Название | Der USB-Stick |
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Автор произведения | Jean-Philippe Toussaint |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783627022839 |
Als ich die Bar des Sofitel betrat, erkannte ich John Stavropoulos sofort, er hatte sich erhoben und winkte mir aus der Entfernung zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Er war in Begleitung von Dragan Kucka, die beiden Männer saßen nebeneinander auf einem Kanapee vor einem niedrigen Tischchen, auf dem ihre Kaffeetassen standen. John Stavropoulos hatte seinen Gabardinemantel ausgezogen und neben sich auf die Armlehne des Kanapees gelegt. Neben ihm hielt Dragan Kucka eine elektronische Zigarette in der Hand, sie war ausgeschaltet, dünstete dennoch einen Übelkeit erregenden schlechten Geruch nach desinfizierter Kokosnuss aus. Die Bar des Sofitel war an diesem frühen Nachmittag so gut wie ausgestorben, ein untätiger Barkeeper döste hinter seinem Tresen. Ich ging zu ihnen hin und nahm ihnen gegenüber in einem Sessel Platz. Durch die großen Fensterscheiben erahnte man die Place Jourdan im Nieselregen. In einigen Cafés brannten ein paar Lichter, ein Auto parkte im Herbstgrau. John Stavropoulos teilte mir mit, dass er zwei gute Neuigkeiten für mich hätte. Die erste, er habe mit Gu Zongqing telefoniert, dem geschäftsführenden Direktor der BTPool Corporation. Er habe auch die Gelegenheit gehabt, mit ihm über mich zu sprechen, offenbar mit besten Ergebnissen, denn Gu Zongqing sei hocherfreut, meine Bekanntschaft zu machen. Er erwartet Sie in Dalian Anfang des Jahres, sagte er mir, sichtlich zufrieden mit seiner Ankündigung. Ich sagte darauf nichts. Dragan Kucka, der weiter am Mundstück seiner ausgeschalteten elektronischen Zigarette herumgelutscht hatte, antwortete an meiner Stelle und sicher auch mit der Emphase, die man von mir erwartet hatte, es sei doch eine wunderbare Gelegenheit, die man beim Schopfe packen müsse (schon ein Vorteil, wenn man zu zweit ist und sich die Bälle zuwerfen kann). Ich sagte noch immer nichts. Ich wartete auf das, was noch kommen würde. Ohne sich durch meine fehlende Begeisterung aus dem Konzept bringen zu lassen, spielte John Stavropoulos sein zweites Ass aus. Nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten habe er das Vergnügen, mir mitteilen zu können, dass sämtliche Kosten für Reise und Übernachtung in China von der BTPool Corporation übernommen würden. Unser Gespräch begann eine Wendung zu nehmen, die mir unangenehm war. Die Karten, die er wie ein abgewirtschafteter Taschenspieler vor mir aus seinem Ärmel purzeln ließ, waren gezinkt, ich erkannte ihre wahre Natur, sie waren armselig, alles war eine oberfaule Täuschung. Denn wie sonst sollte man die Tatsache benennen, mir eine Auslandsreise anzubieten, bei der sämtliche Kosten bezahlt waren, mir, einem Europabeamten in Ausübung seiner Funktionen – wenn nicht als Korruptionsversuch? Das Lächeln war mir vergangen, mein Blick hatte sich verdüstert. Ich fühlte mich mit einem Mal miserabel. Ich hatte, was mein Berufsethos anbelangt, schon immer einen geschärften Sinn. Ich hatte das von meinem Vater geerbt, diesem aufrechtesten und integersten Mann, den man sich vorstellen kann. Ich wusste indes genau, dass ich mir nichts vorzuwerfen hatte. Ich hatte niemals Geld angenommen und ich würde es auch niemals annehmen. Doch allein schon die einfache Tatsache, diese beiden Mittelsmänner in meine Nähe gelassen und sie über Wochen hinweg getroffen zu haben, ohne jemanden aus meinem Team oder meinen Vorgesetzten ins Vertrauen gezogen zu haben (ich hatte keine Kollegen informiert, niemand wusste, dass ich die beiden traf), dieses Versäumnis brachte mich in die Bredouille. Meine Haltung hatte mit Sicherheit nichts Unrechtmäßiges, konnte aber als moralisch bedenklich bewertet werden. So sah ich es im Moment, so hätte es auch mein Vater gesehen, wenn er von dieser Situation erfahren hätte. Immer wieder gingen mir diese düsteren Gedanken durch den Kopf, ohne etwas zu erwidern, starrte ich durch die Glasfront auf die Place Jourdan. Mehr als je zuvor spürte ich, dass dies mein letztes Treffen mit John Stavropoulos gewesen war. Trotz meiner immer noch bestehenden Neugier, trotz meines nicht nachlassenden Verlangens, mehr zu erfahren, würde ich zweifelsohne genau hier abbrechen und unserer Beziehung ein definitives Ende setzen. Was bedeutete, dass dies auch mein letztes Rendezvous mit John Stavropoulos sein würde. Aber nicht, wie ich das dachte, niemals hätte ich in diesem Moment den weiteren Verlauf der Ereignisse vorhergesehen.
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