      Bis der Chefstewardess irgendwann der Kragen platzte, sie dem penetranten Wortführer der Russen erklärte, dass sie vorhin den Flugkapitän verständigt habe und dieser den nächsten Flughafen auf seine Kosten ansteuern werde, um die Familie abzusetzen. Dort werde sie dann von der Polizei erwartet, sofern er jetzt nicht sofort aufhöre. Trotzdem gingen die Belästigungen weiter, nun wurde eben ständig Wasser statt Alkohol bestellt. Pure Schikane! Ich musste die Stewardessen echt bewundern, dass sie trotzdem freundlich blieben. Vermutlich hätte ich diesem Kerl eine reingehauen, wäre ich die Flugbegleiterin gewesen.

      Wir konnten in Berlin zum Glück landen. Wie immer schaltete Attila sein Handy wieder ein, noch bevor der Flieger ausgerollt war. Wie auf Kommando klingelte dieses, Fritz war am Apparat. Der hatte ein Problem mit seinem Abrechnungsprogramm; als Attila die nötige Information extrahiert hatte, waren alle anderen Passagiere schon ausgestiegen.

      Konnte man uns denn keine fünf Minuten lang in Frieden lassen? Fritz wusste genau, dass wir uns auf der Reise nach Deutschland befanden. Wir holten unsere Koffer, dann war schon das nächste Telefonat mit Fritz zu führen. Attila vertröstete ihn damit, dass er sich um die Sache kümmern werde, sobald wir in der Bayreuther Pension angekommen wären.

      Der Mietwagen, den Attila über Internet hatte reservieren lassen, war aus unerfindlichen Gründen nicht verfügbar. So mussten wir notgedrungen einen anderen mieten, der natürlich teurer kam. Klasse! Im Kofferraum dieses Kombis wurde dann noch im Parkhaus der Rechner wieder ausgepackt, um nach einer Mail von Uschi zu sehen. Die jedoch war natürlich noch immer nicht angekommen. Attila wurde zunehmend sauer und unruhig. Der einzige Trost war, dass wir uns wirklich passgenau den einzigen Tag ausgesucht hatten, an welchem die Straßen ausnahmsweise einmal nicht glatt waren; somit verlief die Fahrt nach Bayreuth wenigstens unproblematisch.

      Dort angekommen, hatten wir noch ein paar Schreckminuten durchzustehen. Noch von Spanien aus hatte ich beim Inhaber der Pension ein Zimmer bestellt und angegeben, wir würden erst spät am Abend, wenn nicht sogar erst in der Nacht eintreffen. »Kein Problem«, hatte es geheißen, »wir haben eh Weihnachtsfeier.« Doch als wir dort ankamen, war alles dunkel und verrammelt.

      Toll! Und jetzt? Bei minus 11 Grad im Auto schlafen? Glücklicherweise konnten wir mit einem soeben heimkehrenden Bewohner der Pension schnell zur Türe hineinschlüpfen und uns auf die Suche nach dem Inhaber machen. Gerade noch, bevor dieser in sein Bett verschwand, erwischten wir den Kerl und erhielten den Schlüssel. Was haben wir aufgeatmet! Hatte der doch geglaubt, wir würden nicht mehr kommen. Dabei zeigte die Uhr erst 22.30. Muss wohl eine langweilige Weihnachtsfeier gewesen sein!

      Einen Trost hatte ich: Attila entspannte sich, denn nun war endlich Uschis Mail im Posteingang. Er könne Marco und Ronja um 9.30 Uhr abholen und habe sie bis 18 Uhr zurückzubringen. Von diesem Moment an war Attila wieder bester Laune, er behob sogar noch, abmachungsgemäß, den »Bug« in Fritz‘ Abrechnungsproblem. Aber erst, nachdem wir unsere knurrenden Mägen in einem noch geöffneten Schnellrestaurant aufgefüllt hatten.

      Am Sonntag würgten wir ein schnelles Frühstück in der Pension hinunter, damit wir pünktlich die Kinder abholen konnten.

      Seltsamerweise wurden Marco und Ronja nicht von Uschi, sondern von einer Nachbarin an Attila übergeben. Einer Nachbarin, über die Uschi seit Jahrzehnten schon mit